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40 TOUGH BLUES YEARS

Anläßlich meiner 40jährigen Tätigkeit in der Österreichischen Musikszene © Al Cook 2004.

 40 TOUGH BLUES YEARS

An einem Wochenende des Jahres 1964 entschloß sich ein kleiner, schmalgepickter Jüngling, der fast ein Jahr sparen mußte, um sich Elvis-Koteletten zuzulegen, eine friß-oder-stirb Entscheidung zu treffen, nämlich aus der sogenannten normalbürgerlichen Welt auszusteigen um Künstler zu werden.
Vier Jahre zuvor faßte er nach dem zufälligen Besuch einer Kinovorstellung den unabänderlichen Entschluß mittels einer Starkarriere als Musiker der tristen Mittelmäßigkeit eines proletarischen Fabrikarbeiterdaseins zu entfliehen. Als geborenen Individualisten und Überzeugungstäter forderte ihm das Leben aber oft unbeugsame Härte zu sich selbst ab, denn Trend, Gesellschaft und Zeitgeist arbeiteten gegen ihn. Aufgewachsen im Vorkriegsgeist und geprägt von den Lebensstilelementen der 50er Jahre mußte sich der Jüngling, der bis dahin noch Alois Kurt Koch hieß, gegen die „progressive“ Erwachensbewegung der 60er durchsetzen. Ab Mitte der Sixties beherrschten nacheinander Beatles, Stones, der Woodstock und schlußendlich der Hippiekult aus San Franciscos Studentenszene das Denken der neuen Generation. Und mittendrin ein verbohrter Einzelgänger, der es nicht akzeptierte, daß man Elvis vom Thron stieß, dem Rhythmus den Swing nahm und die Freude an der Musik durch eine weltweite Drogenkultur ersetzte. Das hatte unausbleibliche Folgen für seine soziale Situation. Ausgegrenzt und zum bestaunten aber belächelten Alien gestempelt, schien die Starkarriere bereits nach dem ersten Betreten der Bretter, die schon sovielen Vorgängern die Welt bedeuteten, wie eine Luftblase zu zerplatzen. Fast zeitgleich lernt der junge Musiker durch ein geliehenes Tonband die faszinierende Welt des historischen Blues kennen. Damals hatte in unseren Landen kein Mensch auch nur die geringste Ahnung vom Blues, wie ihn die Schwarzen im Süden der USA spielten. Jazzfans waren die Einzigen, denen der Blues ein Begriff war, aber er spielte keine besondere Rolle. Seit den späten Vierzigern nahmen Bebop und Modern Jazz den Platz von Boogie, Swing und Dixie ein. Der Mainstream kam aber nicht einmal mit diesen Formen der Musik in Berührung und sogenannte anständige Bürger klebten sowieso seit zweihundert Jahren an Mozart und Beethoven.
Der geschichtsträchtige Debutauftritt am 17. Oktober 1964 mußte daher als fetter Bauchfleck enden.
Da entschloß sich Alois Kurt Koch seine bisherige Identität wie ein Kokon abzulegen und zu AL COOK zu mutieren.



Liebe Freunde und Fans !

So und nicht anders könnte man die ersten Jahre meiner Tätigkeit beschreiben.
Sechs Jahre danach schwappt die Folk-Welle (aus Amerika, woher denn sonst ?!) über Österreich herein. Sogenannte „Folkniks“ und Freizeit-Dylans legten mit ihrem Faible für einfache, akustisch instrumentierte Musikformen  die Brücke zum Folkblues. Aus einer anderen Ecke jedoch kamen die ohrenbetäubenden Protagonisten falsch verstandener Chicago-Blues Stilistik. Mayall, Clapton (schon wieder. Verzeiht mir, aber….) und das ganze Britpopgebräu, das Muddy Waters, Elmore James, Howlin‘ Wolf, Robert Johnson und Skip James solange vergewaltigten, bis man ihre Songs nur mehr nach Textfetzen identifizieren konnte. Aber das Faktum war, daß sich doch einige auf die Suche nach den Originalen machten und so den Kern einer embryonalen Bluesszene bildeten. Ich hatte allen bereits ein halbes Dutzend Jahre Bühnenerfahrung und entsprechendes Fachwissen voraus. Als eine Band namens „Fleetwood Mac“ mit ziemlich britisch klingenden Versionen einstudierter Elmore James Hits Aufsehen erregten, erkannte man erst, daß ich solches Zeug schon Jahre vorher vor konsterniertem Publikum in Wiens Kommerzlerstadl Tenne vorgetragen hatte. Damals verlor die Band, bei der ich meine ersten Sporen verdiente, eine wenigstens vage Chance zu weiteren Auftritten zu kommen. Daraufhin setzte man mich unter wüstesten Beschimpfungen an die Luft und ich schwor, nie mehr wieder mit einer Band zu spielen. Aber schon im nächsten Jahr war ich wieder drauf und dran, mir die entsprechenden Musiker zu suchen. Nach drei oder vier Monaten zerbrach auch dieses Projekt an der mangelden Qualifikation und stilistischen Orientierung meiner Begleiter.



