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ELVIS ARON PRESLEY

Al Cook Special – © by Al Cook 2002

ELVIS ARON PRESLEY – 8.01.1935-16.08.1977

Über Elvis zu schreiben ist so müßig, wie eine Neuauflage der Bibel verfassen zu wollen. Über keinen Star der Populärkultur des 20. Jahrhunderts ist soviel geschrieben worden, wie über den King Of Rock And Roll. Obwohl Elvis nur knappe vier Jahre wirklich vitalen Rock’n’Roll gemacht hat, überdauerte der Nimbus des rebellischen Jugendidols nicht nur die restlichen Jahre, die er mit Hawaii-und Hausfrauenfilmchen vertat, sondern als er fett, von Medikamenten und Colesterinbomben aufgedunsen, vor totgeschminkten Gruftpuppen seinen Hüftschwung im dritten Anlauf leidlich schaffte.
In meinem Artikel „Elvis und der Blues“ umriß ich grob die schwarzen Wurzeln der Musik, die ihn berühmt machte. Die Aussage eines Kumpels aus der Frühzeit trifft den Nagel in punkto Weltkarriere auf den Kopf: “When they took him offa the country, they took the country outta him“. Wäre Elvis tatsächlich so ein Rebell gewesen und hätte dem „Colonel“ den Stinkefinger gezeigt, hätte er es wahrscheinlich nicht einmal so weit gebracht, wie unsereins. In Amerika (nun auch bei uns) zählt bloß die Kohle die man macht. Der arme Südstaatenjunge, der Eichkätzchen fressen mußte, um nicht zu verhungern, dachte an alles andere als an künstlerische Motive, als er das erste Mal eine Gitarre zur Hand nahm.

1935 waren die ärgsten Folgen des Börsencrashs von 1929 durchgestanden, aber für das ordinäre Landvolk der „Cracker“ und des „White Trash“, der Komplementärversion des „Niggers“ besserte sich die Situation kaum. Es gab keine gescheiten Jobs und wenn man konnte, begang man Landflucht und die führte nach St.Louis oder wie im Falle der Presleys, in die relativ pulsierende Metropole von Memphis, Tennessee.


Da ertönte in einer „Shotgunhütte“ an der Old Saltillo Road in East Tupelo der erste Schrei eines Jungen, dessen Stimmbänder einst Goldeswert haben sollten. Bald aber folgte eine zweite Ausgabe nach, ein eineiiger Zwilling, den die Eltern Jesse Garon nannten. Der schrie aber nicht, weil er bereits tot war, als er dem Staate Mississippi geschenkt wurde. Still wurde das Brüderchen begraben und man konzentrierte sich auf den überlebenden Sprößling, den man Elvis Aron nannte. Vater Vernon Elvis Presley war ein stiller Mann, der alles tat, um seine kleine Familie über die Runden zu bringen, während Mutter Gladys, eine unscheinbare Südstaaten-Hausfrau, die Hosen anhatte. Sie war dunkelhaarig und eine gluckenhafte Mutter, die ihren Sohn mit Liebe erstickte. Bis ins Jungenalter begleitete sie Elvis zur Schule und er tat keinen Schnaufer, ohne seine Mutter einzubeziehen. So lernte Elvis bereits von Anfang an nicht, selbständig zu denken. El war nicht einmal volljährig, übernahm „Colonel“ Thomas Andrew Parker das Kommando und dann konnte sich der größte Star aller Zeiten nicht einmal mehr die Schuhe binden, ohne daß sein Manager Geld daraus machte.

