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SUMMERTIME BLUES

Al Cook Special – Gedanken zu einer Lebenswende. © Al Cook  2002 

SUMMERTIME BLUES

Meine lieben, treuen Freunde !

Es war eine schwüle Nacht zum 5. August, ich stand in der Dusche und war im Begriffe, schlafen zu gehen. Mir fällt die Seife aus der Hand und ich hebe sie auf, doch da gibt es mir einen Riß vom Bauch bis in die Zähne und ein brennend-ziehender Schmerz durchzieht meine Brust. Ich vermute einen meiner hin und wieder vorkommenden psychosomatischen Zwerchfellkrämpfe, die ich aber in den Griff zu kriegen weiß.
Während ich aber ins Zimmer wanke, habe ich zusätzlich noch Blackouts und Schwindelanfälle. Meine Frau hilft mir mit Schmerztabletten, einem Beruhigungsmittel und breitet ein nasses Handtuch über mich. Immer noch glaube ich an einen Schwülekoller mit Sauerstoffmangel. Der Schmerz vergeht, ich schlafe ein und wache des nächsten Morgens auf. Meine Frau meint aber, ich sähe schrecklich aus und der kalte Schweiß rinnt mir in Strömen und bedeutet mir unmißverständlich, den Gang ins Rudolfsspital anzutreten. Also ins Taxi und ab zu den Ärzten, doch bereits in der Erstversorgung heißt es: Schwerer Hinterwandinfarkt mit drei verstopften Herzkranzgefäßen. Meiner Frau sagen sie, wenn ich zwei Stunden später gekommen wäre, hätte ich nur mehr den Schlußakkord gespielt.


Al Cook, der Betonschädel mit dem resistenten Körper einer Rübe geht auf die Bretter, ich fasse es nicht. Ich kann doch hier nicht vom Schicksal als Herzinfarktler in die Gruppe der Beserlparkpensionisten zwangsintegriert werden. Doch das Urteil heißt Bypassoperation in Lainz. Al Cook in Lainz, stellt Euch das einmal vor. War das alles nach 57 Lebensjahren und 38 Jahren Bühne?? Ich habe doch noch so viel zu tun und nun bin ich für unbestimmte Zeit aus dem Rennen. In unserer schnellebigen Zeit ist man bald weg vom Fenster und schafft nur mehr schwer den Anschluß.
Was war das bloß? Ich frage den Arzt, der mir sagt, daß mich erstens ein vierstelliger Cholesterinspiegel und zweitens eine genetische Disposition belastet. Unwillkürlich kommt mir meine Familie in den Sinn….Mutter stirbt 1970 59jährig an den Spätfolgen schlecht behandelter Diabetes, Vater werden beide Beine wegen gangränöser Gefäßverkalkung amputiert, mein jüngerer Bruder muß meines neuesten Wissens blutverdünnende Mittel nehmen, damit sein Blut nicht zur Gallerte wird. Nur ich war der fixen Meinung, von alldem glücklicherweise verschont geblieben zu sein. Ich vermied es zudem immer, mit  gesundheitsschädigenden Genußmitteln in Berührung zu kommen und weitgehend solide zu leben und siehe da, ich habe vom Schicksal letzten Endes auch mein Fett abbekommen.

Wenn man so im Krankenhaus liegt und nachdenkt, kommen einem die seltsamsten Gedanken.
Habe ich schon mein Ablaufdatum überschritten, oder hat mich wieder der Fluch des Big Joe Williams eingeholt. Logisch ist das natürlich alles Blödsinn, aber ich will wenigstens so alt wie meine Mutter werden oder noch schöner, mein Pensionsalter von 60 Jahren erreichen. Übrigens will ich den Tag meines Abschieds selbst bestimmen, das gehört zu meiner Weltanschauung des Menschenrechtes auf selbstbestimmtes Er- und Ableben. Der miterlebte langsame Tod meiner Eltern hat mich zu dieser Überzeugung gebracht.
Aber Heureka! Ich lebe noch und bin auf dem Wege der Genesung. Zwar kann ich noch keine Chuck Berry-Schritte machen und noch nicht mit vollem Schalldruck singen, aber ich glaube, schon gegen Mitte November einsatzfähig zu sein.