Durch Vermittlung meines damaligen Bassisten entdeckte ich die Welt der Folkniks, Freizeithippies in einem Klub namens „Golden Gate“. Dieser Folkklub und sein Nachfolger „Atlantis“ bildeten zwischen 1967 und 1973 die Wiege der gesamten Österreichischen Popszene. Es gibt kaum einen der Etablierten, von Ambros bis zu den Schmetterlingen und Dr. Kurt Ostbahn (Willi Resetarits), die sich dort nicht ihre ersten Sporen verdienten. Ich aber war damals der absolute Hammer. Ich spielte in einem Audi-Max Konzert den austrokanadischen Folkbarden Jack Grunsky derart an die Wand, daß er bald wieder nach Kanada abdampfte. Sogar die Schmetterlinge engagierten mich 1970 für ihr erstes Video. Meine konkurrenzlose Beherrschung der in Mode gekommenen Slide-Guitar Technik machte mich zur absoluten Nummer Eins in der erwachenden Austropopszene. Am 12. Mai 1970 besuchten mich die Plattenbosse von Amadeo Records und so entstand die erste rein authentische Bluesplatte im deutschsprachigen Raum. Plattenfirmen aber sind kommerzielle Unternehmen und da die Verkaufszahlen meiner Debutplatte „Working Man Blues“ mit Ächzen und Stöhnen die Tausendergrenze machte, feuerte man den Produzenten und mir schlug man vor, die nächste Produktion mit etablierten internationalen Musikern zu machen. Schnell stellte man einen Konnex zum Management von Eric Clapton (!!) und John Mayall her. Die Kultband Cream war gerade aufgelöst worden und Clapton war offensichtlich frei. Heute weiß ich das nicht mehr, aber vor Jahren kam ein Konzertbesucher zu mir und meinte, ich hätte Ende der 60er bei Cream im Vorprogramm gespielt und Clapton sei beeindruckt gewesen. Der Wahrheitsgehalt dieser Story ist mir zwar suspekt, aber ich spielte damals so viele Konzerte, in denen Internationale auftraten. Zum Beispiel 1978 oder 79  war ich mit einer Band, in der der heutige Extremschrammler Roland Neuwirth noch bei mir Bassist war, Gast bei Bill Haley’s letzter Tournee. Für mich, der in einem autistischen Elfenbeinturm lebte, waren all diese Poptypen nur langhaarige Giftlertypen, denen ich am liebsten aus dem Wege ging. Ich lehnte das Offert, mit Clapton oder Mayall aufzunehmen, ohne Zögern ab. Tausende junge Musiker wären sicher ausgeflippt und hätten sich vor Freude die Schenkel weichgeklopft, aber bevor ich Schmarren produziere, nur um Kohle zu machen, lasse ich es lieber bleiben….das bin nun mal ich. Mir imponieren keine Namen und Mythen, ein Mythos will ich selbst werden und einen Namen möchte ich mir nur als charakterstarker Authentiker machen. Ich habe nichts zu verlieren, außer vielleicht meine Ehre und auf die bin ich ehrlich gesagt, sehr heikel. Solange ich ein Dach über dem Kopf und was zu Futtern habe, kann mich keiner kaufen. Man sagt, jeder habe seinen Preis, aber da mir materialistisches Denken fremd ist, kann mich keiner manipulieren. Da ich keine Kinder habe und nicht verheiratet bin, bin ich auch nicht erpreßbar. Das wußte ich schon als Jüngling.