Doch 1938 stand Vater Vernon das Wasser bis zum Hals und er fälschte einen Scheck um etwas zum Futtern besorgen zu können, was einen längeren Aufenthalt auf der berühmt-berüchtigten Parchman Farm zur Folge hatte. Von Charley Patton bis Bukka White hatten viele Bluessänger Bekanntschaft mit der Peitsche von Captain Jack gemacht, den Son House im County Farm Blues beschrieb.
Mississippi hatte in den 30ern eine pulsierende Bluesszene. Am 28. Mai 1930 fand in Grafton, Wisconsin die größte Bluessession der Vorkriegszeit statt. Charley Patton, Son House, Willie Brown und die eher unbekannte Pianistin und Sängerin Louse Johnson nahmen ihre legendären Platten auf, während der „dämonische“ Robert Johnson noch seiner Verewigung harrte. Auch weiße Country-Künstler bedienten sich oft schwarzer Themen. Larry Hensley nahm 1935 Blind Lemon Jefferson’s Matchbox Blues auf. Viele weiße Songschreiber ließen sich von schwarzer Blueslyrik beeinflussen, wie Carl Mann und Bernie Lowe, die ihren Hit „Teddy Bear“ auf der letzten Zeile des Teddy Bear Blues von Blind Lemon Jefferson aufbauten.
Elvis mußte als Kind von schwarzer Country-Blues Musik umgeben gewesen sein. Ebenso war er aber dem Einfluß seiner Bluegrassbegeisterten Verwandtschaft ausgesetzt gewesen. Jedes Jahr fand die sogenannte Tri-State Fair statt, auf der es auch einen Kindersingwettbewerb gab. Elvis trat an, aber niemand wollte ihn auf der Gitarre begleiten. Kurzerhand stieg er auf eine bereitgestellte Kiste, um das Mikro zu erreichen und sang, ganz ohne Begleitung „Old Shep“, eine rührselige Ballade über ein Hündchen, geschrieben von einem Country Star namens Red Foley. So geschehen im Sommer 1940. 1956 erinnerte sich Elvis und nahm ein Remake für RCA auf. Alle waren gerührt und Elvis konnte den Rest des Tages mit Freifahrten auf den Karussells verbringen. Natürlich schrieb man später, er hätte den ersten Preis gemacht und ihn einem armen Jungen überlassen (Schluchz!).
Offiziell war die Rassentrennung im Süden noch so strikt, daß man als Weißer zum „Niggerlover“ degradiert werden konnte, wenn man auch nur ein freundliches Wort für einen Schwarzen hatte. Das ging bis in die Zeiten der Bürgerrechtsbewegung weiter. Aber da beginnt eigentlich das Phänomen Elvis Presley.



Eigentlich will ich nicht die schon tausendmal kolportierten Geschichten über Elvis‘ Entdeckung wiedergeben, sondern mir meine eigenen Gedanken über das Marketingphänomen machen, denn zerlegt man Elvis in seine Einzelteile, bemerkt man, daß man ihn nur als Gesamtkunstwerk im Kontext mit dem Zeitgeist der frühen 50er begreifen kann. Der Rest seiner Karriere ist meines Erachtens nur über die Schwimmflügelfunktion seiner totalitätsgläubigen Fanclubstrukturen und einer pervertierten Gedenkindustrie zu erklären, die ihn „larger than life“ erscheinen lassen. Wenn ein Star nur mehr seinen Gesangstext vor sich hinlallt, aus verquollenen Augen starr ins Leere schaut und seine Show nur mehr schlampig und desinteressiert herunterkurbelt….und das Publikum dennoch vor Verzückung johlt, wird’s für mich problematisch. Es wird berichtet, daß Jimi Hendrix bei einem seiner letzten Konzerte absichtlich falsch spielte und vor extatischen Fans die Bühne verließ. Da wird der Begriff des Charismas zum ernstlichen Diskussionsthema.