Was mich aber total aus den Socken gehoben hat, ist die Sympathiewelle, die meine Situation ausgelöst hat. Ich wußte gar nicht, daß mich so viele Menschen mögen. Rund um die Uhr läutete das Telefon und meine Frau schlief oft keine drei Stunden am Tag. Mein Freund und „Schützling“ Busy Tom hatte die Idee, ein Benefizkonzert auf die Beine zu stellen und ich war schlicht baff, daß so viele Musiker daran teilnehmen wollten. Sogar Exponenten aus der eher rockigen Gilde der Bluesabteilung und echt branchenfremde Künstler meldeten sich bei Busy Tom an, um dabei zu sein. Gab es doch noch eine Woche vorher diese wilde Diskussion, wer nun Bluesman sei und wer nicht. Ich gab den poporientierten Musikern noch Saures und plötzlich stehen Traditionalisten und Moderne wie ein Mann hinter mir und spielen für mich. Das läßt einen an Gott glauben….. Liebe Freunde! Ich bin beschämt und total ratlos. Ich kann Euch für Euren Beitrag nur mit tiefer Verbeugung danken. Zwar habe ich in den fast 40 Jahren meiner Tätigkeit vielen Menschen diese schöne Musik nahegebracht, aber aus Betriebsblindheit im Kampf um mein eigenes Dasein oft nicht gemerkt, wer der Nächste war. Ich hoffe, daß ich Euch das irgendwann einmal vergelten kann.
Ich war einst enttäuscht, von offiziellen Kulturstellen für meine 40jährige Plackerei gegen den Strom noch keinen warmen Händedruck bekommen zu haben, aber das was sich jetzt tat, überstieg einfach mein Vorstellungsvermögen. So etwas kann man nicht kaufen oder herbeizaubern. In den Herzen der Menschen einen Platz zu ergattern und zu fühlen, etwas gegeben zu haben, kann durch keine Medaille ersetzt werden.

Privat tat sich auch Eigenartiges. Jeden Tag hatte ich lieben Besuch, aber da taucht plötzlich meine erste Freundin auf, die ich 35 Jahre nicht mehr gesehen hatte. 1970 nahm ich auf meiner Working Man Blues-LP das Lied vom Mädchen mit dem steinernen Herzen, den „Stone Heart Blues“ auf und plötzlich ist sie da und ihr Herz hatte sich in pures Gold verwandelt. Sie betreute mich – natürlich mit Wissen meiner Frau – und wir führten schöne Gespräche und eröffnete, durch mich zum Bluesfan geworden zu sein. Daß sich etwas Menschliches durch 35 Jahre erhalten hat, grenzt an ein Wunder. Sogar meine Ex spart sich eine Stunde von ihrer Managerzeit ab, um mich zu besuchen und zu sehen, wie es mir geht. Sie stellt ihr Auto mutig auf einem Arztparkplatz ab und kommt mir mit fliegendem Rock entgegen. Als wir uns voneinander verabschieden, bin ich glücklich, daß sie es zur internationalen PR-Lady bei AKG gebracht hat und in der Welt herumreist, wenngleich ihr dies erst ohne mich möglich war. Wir sind gute Freunde geblieben und das ist schön…..soetwas gibt es sehr selten.



Ich aber lernte etwas kennen, was mir die meiste Zeit meines Lebens nicht oft begenet war….wirkliche Freundschaft.
Meine Frau harrt noch immer ihrer letzten Operation nach einem Blinddarmdurchbruch und kann nicht aus dem Haus. Ich bin nicht nur ihr einziger Ansprechpartner, sondern halte zu Hause alles zusammen, so gut es geht und jetzt scheint die letzte Bastion zusammenzubrechen. Die letzten Jahre waren keine Guten. Das Geschäft ging schlecht, das Finanzamt drückte mir den Stiefel ins Genick und meine Frau stürzte von einer schweren Krankheit in die andere. Schlaganfall, Raubüberfall und schlußendlich ihre Blinddarmgeschichte mit nekröser Bauchdecke fesselten sie seit fast sechs Jahren ans Haus und jetzt ging auch ich in die Knie. Cooksie mit Bypass in der Intensivstation.
Da nahm mein Freund Stephan Rausch das Ruder in die Hand und versorgte meine Frau so gut es ging. Busy Tom und Smörre Klein stellten ebenfalls ihre Dienste zur Verfügung. So etwas hatte ich wirklich nicht erwartet. Um solchen Altruismus zu vergelten, lebe ich nicht lange genug. Was ich tun kann, ist der Blues-Connection weiterhin treu zu bleiben und aus meinen Archiven etwas auszulassen.

Vielleicht hat sich der Traum des „Deke Rivers“ doch erfüllt und er hat wahre Freunde gefunden.
Wer Deke Rivers war, wird heute keiner mehr wissen. Es war die Rolle, die Elvis Presley im Film „Gold Aus Heißer Kehle“ (Loving You 1957) spielte. Deke war ein Loner, der ewig nach wahrer Liebe und Freundschaft suchte und alles, laut Hollywood am Schluß auch dann fand. Übrigens war das der Film, der mir am 25.Juli 1960 die Weiche für’s Leben stellte.

Liebe Freunde! Ich hoffe, bald wieder auf der Brücke zu stehen und mein Werk weiterführen zu können und danke Euch aus ganzem Herzen, denn Ihr habt entscheidend mitgeholfen, damit ich weitermachen kann.

                                                                Euer    AL COOK