Vielleicht hätte ich damals nicht einmal John Lennon registriert. Eines aber weiß ich….Als ich 1978 oder 79 mit meiner damaligen Band als Vorprogramm zu Ten Years After engagiert war, machte sich Alvin Lee, der Flatterfinger-Gitarrero ins Hemd und wollte nicht spielen. Was hatte der bloß? Erst sollte ich nur solo spielen, aber ich weigerte mich aus Solidarität meine Boys im Stich zu lassen. Heute würde ich genau so handeln, denn meine Musiker sind meine Freunde und Freunde bescheißt man nicht um des eigenen Vorteils willen. Sch…auf  Karrierechancen und Kohle. Reich zu werden auf Kosten geschätzter Menschen ist nicht meins, no sir! Klar, ich möchte auch keine finanziellen Sorgen, aber ich kenne trotzdem keinen Neid gegenüber erfolgreichen Leuten, denn ich weiß in den meisten Fällen, wie und wodurch diese Pappenheimer zu Ruhm und Kohle gekommen sind. Seht Euch nur Elvis oder auf den unteren Ebenen die Schlagerleins und Pophupfdohlen an. Eines Tages halten sie es nicht mehr aus und sie dröhnen sich zu, um ihrer beschissenen, verpfuschten Persönlichkeit nicht gewahr zu werden.  
Mitte der 70er war ich der unumstrittene Star der Szene. Ich machte Tourneen, doch mein damaliger Manager band mich von 1971-75 an einen Selbstmordvertrag und hätte ich damals nicht meinen Vater gehabt, ich wäre verhungert. Ende Oktober 1973 endete meine hauptberufliche Tätigkeit als Feinmechaniker bei Siemens. Ich stand schon öfter auf der Bühne als an der Werkbank und das Mobbing seitens neidischer Arbeitskollegen grenzte schon an organisierte Verschwörung. Ich verdiente mit einem Konzert bereits mehr, als ein Facharbeiter mit Überstunden. Kurzerhand stellte man mich vor die Wahl: Mechaniker oder Musiker. Diese friß-oder-stirb Entscheidung fiel mir jedoch weit leichter als vor zehn Jahren. Amadeo Records ließen mich zwar fallen, aber meine Bedeutung in der Populärkultur der 70er dokumentierte ein historischer Sampler, wo ich gleich neben Wolfgang Ambros mit meinem „Working Man Blues“ prangte. Übrigens, meine Minitourneen mit Wolferl gipfelten in dem Vorfall, wo er mir vom Rücksitz des Tourwagens erklären wollte, wie man Blues zu spielen habe.



Privat waren diese erfolgreichen Jahre aber der reinste Horror. Ich führte beide Eltern nacheinander mit amputierten Beinen im Rollstuhl, mein Bruder heiratete aus dem Haus und ich verlor meinen einzigen Kameraden. Ich hatte keine Freunde und Frauen waren für mich ein unerreichbares Privileg. Ich hatte abseits der Bühne eine krankhaft-neurotische Ausstrahlung, konnte keinem in die Augen sehen und litt unter einem derartig hoffnungslosen Erotiknotstand, daß ich glaubte, verrückt zu werden. Das ist sicher kein Renomme für einen „Star“, aber ich bin auch gegen mich kritisch und ehrlich. Das Gefälle zwischen Bühne und Privatleben produzierte Frustenergien, mit denen man einen Konzertsaal zum Heulen bringen könnte. „The Loneliest Man In Town“ beschrieb in bildhafter Poesie, wie trostlos ich meine Zukunft einschätzte. Was war das für eine unverständliche Situation. Ich glaube, daß die Wurzel meiner Probleme erstens meine Kontaktunfähigkeit war, die aus meinem nicht vorhandenen Selbstbewußtsein resultierte. Als Produkt einer faschistoiden Ohrfeigenerziehung und konstantem Mobbing und Prügel in der Schule und auf dem Spielplatz brach mir eines Tages im Alter von 8 Jahren die Seele auseinander. Was aber bemerkenswert war, mein sturer Individualismus und die Anpassungsunfähigkeit an aufgezwungene Strukturen blieben erhalten. In vielen späteren Interviews statuierte ich, daß ich es mir leiste, Mensch zu sein. Damit will ich sagen, daß ich es mir ungeachtet meiner Möglichkeiten leiste, ich selbst zu sein, meine Meinung zu vertreten und sei sie noch so unpopulär. Das erfordert oft eine Art von Todesverachtung, denn ein brutaler Kritiker sagte mir einmal: Wenn Du auf die Welt scheißt, riecht man das in zehn Metern nicht mehr, aber umgekehrt überlebst Du das nicht.
Im Juli 1974, just am 13. lernte ich meine erste Lebenspartnerin kennen und mein Glück schien perfekt, doch nach drei Jahren erhielt ich per Telefon den blauen Brief….. an meinem 32. Geburtstag. An meinem 58. aber bekam ich von ihr eine Torte und sie versorgt mich, soweit sie kann, mit AKG Acoustics, Liebesdienste einer schönen, soliden Herzensfreundschaft.