Doch zurück zu Elvis.
1948 ging einfach nichts mehr und Vater Presley wanderte mit Frau und Kind nach Memphis aus, um in einer Art Gemeindebau in der Alabama Street Quartier zu beziehen. Elvis besuchte die Humes High School und war ein eher mäßig talentierter, unauffälliger Schüler, der mit Akne kämpfte. Er soll ein sehr schüchternes Muttersöhnchen gewesen sein, den sein späterer Leibwächter Red West ständig aus prekären Situationen herausboxen mußte. Offensichtlich war die Gitarre Elvis‘ beste Freundin und er zupfte, sooft er konnte auf ihr herum, bis er endlich ein paar Akkorde zuwege brachte. Seine Stärke aber war sein Gesang, der etwas Anrührendes hatte und sein waidwunder Jungstierblick aus tiefsitzenden schönen blauen Augen. Da Elvis ständig mit gesenktem Blick auf den Boden schaute, schien er bei der Weiblichkeit eher Beschützerinstinkte hervorzurufen. Er war der Typ, dem man nie böse sein konnte und dessen leicht nach links verzogenes unsicheres Lächeln so verdammt entwaffnend wirkte.
Elvis trieb sich oft und oft im schwarzen Viertel um die Beale Street herum, beobachtete die  Straßensänger und war von deren Musik und Performance-Stil genauso gefangen, wie meine Generation. Er nahm einen Job als Lieferant für Elektromaterial an um nicht seinen Eltern am Sack zu hängen. In der Mittagspause hörte sich Elvis die schwarzen Rhythm And Blues Sender an und manchmal auch die Tagesschlager. Er wollte wie Dean Martin singen, was man teilweise in El’s berühmtem Timbre hören kann, aber auch Mario Lanza und einige Country-Sänger imponierten ihm. Elvis kam auf der Gitarre nie über das rudimentäre Akkordspiel eines Lagerfeuerklimperanten hinaus. In seinem ersten Film „Love Me Tender“ kann man genau beobachten, wie er während des Refrains mindestens drei Akkorde vermissen läßt. Auf der Hitsingle spielt ein unbekannter Studiomusiker die Gitarre.
Lange bevor Elvis seine erste Single „That’s Allright“ aufnahm, hing er im SUN-Studio herum und beobachtete die schwarzen Sänger und Bands, die der Studiochef Sam C. Phillips für sein Label aufnahm. Isaiah „Doc“ Ross berichtete mir, daß er Elvis am Kinn hochhob und sagte: „You ain‘ never goin‘ nowhere, lookin‘ always down on the groun‘“.



Die Legende von Elvis erster Aufnahme hat bereits einen Bart, der um die Welt geht, aber die Story von der Geburtstagsplatte für seine Mutter ist Bravo-Quatsch, wie die Mär von der Overnight-Sensation. Kurz nach seinem ersten lokalen Erfolg organisierte man einen Auftritt in Nashville’s Grand Ole Opry, dem Tempel der Country Music. Nachdem Elvis beim Moderator Jack Denny mit seinem „Niggeroutfit“ und der uncountrymäßigen Bandbesetzung nur Antipathie erzeugte, bemerkte dieser spöttisch, daß Elvis besser täte, sich wieder ans Lenkrad seines Lasters zu setzen. El brach in die Knie und heulte die ganze Fahrt nach Memphis. Ich hätte Jack Denny wahrscheinlich meine Gitarre in die Hand gedrückt und gesagt: „Dann machs besser!“ Glücklicherweise feierte Elvis bei KWKH Lousiana Hayride seine ersten Triumphe und eroberte den ganzen Süden. Vereinzelt aber wurde er von Rednecks attackiert, man schmierte ihm das Wort „Niggerlover“ auf sein Auto und als sich die Weiblichkeit für ihn zu interessieren begann, bekam er nicht nur einmal Hiebe von eifersüchtigen Cowboys. Natürlich trat die Teen-Presse diese Ereignisse zugunsten von Elvis breit.

Elvis wäre nie über den Status eines singenden Landgockels hinausgekommen, hätte sich nicht in der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft etwas getan.
Die USA waren zu Beginn der 50er eine ziemlich puritanische Nation. Zwar hatten sie den Krieg gewonnen, aber die Werte der sogenannten schweigenden Mehrheit und die Kommunistenphobie der Mc Carthy Ära sind der heranwachsenden Jugend fremd geworden. Sie wollten nicht mehr als Miniaturausgabe ihrer Eltern ihr Leben verbringen. Neue Stars eroberten die Leinwand. Montgomery Clift, Paul Newman, Marlon Brando und schließlich der unsterbliche James Dean stellten das Denken der vorhergehenden Generation in Frage und man entdeckte die Jugend als Wirtschaftsfaktor. Was lag also näher, als mit dem Generationenkonflikt Kohle zu machen. Nur wenn man Kohle machen will, muß sie auch brennen, damit sie die Kassen der Wirtschaft zum Glühen bringt.


