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ME AND MR. JOHNSON (Clapton)

Über die Interpretierbarkeit des Blues – © Al Cook 2004

ME AND MR. JOHNSON

Der Titel dieser Folge ist kein Tatsachenbericht aus einer virtuellen Zeitreise, sondern der Titel der neuesten Produktion von Eric Clapton, der weltbekanntesten Galionsfigur des weißen Blues.
Ich kenne die Stimmen, die jetzt gleich laut werden. Wenn der Cooksie über sein „Feindbild“ schreibt, weiß jeder, wie das ausgeht; aber Ihr könnt ruhig weiterlesen, ich weiß mich auch objektiv zu verhalten. Übrigens habe ich Clapton nie für einen schlechten Musiker gehalten, er ist halt nur kein Blueskünstler im historisch-authentischen Stil und versucht sich stets vergebens an Klassikern und hat zu seinem Leidwesen einen Affen an Robert Johnson gefressen, dessen härtester Hardcore-Fan er sein soll. Offenbar stimmt das auch, aber er interpretiert ihn einfach lau und lasch. Zudem versucht Clapton seine schwache Stimme durch Kompressoren und bis ins schmierig verzerrte Gitarrensounds aufzupeppen. Es ist wohl unbestritten, daß er Rockgeschichte geschrieben hat und zu seiner Glanzzeit mit Cream eine ernsthafte Konkurrenz für Jimi Hendrix war, der übrigens bluesiger als B.B.King war. Aber Eric Clapton war ein Gott der Rockgitarre. Zwar ließ er bei Cream das Singen dem Bassisten Jack Bruce über, aber der klang mir auch zu britisch. Ich steh‘ auf die Engländer und ihre „British Blues Connection“ sowieso nicht, aber das soll mein persönliches Problem bleiben. Diese Sprache eignet sich einfach nicht für den Blues und für den klassischen Südstaatenstil schon gar nicht.
Clapton versuchte schon bei den Yardbirds und John Mayall’s Bluesbreakers Country-Blues Klassiker im Rockgewande der 60er zu arrangieren, ebenso wie Peter Green über das virtuos-popig überzogene Imitieren von B.B.Kings Riff-Charakteristika nie hinauskam. Vielleicht können sie authentisch spielen, aber von ihren Tonträgern kommt das nicht herunter. Dieses Musiziergefühl der Zwischenkriegszeit muß aus einem herauskommen, aber dafür haben sie zu lange Rock und Popmusik gespielt. Clapton war durch seinen speziellen Gitarrestil zum Marktfaktor geworden, das heißt, er mußte Hits liefern und mithin den Blues so interpretieren, daß sich die Masse identifizieren konnte…und die stand auf Rock. Daß die Texte der meisten Nummern durch die Zeit überholt und gegenstandslos waren, hörte keiner. Der Cross Road Blues war ein eklatantes Beispiel dafür.



Auch ich hatte unabhängig in den 60ern die Idee, Country-Blues zu rhythmisieren, aber das scheiterte nicht nur an der fehlenden Qualifikation meiner Begleitmusiker, sondern letztendlich an der Instrumentierung, denn Elektrobaß und modernes Rockschlagzeug passen einfach nicht dazu.
Johnny Shines, einem Kumpel von Robert Johnson gelang in Chicago dieses waghalsige Experiment, aber die Begleiter waren ebenfalls ehemalige Delta-Bluesmen. Das waren keine Rockmusiker, die sich am Blues versuchten und nachher wieder „Sunshine Of Your Love“ oder „Satisfaction“ spielten. Arthur „Big Boy“ Crudup schaffte es ebenso, eine Art „Missing Link“ zwischen Country-Blues und Rock’n’Roll zu schaffen, aber diese Leute spielten anders, weil sie von der Bluesbasis und nicht vom Rock kamen.

Ich will hier keine Rezension über Clapton’s Produktion verfassen, das haben sicher schon andere getan. Ich war von einigen Elementen und der relativen Nähe zum Original überrascht, aber andererseits hat er aus dem 32-20 Blues eine Happy-Sound Nummer gemacht, deren Boogie Piano in seiner Kommerzialität auf eine Old Formation Platte gepaßt hätte. (Die Old Formation ist, oder war eine Wiener Kommerzband, die Fifties-Schlager spielte).