1977 starben Elvis und dann mein Vater. Doch ein Bilderbuchereignis schenkte mir die Liebe meiner zweiten Frau. Nachdem ich im Jazzland aus Verzweiflung „Love Me Tender“ sang, stand sie auf und küßte mich. Seither sind fast 27 Jahre vergangen. Doch der Blues vergißt seine Kinder nicht. Vor fast 15 Jahren erkrankt sie an einer massiven Stoffwechselstörung und seither ist ihr Leben nur mehr ein medizinischer Dominoeffekt.
Ende der 70er erlebte die Szene eine Götterdämmerung, die langsam in die Finsternis abglitt, in der sie heute steckt. Der sogenannte Austropop lag im Sterben und alle Musikformen, die nicht die entsprechenden Quoten brachten, wurden aus den Medien ausgemustert. Aufgrund meines Exotenappeals konnte ich in einigen Medien noch Schlagzeilen und in manchen Sendungen noch Halbstundenspots bekommen. Ein bißchen Fernsehen, ein bißchen Radio und mäßige Buchungszahlen brachten mich bis in die Mittachziger. Nach mir begann ein Bluesenthusiast namens Erik Trauner mit seiner Mojo Blues Band in der Szene Fuß zu fassen. Künstlerisch war er damals noch keine Konkurrenz für mich, aber sein auf Unterhaltung und leichtfüßigen Honkrhythmus aufgebautes Konzept ging beim Publikum voll auf. Kommerziell konnte ich den Hut nehmen, denn meine archaische gutturale Lautmalerei mit schneidender arythmischer Gitarrenbegleitung war nach 15 Jahren nichts aufregendes mehr. Außerdem gab es in meinem Programm keine Schunkelblues zum Mitsingen. Mein Fankreis schrumpfte bis auf hundert Freaks, die auf Son House, Charlie Patton und Blind Lemon Jefferson standen. Im Sommer 1983 löste ich wieder einmal eine Band aus Bluesmuffeln auf und war im Begriffe, das Handtuch zu werfen. Aber ich konnte nicht, denn was sollte ich tun? Abseits der Bühne war ich ein Nichts, ein Niemand der weder Schwimmen noch Radfahren oder Sport treiben und außer einer ewig unbefriedigten Sexomanie nichts zu bieten hatte, das einen unmusikalischen Nichtfreak interessieren könnte. (Ja, so harte Kritik schieße ich auch manchmal gegen mich ab). Also ließ ich mich vom Schicksal treiben. Auf der Heimfahrt vom Westbahnhof hörte ich im Taxi eine wilde Rockabillynummer, merkte aber, daß sie von keinen Klassikern gespielt wurde. Richtig, es waren die Stray Cats mit „Rock This Town“. Da ging mir eine Beule im Hinterkopf auf. Bevor ich Gitarre spielen konnte, komponierte ich einige Nummern für Elvis, weil mir seine Hawaiischeiße verdammt auf die Nüsse ging, schickte sie aber nie ab. Ich kratzte also meine Memories zusammen und begann, mit zwei zufällig getroffenen Musikern zu üben. Endlich hatte ich die entsprechenden Enthusiasten zur Hand und wir starteten am 6. Oktober 1983 im seligen Papas Tapas als AL COOK with Harry and Mike, angelehnt an Elvis with Scotty and Bill.