1953/54 war die Zeit der Umbrüche. Marlon Brando verkörperte den „Wilden“ und James Dean den pubertären Rotzlöffel. In Bill Clinton’s Heimatstadt Little Rock, Arkansas mußte ein schwarzer Schüler mittels Nationalgarde zur Schule eskortiert werden und Bill Haley, ein bis dahin unbekannter Country-Swinger mit fantastischer Band nahm eine Nummer auf, die er „Rock Around The Clock“ nannte. Der Terminus „Rock And Roll“ war nichts anderes als ein schwarzer Double-Talk Terminus für das, was man mit einer Frau am liebsten tut. Alan Freed, ein damals bekannter Discjockey schnappte diese Bezeichnung auf und entschärfte sie, indem er sie einfach zu einer Musikrichtung stilisierte. Fortan verstand man unter Rock’n’Roll kommerzialisierten Rhythm and Blues und benannte auch gleich einen Tanz, der dem Jitterbug der 40er sehr ähnlich war. Die Taktbetonung war eine, auf die harte Akzentuierung der Zwei und Vier aufgebaute Rhythmusstruktur.
Alan Freed produzierte eine Abendsendung, die er „Moondog Rock And Roll Party“ nannte. Zu Anfang hörte man einen jaulenden Hund und dann ging’s los. Schwarze Rhythm And Blues Music vom Feinsten. Freed jaulte, trommelte während er seine Hits spielte mit den Händen auf die Studiokonsole. Die weiße College-Jugend bekam die schwarze Brühe wie heiße Schokolade durchs Radio serviert. Natürlich brachte solch unverhohlene Präsentation „dreckiger Niggermusik“ die Elterngeneration auf die Barrikaden. Manche Radiostationen stellten Plakate aus, auf denen stand: “ Save our youth, ban this nigger stuff“, oder „We play no nigger music“ und Ähnliches. 1953 aber wagte Alan Freed, der übrigens weiß war, das heißeste Experiment der Rockgeschichte. In der Baseball Arena von Cleveland veranstaltete er seinen legendären „Moondog Ball“. Schwarze R&B Gruppen traten live auf und die Rassebarrieren wurden aufgehoben. Die Sitzreihen waren für schwarz, weiß, braun und latino gleich zugänglich. Was heute vielleicht selbstverständlich erscheinen mag, war damals subversiv-revolutionär. Zehntausend wurden erwartet, aber Achtzigtausend(!) kamen. In Cleveland aber herrschte noch Rassentrennung und Freed mußte die Veranstaltung abbrechen, weil die Stadtväter durchdrehten. Man wollte ihn für diese Frechheit einbuchten, konnte ihn aber nur wegen Verletzung der Feuerschutzbestimmungen belangen. Schließlich gab man Alan Freed in New York grünes Licht, denn seine Rock’n’Roll-Bewegung war sowieso nicht mehr aufzuhalten.
Die Jugend begann dem „Establishment“ zu entgleiten. Jazz war bis dahin nur in Form Gershwinscher Operettenshows wie „Showboat“ gesellschaftsfähig. Schwarze sangen wie italienische Krawattentenöre und der Rest war Tin Pan Alley Kacke vom Schlimmsten. Das afrikanische Element in der Jazzmusik und deren Derivaten war die Freiheit der Improvisation, daher war alles was nicht unter Kontrolle zu bringen, also frei interpretierbar war, eine Gefahr für die damalige Gesellschaftsstruktur. Als ich einmal im Bücherkasten meiner Frau ein Buch über christliche Jugenderziehung fand, konnte man tatsächlich lesen, daß Jugendliche oder Unmündige nicht zuviel Jazz ausgesetzt werden sollten, da sie ernstlichen Schaden an ihrer moralisch-seelischen Entwicklung nehmen könnten.


Die Rock’n’Roll-Kultur war nicht mehr aufzuhalten. Selbst Attacken der Geistlichkeit gegen diese „Teufelsmusik“ und regionale Bannbullen gegen Radiostationen fruchteten wenig, denn diese Musik war drauf und dran, den Erdball zu erobern. Schließlich entschloß man sich an der „Revolution“ zu verdienen und nahm ihr damit den Stachel der Gesellschaftsgefährdung.

Was aber noch fehlte, war die ideale Ikone. Bill Haley hatte die besten Musiker, war aber schon ein wenig pummelig und ohne seine Band eigentlich nur ein Durchschnittstyp mit schmalziger Stirnlocke. Chuck Berry trennten die Rassebarrieren, um am weißen Markt zu punkten, außerdem war er für die Themen die er besang bereits zu alt. Fats Domino, der schon 1949 mit „The Fat Man“, einer Version von Champion Jack Dupree’s „Junker Blues“ einen Hit machte, war zwar ein lustiger Typ, aber schwarz und fett. Also der Messias des Rock’n’Roll mußte noch vom Himmel herabsteigen.