Eigentlich will ich aus diesem Anlaß eine Abhandlung über die Interpretierbarkeit des Blues schreiben, denn diese Musik lebt ja von der Persönlichkeit des Künstlers.
See, See Rider, eine der ersten klassischen Bluesnummern wurde durch Ma Rainey von einem solosingenden Mädchen übernommen, deren Lied sie einmal nach einer Zeltvorstellung hörte. Nachdem Ma Rainey die Nummer in ein Jazzbandarragement einbettete, wurde sie zu einem Standard vieler Bluesinterpreten. Blind Lemon Jefferson nahm See, See Rider als Corrinna Blues auf. Was aber diese beiden Versionen verband, war die Zeit und vor allem die ländliche Szene in der diese Nummer entstand. Mit Stücken aus der kommerziell-städtischen Hemisphäre sah das schon anders aus. Daß auch die Giganten des Country-Blues nicht vor Mißgriffen verschont wurden, beweist die holprig-blutleere Aufnahme, die Blind Lemon Jefferson vom How Long Blues machte. Diese Nummer war der größte Hit nach dem Kansas City Blues von Jim Jackson. Der How Long Blues war eine Komposition von Leroy Carr und wurde fast von jedem Blueskünstler interpretiert. Um Verkaufszahlen zu schinden, zwang man Blind Lemon diese Nummer auf. Der Pianist George Perkins bemühte sich vergebens den arythmischen Gitarrephrasen Jeffersons zu folgen. Man kann einen solchen Individualisten nicht mit einem gelernten Pianisten zusammenspannen. Ebenso ist es unmöglich Skip James‘ Pianokaskaden mit einer Gitarre zu begleiten.



Wie man es auch sieht, die Zeit und die Kultur stimmte wenigstens. Was aber diese Rockmusiker am Blues verbrechen, ist die Tatsache, daß sie Musik aus den 20ern und 30ern in lärmende Rockarragements verwandeln. Den gleichen Unsinn verzapfte man in den 50ern, als man klassische Europäische Musik verjazzte. Wenn Mozart heute leben würde, würde er die Kleine Nachtmusik so und so spielen. Totaler Schmarren, denn wenn Mozart in den 1950ern gelebt hätte, hätte er vielleicht Musicals a la Bernstein geschrieben oder wäre ein besserer Jerry Lee Lewis geworden. Fazit: Man kann nicht einfach ein gewisses Geschehen in die Jetztzeit versetzen, da es mit der Ära seiner Entstehung untrennbar verbunden ist. Daß solches Zeug trotzdem noch massenhaft verkauft wird und beim Publikum besser ankommt als die Wahrheit, läßt mich am sogenannten Common Sense ehrlich zweifeln. Aber ich glaube, daß sich die Interpretation des Kunstbegriffes einfach dem jeweiligen Zeitgeschmack anpassen muß, um überhaupt verstanden zu werden. Von den gleichgeschalteten Medien habe ich ja schon berichtet, aber was mir Sorgen macht, ist der Umstand, daß die Masse trotz Aufklärungsarbeit ihr Denken nicht ändert.


War es doch unsere Generation, die nach den irrationalen Reglements des 3. Reiches die Freiheit der Kunst forderte. Aber wo hört die Freiheit der Interpretation auf ? Begriffe haben sich verschoben, Stile sind entstanden, vergangen, oder mutierten unter dem selben Terminus zu einem Verständnis, das mit der ursprünglichen Bedeutung nur mehr wenig oder gar nichts mehr zu tun hat. Man bezeichnet Soul- und Funk-Musik als Rhythm And Blues und die Stones als Rock’n’Roll Band. Was gibt es da noch zu sagen?
Das Beste ist, man geht an die Wurzeln des jeweiligen Stils und findet dann heraus, wann sich die Elemente ins Nichts verlieren und einer Mutation Platz machen. Vor allem müssen die Grauzonen erkannt und klar kontrastiert werden. Habe ich denn schon wieder den berühmten Allerweltsspruch vernommen: OLLAS IS BLUHS. (Alles ist Blues Anm.d.Verfassers).
Um noch einmal Mißverständnisse zu vermeiden, statuiere ich: Nicht ich entscheide, was Blues ist oder nicht, ich stelle keine Dogmen auf, ich veröffentliche bloß Erkenntnistheorien, die sich durch die Natur der Sache klar erkennbar ergeben.

Bis nächstes Mal                                                                                             Euer AL COOK