Wir trieben den sogenannten „SUN“ Sound druckmäßig so auf die Spitze, daß gegen uns keine noch so junge Band in Punkto Kraft und Dynamik eine Chance hatte. Mit meiner brutalen Baritonstimme, Mikes donnerndem Prügelbaß und Harrys kanonenhaftem 2/4 Rhythmus auf einer zum Zerreißen gespannten Snare-Drum eroberten wir bald die gesamte Lokalszene. Ein stilles Quatschlokal, das fallweise Musik im Programm hatte, engagierte uns am 1. Mai 1984. Durch den legendären Hansi Dujmic, der damals kurzzeitig mit Roland Neuwirth in einer meiner Bandformationen spielte, kam der Kontakt mit dem Lokalbesitzer zustande und bald verwandelten wir das „Jonathan Seagull“ in einen brodelnden Hexenkessel, in eine höllische Rock’n’Roll Sauna, wo permanent aufgegossen wurde. Da sich der Wirt offenbar keine Klimaanlage leisten konnte, mußten wir auch im Sommer bei geschlossenen Fenstern spielen. Der Rauch war nur mehr Nikotinsirup, der Sauerstoffgehalt der Luft konnte nur mehr in Promille gemessen werden. Tische splitterten unter den tanzenden Stilettos ausgeflippter Weiber und wenn ich während meiner Show Sessel zerschlug, Biergläser und Gitarren an die Wand warf, rastete das Publikum voll aus. Ich riß mir das Hemd vom Leib und schlug mit dem Hosenriemen wie ein Berserker auf Harrys Becken ein, bis mir der Schweiß in Strömen vom Körper rann. Bald war die Rockprominenz Stammgast im „Jonathan“ und ein paar Jünglingen blieben die Münder offen….es waren Robert Shumy und die eben gegründeten Salty Dogs und der erst 18jährige Siggi Fassl. Ich brachte die unmöglichsten Sessions auf die kleine Bühne. Es gibt ein Foto, das uns mit Charly Ratzer, Ulli Bäer und Erik Trauner auf einer Bühne zeigt. Soetwas gabs und gibt es im normalen Leben auch heute nicht. Sogar Alexander Goebel, sowie Rossacher und Dolezal waren da. Ich war wieder obenauf. Doch gegen Ende der 80er artete der Spaß derartig aus, daß meine Frau kurzerhand einen Strich unter die Story machte. Unser Publikum bestand nur mehr aus glatzköpfigen Rebels, Gürtelhuren und besoffenem Gesocks von der Straße. Mein sensitives Gitarrespiel wich einer ohrenbetäubenden Phrasenwixerei und ich als überzeugter Antialkoholiker war bei jedem Konzert bis zur Halsleiste mit billigem Fusel abgefüllt. Die Bluesfans sprangen ab und hörten sich lieber die Mojo Blues Band an, während die Rock’n’Roll Fans meiner Generation lieber bei der soliden Musik von Fats Domino und Elvis blieben. Bald verwechselte man mich zusehends mit einem Elvis-Imitator und einem nostalgischen Wunschkonzert. Auch wenn ich heute wieder Blues mache, weigere ich mich, Schlager wie Hoochie Coochie Man zu spielen. Doch wieder zurück in die 80er. Al Cook war wohl wieder der Kapo, aber künstlerisch ging es bergab. Über Nacht machte ich mit dem Rock’n’Roll Schluß und wendete mich wieder dem Blues zu. Den Ausschlag aber gab ein bemerkenswertes Erlebnis: Ein Rockabilly-Redneck kam auf mich zu und meinte, ich solle mit dem Negerscheiß aufhören und weiße Musik spielen. Das war der springende Punkt. Mit rassistischen Argumenten gegen meine geliebte Bluesmusik wollte ich absolut nichts zu tun haben und ich schwor mir, nie mehr wieder Rock’n’Roll zu spielen.