Im Sommer 1953 entschloß sich der linkisch-verklemmte Lastwagenfahrer Elvis Aron Presley vier Dollar zu riskieren, um sich mal selbst auf einer Platte zu hören. Die Geschichte dieses denkwürdigen Tages kennt auch jeder, der sich auch nur einen Tag mit Elvis beschäftigt hat. Die Story, daß der junge Presley-Sproß eine Geburtstagsplatte für seine Mutter aufnahm, war schon immer purer Quatsch und entstammt nur der damaligen Fanpresse, die dem Kotelettenteufel aus Memphis einen guten Kern applizieren wollte. Elvis wollte nur hören, wie er klingt. Heute kann sich jedes Kind auf seinem Kasettenrecorder aufnehmen. Elvis Gesang klingt, als wenn er sich von Strophe zu Strophe weiterhantelt, während sein Gitarrespiel nach El’s eigenen Worten nach Topfdeckel klingt.
Sam C. Phillips, der Inhaber der SUN Studios, sowie des gleichnamigen Labels beeindruckte die Stimme dieses Jüngelchens wenig, aber seine Sekretärin Marion Keisker war offensichtlich von seinem schüchternen Jungstierblick angetan und notierte Name und Adresse, sowie die Fußnote: „Got a good voice“.
Sam aber war auf eine seltene Spezies Sänger fixiert: „Könnte ich einen Jungen finden, der mit schwarzer Stimme singt, mache ich Millionen mit ihm“. Soweit ich beurteilen kann, klang Elvis‘ Stimme nicht die Bohne nach schwarz, aber für das puritanische Country-Publikum unterhalb der Mason-Dixon Line genügte sein Stil, um ihn als „gottverdammten weißen Nigger“ zu etikettieren. Elvis‘ angebliches Rebellentum existierte eigentlich gar nicht, es war eine glatte Fehlinterpretation, die geschickt von der Unterhaltungsindustrie zu Geld gemacht wurde.



Mentalitätsmäßig war Elvis ein seelisch total von der Mutter abhängiger unmündiger Tolpatsch, der vor unfamiliären Menschen nicht wußte, was er mit seinen Händen anfangen sollte. Er lernte nie selbständig denken, oder mit Messer und Gabel essen. Darum fraß er sich auch an allerhand Burgern zu Tode, wie eine späte Dokumentation zeigt. Unter der Oberfläche aber brodelte es und Elvis lebte nur auf, wenn er eine Gitarre in der Hand hatte und singen konnte. Sein zweiter Film „Loving You“ von 1957 zeigt das sehr deutlich. Offensichtlich spielte sich Elvis in der Rolle des Deke Rivers selbst. Es war übrigens der Film, der mich zum Musiker machte und mir meine friß-oder-stirb Entscheidung aufzwang.
Elvis weltberühmte Frisur war auch nicht auf seinem Mist gewachsen. In den Südstaaten trugen die Fernfahrer sowie die verwegenen Männer der Highway-Patrol lange Koteletten. Aber auch Zuhälter und zwielichtige Dandies kleideten sich lange vor Elvis mit breiten Slacks (überlangen Bundfaltenhosen) und zweifärbigen Schuhen. Dazu trug man grelle Sportsakkos in gestreift oder kariert, etwas zu lang mit einem Knopf knapp unter der Gürtellinie. Hatte man nicht gerade buntgemusterte Krawatten mit Surreal-oder Jazzmotiv um den Hals, trug man den offenen Hemdkragen weit ausgeschlagen oder hochgestellt, um ein verwegenes Aussehen zu markieren. Die für damalige Verhältnisse allzu bunte Verrücktheit von Elvis‘ Kleidung war den schwarzen Herumtreibern von der Beale Street abgeschaut. Der Laden, wo sich Elvis diese Klamotten besorgte, hieß Lansky’s und war Treffpunkt aller Typen, die unbedingt auffallen wollten. Und Elvis wollte nicht so sein wie der Durchschnittsamerikaner mit Crew-Cut (Bürstenhaarschnitt) oder grauem Flanell.
Diese Mischung aus pubertärer Jungenhaftigkeit, zwingendem Erwachsenseinwollen und Mut zur stilisierten Geschmacklosigkeit, sowie einem hübschen Gesicht mit tiefliegenden blauen Augen ließ sich als Identifikationsfigur für eine aufmüpfige Jugend ideal verkaufen. Dazu kam noch der zweideutig klingende Gesang und die von den Schwarzen abgeschaute Bühnenshow. Elvis war 1,83m groß, also nicht zu klein und nicht zu groß. Gerade noch ums Quentchen über der damaligen Durchschnittsgröße.
Als Elvis das erste Mal vor einem größeren Publikum auftrat und ein bißchen mit dem linken Fuß schlenkerte, war’s um die Weiblichkeit geschehen. Sein schiefes Grinsen konnte von nett bis dreckig interpretiert werden und so hatte die Geschichte endlich ihre Ikone, in die man hineininterpretieren konnte, was man wollte. Wurde es zu bunt, kehrte man eben schnell den netten Jungen heraus, der seine Mutter liebte und unschuldige Balladen sang.