Wenn mir die Wahl zwischen Rock’n’Roll und Blues gestellt wird, entscheide ich mich ohne Zögern für den Blues. Das Rock’n’Roll Publikum von 1983 war nicht das von 1953 oder 54. Als intimer Kenner der Bluesgeschichte wollte ich einen Stilbogen spannen. Blues, Rhythm And Blues und Rock’n’Roll waren Blutsverwandte in einer Linie, wie sie direkter nicht sein kann. Aber die Realität sieht anders aus. Für die Jazzer waren wir nur „Alabama-Ferdln“, also musikalische Einfaltspinsel und die Rock’n’Roll Fans teilen sich unversöhnlich in Rocker und diverse „Billies“. Ein echter Rockabilly haßt Blasinstrumente. Und für die Rocker teilt sich die Szene in Weiß und Schwarzrocker, also Elvis und Bill Haley versus Little Richard und Chuck Berry. Der widerwärtigste Zweig aber waren mir die – verzeiht mir den harten, aber passenden Kraftausdruck – arschwarmen Typen wie Paul Anka, die Highschoolcrooner und die tausend Bobbies, Bobby Darin, Bobby Vinton, Bobby Vee, bis zu Bobby dem „Röschen“. Ach ja, der Backfisch-Schwarm Frankie Avalon und die Schmuserocker von Everly- und anderen Brothers bis zu Ricky Nelson und Cliff Richard, der sich mit seiner Chamäleon-Mentalität bis heute gehalten hat. Die Teutonen-Rocker, von Peter Kraus bis Ted Herold und die cleane, Muschilose Conny Froboess, bei der man wirklich glaubt, daß sie vom Zwickerbusserl schwanger wird, sind für wahre Fans sowieso indiskutabel. Aber so kann man unsere Musikkonsumentenszene punkto Rock’n’Roll charakterisieren. Stellt Euch also vor, mittendrin steht der kleine Cooksie mit seiner zu großen Gitarre und singt von der Big Fat Mama, die mit einem Schwung ihrer affengeilen speckigen Bauchtanzhüften sogar einem toten Mann den Liebessaft aus den Nüssen preßt. Welche Chancen hat also solche Musik. Der Rhythmus ist nicht das, was man heute unter cool versteht und man weiß nicht, wo sich der nächste Taktstrich befindet. Aber ich frage Euch, wieso und warum haben das die Leute verstanden, die einem Tommy Johnson oder Blind Lemon Jefferson mit roten Ohren zuhörten und nicht immer ebenholzschwarze Feldarbeiter waren.
Von nun an war es mir schnurzegal, ob jemandem meine Musik gefiel, oder nicht. Ich ging sogar einen Schritt weiter. Als ich eines Tages  gedankenverloren in meinem Zeitungsarchiv stöberte, fand ich einen Beitrag mit dem Titel: „THE WHITE KING OF BLACK BLUES“. Das, Friends and Neighbors, war es. Ich erhob diese paar Worte eines enthusiastischen Redakteurs zu meinem Icon. Das ging den schwarzrassistischen Bluesfaschisten voll in die Eier. Das ist AL COOK. Denkt Euch, was ihr wollt. Ich war der Erste und Einzige, der sich einen Künstlernamen leistete, der prägnant einsilbig war und unter die Haut ging.



Ich wechselte zu „Wolf Records International“, dem Label meines Freundes Hannes Folterbauer, meiner Schutzzone gegen das Finanzamt. Hannes weiß, was ich produziere und ich habe freie Hand. Er bekommt das fertige Werk und die Fachpresse antwortet mit guten Kritiken. Geld ist nicht viel da, gerade noch um die Fertigung zu finanzieren, aber es entsteht Kunst…und das ist das Ziel meines Daseins als Musiker. Ich poliere und update nicht. Mein Blues steht so wie er ist und solange ich noch bewegliche Finger und eine heiße Kehle habe, wird es mich geben.
Meine letzten Produktionen stellen auch noch Talente vor, die bis vor kurzem noch Insidertips waren, die aber den Starmania-Trällerchens zeigen, wo Gott wohnt. Doch wie Ihr wißt, hat der Blues seit der Regentschaft des leidigen Roscic-Clans in unserem Land gar keine Chance mehr. Als ich Mitte der 90er meine letzten audiovisuellen Auftritte absolvierte, war die Generalintendanz des ORF drauf und dran, alles was nicht linientreu, also popig war, aus den Programmen zu entfernen. Ö3 wurde vom offenen Progressivsender zum (S)HIT-Radio und heute behämmert uns das TV mit diversen Stadeln. Aber gegen den Audio-Terrorismus der Ötzi-Hinterseer Bande ist sogar die Cobra machtlos.
Ich wollte schon als Robin Hood der Bluesheerscharen den Medienbossen die Faust auf den Tisch knallen, aber ich merkte zusehends, daß die ohnehin schmale Szene zu meinem Leidwesen auch noch intern zerstritten und vom Konkurrenzdenken zerfressen war. Also, wofür und für wen oder was sollte ich in den Krieg ziehen. Außerdem kosteten mich meine Privatprobleme ziemlich viel Kraft. Meine Frau kränkelte seit Jahren dahin und ich konnte und wollte sie nicht öfter als nötig allein lassen. Schon meines Vaters wegen, schlug ich eine Chance aus, mit dem großen Roosevelt Sykes auf Tour zu gehen. Egoismus ist eine Charaktereigenschaft, die mir fremd ist. Meine eingeschränkten Freiheiten und die schwindenden Möglichkeiten in entsprechendem Rahmen aufzutreten, setzten mir innerlich ziemlich zu. Die neue Generation von Konzertveranstaltern waren in einem Alter, in dem sie in vielen Fällen meine Kinder sein konnten. Man kannte mich einfach in vielen Fällen nicht mehr. Ihre Eltern mögen ihnen vielleicht von einem Mann mit Elvis-Tolle und einem Stahlrohr am kleinen Finger erzählt haben. Diesem Alien, der AL COOK genannt wurde und von dem man nicht weiß, was er wohl tun möge. Ich bin nach wie vor aktiv und spiele vor fünf Leuten genauso gut oder schlecht wie vor fünfhundert, fünftausend oder fünfzigtausend. AL COOK kommt, spielt und singt; mit oder ohne Begleitung. „I’m a Mississippi Man…“ oder „The Blues ain’ nothin‘, but things ain‘ goin‘ on right..“ Eines Tages, Anfang August 2002 forderte das Ergebnis meiner Jahrelangen Frustfresserei seinen Tribut. Ich futterte mir 93 Kg an und drei meiner Herzkranzarterien versagten ihren Dienst. Hinterwandinfarkt, drei Bypässe und Intensivstation.



In der Erstversorgung eröffnete man mir, daß ich es offensichtlich noch rechtzeitig geschafft hatte, denn eine Stunde später wäre ich der erste Engel mit Bluesgitarre gewesen. Dabei fuhr ich im Taxi ins Krankenhaus und nahm das alles vorerst nicht so ernst. Ich bin eine Rübe mit dem Immunsystems eines Panzers, aber man eröffnete mir, daß meine Arterien nicht zu retten seien und ich mich einer dreifachen Bypassoperation unterziehen müsse. Glücklicherweise kannten mich die operierenden Ärzte und machten mir offensichtlich eine Doppelnaht. Sie drehten mir mein zersägtes Brustbein mit D-Saitenstarken Drähten zusammen und nach 12 Tagen war ich wieder zu Hause und Mitte November debutierte ich im  Galerie-Cafe. Was mich aber ein paar Rührungstränchen zerdrücken ließ, war das Wunder demonstrierter Treue und Freundschaft. Freunde, Fans und sogar meine Exfrauen besuchten und kümmerten sich um mich, während die gesamte Szene für mich zwei Tage lang Benefitz spielte. Ich war platt über die Tatsache, daß es doch Menschen gibt, die mich oft grobes Rauhbein gern haben. Aber wäre ich nicht so eine Rübe, ich hätte somanches nicht überlebt, denn im Einstecken hatte ich oft die größten Taschen. Medikamente, die meinem Herzen zuliebe Erregungszustände nivellieren, hatten den angenehmen Nebeneffekt, daß ich Freude empfand, zu meinen Mitmenschen gut und herzlich zu sein. Plötzlich mochten mich viele, die mich ansonst nur von der Seite ansahen.

Nun habe ich in Bälde 60 Jahre auf dem Buckel und das Unmögliche geschafft, ohne auch nur eine Konzession an die Musikindustrie, meine Mission durchzuziehen. Wahrscheinlich habe ich außer den mir bekannten Künstlern vielleicht noch hundert Unbekannte und nie Gehörte zum Musizieren gebracht. Natürlich ist nicht jeder meinen Weg gegangen und somancher mag dem Druck oder den Verlockungen der Populärkultur nicht standgehalten haben, aber ich brachte sie alle dazu, ein Instrument zur Hand zu nehmen. Oft und oft war ich nahe dran, alles hinzuschmeißen, aber es hat immer Menschen oder Zufälle gegeben, die mich weitermachen ließen. Ich wußte auch, wenn ich aufgeben würde, wäre das nicht nur der Tod des authentisch-historischen Blues als lebende Kunstform, sondern schlußendlich auch mein eigener, denn zurück ins Fabriksproletariat war unmöglich. Zudem wäre mein Leben und mein Tun vergebens gewesen. Ohne Musik ist es auch mit meiner Identität und meinem Daseinssinn zu Ende; und was bleibt dann noch….