Elvis Manager Thomas Andrew Parker war das Paradestück eines skrupellosen Roßtäuschers. Geboren als Andre Van Kuyk, erschlich er sich schon bald den Rang eines Ehrencolonels der Konföderierten und ließ auf Jahrmärkten bemalte Spatzen als Kanarienvögel auf heißen Herdplatten tanzen. Für zwielichtige Politiker machte er den Wahlhelfer und als man nach Anhören des Elvis Hits „Money Honey“ fragte, ob er mit walisischem Akzent sänge, meinte Parker: „Wenn’s Kohle bringt, machen wir ihn eben zum Waliser.“
Die Story des Welthits „Love Me Tender“ liest sich wie der totale Publikumsbetrug.
Die Melodie bestand aus einem frechen Totalplagiat einer Bürgerkriegsballade namens „Aura Lee“, der ein anderer Text appliziert wurde. Sieht man genauer hin, steht unter dem Titel „Elvis Presley – Vera Matson“. Vera Matson war die Frau des musikalischen Direktors von Elvis erstem Film. Da es in den USA aber eine Art Nord- und Südstaaten AKM gibt, mußte Ken Darby nicht nur seiner Frau die Rechte abtreten, nein – diese mußte noch Elvis, der nie in seinem Leben einen Ton komponiert hatte, auch ihre halben Rechte übertragen. Dasselbe geschah bereits mit El’s erstem Hit „Heartbreak Hotel“. Colonel Parker stellte die Komponisten vor die Wahl, entweder die Hälfte von einem Hit, oder alles von nichts. Wenn man in den USA geschickt ist, kann man aus jedem Haufen Scheiße Geld herausholen und Tom Parker war der ungekrönte Capo der Crooks. Wie später bewiesen, war es dem Colonel schnurzegal ob Elvis Rock’n’Roll, Hawaiikacke oder billigsten Schweinekommerz a la Las Vegas sang, es mußte Kohle bringen. 1968 hatte Elvis genug und wollte Parker in die Wüste schicken. Da sagte dieser „Okay, ich rechne zusammen, was Du durch mich verdient hast und welchen Verdienstentgang ich ohne Dich berechnen muß, dann kannst Du wieder Lastwagen fahren.“ Elvis gab klein bei und der Colonel ließ ihn in Burbank in Lederkluft alte Hits singen. Offensichtlich machten es die Beatles besser, denn sie emanzipierten sich schon sehr bald von ihrem Manager Brian Epstein. Ich bezweifle, daß Elvis in seinem Tun oder lassen je von künstlerischen oder missionarischen Motiven getrieben wurde. Er hatte bloß Freude am Singen und wollte vor allem ankommen und dem Publikum gefallen. Sicher ein legitimes Motiv, aber das genügt nicht, um eine derartig beispiellose Karriere zu machen. Er war der Schlüssel, aber ein Schlüssel ist wertlos, wenn es kein Schloß und keine Tür gibt, die damit geöffnet werden kann. Das erklärt auch das Phänomen des Charismas. Wenn es keinen Acker gibt, nützt auch der fruchtbarste Samen nichts, also Charisma ist eine Art Interplay zwischen Sender und Empfänger.



Es gibt keine Siegertypen und keine Verlierer, es kommt nur drauf an, ob die Chemie zwischen Produzent und Konsument stimmt, sonst geht das Licht aus, wenn der sogenannte Alien-Effekt nicht mehr zieht. Das Geheimnis ist der Prozeß der Identifikation. Elvis war in den Fünfzigern einfach etwas Fleischgewordenes, was in den Hinterköpfen der damaligen Jugend bereits seit geraumer Zeit vorhanden war. Er war wild, aber nicht gewalttätig, wie Jerry Lee Lewis, der sein Klavier mit Fußtritten traktierte, oder ein kreischender Schwarzer, wie Little Richard. Rock’n’Roll-Nummern wechselten sich mit hintergründig gehauchten Balladen ab und Elvis ging mit dem Einsatz seiner Bühnenshow sehr ökonomisch um. Da die Menge schon aus Erwartungshaltung kreischte, genügte oft bereits ein geschlagener Einstiegsakkord und sein aus dem linken Mundwinkel geworfenes Kußlächeln und die Weiblichkeit fiel reihenweise in Ohnmacht. Wie groß der Anteil seines Managers am Einsatz von Elvis‘ Beckenaktivitäten war, ist nicht dokumentiert, aber wie ich die Managementtaktik Tom Parkers kenne, konnte Elvis kaum einen unkalkulierten Furz lassen. Als Elvis in Deutschland war, ließ ihn sein Manager außer unter der Dusche, keinen unbezahlten Ton singen. Wir alle beneideten Elvis ob seiner Berühmtheit, seines Reichtums und vor allem wegen seiner magischen Anziehungskraft auf Frauen. Erst nach seinem Tod wurde die ganze Tragödie seiner armselig einsamen Existenz und totalen Unfreiheit offenbar. Wenn man nicht einmal aus dem Fenster blicken kann, ohne daß man von hysterischen Fans zerrissen wird und jedes Wort von seinem Manager in den Mund gelegt bekommt, ist es kein Wunder, daß man TV-Geräte zerschießt und den ganzen Tag Dummheiten treibt. Die Schmarotzerbande, Memphis Mafia genannt, hing an El’s Lippen und lachte, wann er lachte, ließ sich bereitwillig herumkommandieren und lachte schallend über immer dieselben abgestandenen Witze. Ich glaube, daß Elvis wußte, daß er sich alles kaufen konnte und daß sich seine Umgebung nicht nur gerne kaufen ließ, sondern wandelnde Taxameter waren. Als er in den 70ern mit großem Orchester auftrat, hatte ich den Eindruck, daß die Musiker superprofessionelle, aber eiskalte Klimpermaschinen aus Nashvilles Studioszene waren. Sie grinsten, wenn Elvis gut sang, grinsten aber mit derselben professionellen Gleichgültigkeit, wenn er von Drogen vollgepumpt seinen Text vergaß und sich mit schwerem Zungenschlag durch seine Hits quälte, um sich schließlich in eine schlechte Karateshow zu retten. Das Publikum zahlte und johlte, die überwutzelten Ex-Teenager wurden ein letztes mal feucht im Höschen und Elvis tauchte ab, ohne wie immer keine Zugabe gegeben zu haben.