Meine Motive, Musik zu machen variierten von Zeit zu Zeit. Erst war es die Befreiung aus einer hoffnungslosen sozialen Situation, dann ein ewiger Ringkampf um meine Stellung in der heimischen Musikgeschichte und seit zwei Jahrzehnten eine Mission der Erhaltung des Historizismus im Blues und der endgültigen Konsolidierung meines Namens als Begriff. Zuletzt hoffte ich, einen geeigneten Nachfolger zu finden, aber trotz des Angebotes an hochqualifizierten Künstlern habe ich noch keinen zweiten „Cooksie“ erblickt. Damit ist nicht das technische Können gemeint, denn es gibt Kollegen, die mich in punkto Technik mühelos in den Sack stecken. Es geht mir eher um einen, der nicht nur so wie ich, in jener Zeit lebt, als Dinos wie Patton, Jefferson und die großen Johnsons (Robert, Lonnie, Tommy, Blind Willie….) die heiße Erde der Baumwollfelder mit ihren Rhythmusfüßen zusammenstampften, sondern auch eigenständige und vor allem lebende  Bluesmusik macht; der komponiert, als wäre er einer der großen Klassiker und nicht bloß irgendwelche Nummern nachspielt oder in Verehrung der schwarzen Altmeister erstarrt. Es ist nicht in meinem Sinn, daß man den Crossroad Blues bis auf den geringsten Fehler kopiert, aber daß man deshalb daraus eine funkige Rocknummer mit verzerrtem Santana-Sound macht, ist sicherlich noch weniger gemeint. Wer hat die Überzeugung und schlägt vor den Poptycoonen auf den Tisch und hält sich bis zum Abkratzen selbst die Treue, frißt lieber Kartoffeln und lebt von der Sozialhilfe, als sich durch Mastdarmexpeditionen und Schweinekommerz einem Bad in Kaviar und käuflichen Weibern den Vorzug zu geben. Ja, ich verlange viel, aber auch nicht mehr wie von mir selbst….und ich schwöre Euch, daß ich kein Übermensch bin.
Diesen Absatz mag mancher als irreale und präpotente Wichtigtuerei eines sich selbst überschätzenden Klimperanten interpretieren, aber es ist nun einmal das, wofür ich gelebt habe und bei Gott, ich ziehe das bis zu meinem nächsten, wahrscheinlich nicht mehr so glimpflich verlaufenden Herzinfarkt durch.



Meine lieben Freunde !

Ich gebe zu, daß ich mich oft allzu wichtig nehme und selbstgerecht bin, aber ich frage Euch: Was soll man in einer Gesellschaft tun, die ihre Gesetzmäßigkeiten alle sechs Monate ändert und die heilige Kuh, vor der man heute kniet, morgen schlachtet. Man sieht an der Jugend, sowie an den Erwachsenen, denen nichts heilig ist, wie sie moralisch versumpern. Ehre, Moral und Treue werden als Relikte aus der Zeit des Dritten Reiches abqualifiziert (Originalton Rev. Frank), Du mußt ein Schwein sein (Neudeutscher Songtitel). Ohne mich, Leute. Man muß sich eben eine Weltanschauung zusammenzimmern und dafür geradestehen, auch wenn sie mit dem Zeitgeist kollaboriert. Das ist die Lösung des Rätsels. Wenn man sich nicht wichtig nimmt, kann man sich gleich bei der Tierkörperverwertung anmelden. Man muß nur ein Gefühl für Maß und Ziel entwickeln. Außerdem: Künstler dürfen offiziell und behördlich genehmigt spinnen. Spinner sind oft die einzigen Menschen, die es sich leisten, sie selbst zu sein. Sie konnten einst als Hofnarren ihre Herrscher kritisieren und veräppeln, ohne dafür ihrer Rübe verlustig zu gehen. Natürlich nahm sie niemand ernst, aber sie waren oft tausendmal klüger als ihre Kaiser und Könige und überlebten sie meistens um viele Jahre. Denkt nach und macht Euch Euren Reim.

Am 16. Oktober 2004 werde ich mit Hilfe der Vienna Blues Connection im REIGEN mein großes Fest feiern. Ich habe wieder vor, die Creme der Bluesszene zu einem gigantischen Freundschaftskonzert auf einer Bühne zu vereinigen, wie einst im Oktober 1989, als ich mein 25jähriges feierte und das Metropol bis auf die Straße mit Menschen voll war. Ich hoffe bei Gott, daß ich es noch einmal schaffen werde. Was ich zum 60er auf die Beine stellen werde, weiß ich noch nicht. Mein Traum ist es aber, meine Lebensgeschichte in Buchform zu veröffentlichen. Zum 40. Bühnenjubiläum möchte ich den kompletten Output (neudeutsch) meiner alten Platten auf CD veröffentlichen. Wünscht mir Glück, daß ich diese Projekte durchziehen kann.
Ich hoffe, daß Ihr jetzt schon die entsprechende Mundpropaganda in Gang setzen könnt.

Ich wünsche Euch für’s Neue Jahr aus ganzem Herzen alles Glück dieser Welt. Bleibt gesund und besucht mich mal bei einem Konzert. Das nächste ist am Samstag, dem 24. Jänner 2004 im Jazzland, 1010, Franz Josefskai 29. Es wäre gut, wenn Ihr allerspätestens um 20.30 Uhr dasein könntet. Es wird leider nichts reserviert.

Euer  Al Cook