Die einzigen wahren Freunde, die Elvis hatte, waren Gitarrist Scotty Moore, der 1965 verstorbene Bassist Bill Black und Drummer D. J . Fontana. Scotty Moore zog sich Ende der 50er zurück und ist derjenige, der am wenigsten über Elvis spricht. Als es mit dem Rock’n’Roll-Trio vorbei war, hatten die drei für Tom Parker ihre Schuldigkeit getan und andere Musiker übernahmen das Backing. Damit war es mit dem wahren Elvis vorbei. Seine Stimme hatte die gewohnte Schneid verloren und die Musik entfernte sich immer weiter von der Unmittelbarkeit der frühen Jahre. Dann verlor Elvis für immer seine Koteletten und die Pomadenwelle ging zum Militär und versetzte sich schlußendlich selbst den Todesstoß, indem er in einer Szene des Films „GI Blues“ gegen seine eigene Musik losschlug, indem er einen Kameraden mit einem Haken zu Boden streckte, weil dieser „Blue Suede Shoes“ hören wollte. Damit hatte Elvis in meinen Augen künstlerischen und vor allem kulturellen Selbstmord begangen, der aber mit Sicherheit ebenfalls von Tom Parker kalkuliert war.
Ab 1958 gings mit der Rock’n’Roll Kultur zu Ende und die erste Ratte, die das sinkende Schiff verließ, war Thomas A. Parker und Elvis hatte mitzuziehen. Buddy Holly, Eddie Cochran und der Big Bopper verunglückten tödlich, Jerry Lee Lewis war durch seine Heirat mit seiner 13jährigen Cousine Myra untragbar geworden, Chuck Berry war im Gefängnis und Little Richard wurde Prediger. Bill Haley war zur Unfigur geworden und der Rest waren die braven Bubis wie Fabian, Frankie Avalon,die tausend Bobbies, wie Bobby Darin, Bobby Vee und Bobby……und schließlich Ricky Nelson und Cliff Richard, der bald den Weg nach Großbritannien weisen sollte. Da warteten schon Tommy Steele und Tony Sheridan, der eine Begleitband namens Silver Beatles hinterher zog. Die Jugend war für neue Idole reif und Elvis‘ Management mußte ihn an die nun älter werdende erste Rockgeneration weiterverkaufen. Was lag näher, als Elvis das Image des Vaterlandstreuen braven Bürgers anzupassen, ließ ihm aber einen Rest seiner ehemaligen Rebellenmasche. Nur waren die Gegner nicht mehr die Elterngeneration, die sich über seine Hüftwackelei mokierte, sondern amoralische Gaunertypen, die er so neben seiner Rolle als Küsserkönig reihenweise erledigte. Dazwischen gibt es Liedchen im jeweiligen Zeitgewand und Elvis singt süße Kinderchen, Puppen oder Plastikschöheiten an. Er verschwindet bald aus den Charts, aber macht eine goldene Schallplatte nach der anderen. Dafür sorgen schon die sektiererischen Fanclubs, die alles kaufen, was aus der Presley’schen Hitküche kommt. Sein Manager hält es offenbar für unnötig, Elvis öffentlich auftreten zu lassen. Solange sich die Tonträger verkaufen, wird produziert und die Filmchen dienten eigentlich nur als Kulisse für die Songs. Hie und da schlägt noch ein bißchen Rock’n’Roll durch, aber im Großen und Ganzen ist es billigst heruntergekurbelte Kommerzware. Längst hatten die Beatles und deren Ableger die Welt erobert, da entschließt sich Elvis, im Lederoutfit wieder auf Rocker zu machen. Es wird eine Session in den Burbank-Studios in Kalifornien organisiert und man lud sogar Scotty Moore ein, der sich bemühte, seine historischen Solos möglichst naturgetreu nachzuspielen.



Dann kamen die 70er und Elvis wurde zu einer abgehobenen Karikatur seiner selbst. Seine Frisur artete zu einer Pelzhaube mit Backenbart aus und er selbst steckte in einem weißen Overall, der mit gräßlichem Straß übersät war und in überdimensionalen Glockenhosen endete. 1956, hatte er im „Last Frontier Hotel“ in Las Vegas ein voll in die Hosen gehendes Debut und nun verdiente er sich in der Spielerstadt mit seinem Vorgänger Liberace das Gnadenbrot. Stimmt nicht, werden die Fans sagen, aber wenn man vor Schminke triefenden Gruftpuppen auftreten muß, deren Höschen nur mehr aus Inkontinenz feucht werden, dann kann man ruhig auf Bühnenluft verzichten.
Ich glaube, Elvis hatte sein immer leerer werdendes Leben satt und gab sich innerlich auf. Manche Stimmen wollen nicht verstummen, die meinen, Elvis lebe noch und habe seinen Tod inszeniert, um diese pubertären alten Weiber nicht mehr umarmen zu müssen. Aber Elvis ist tot, daran geht kein Weg vorbei.

Elvis Aron Presley hätte viel bewegen können, aber er hat nichts bewegt. Viele werden sagen, das stimmt nicht, denn er hat die Welt der Populärkultur für immer verändert. Elvis wollte bloß aus seiner Armut heraus, egal wie. Da kam ihm sein fantastisches Aussehen und die Interpretationsweise seiner Musik zugute.
Wer weiß, was passiert wäre, wenn Elvis schwarz, 1,60 m groß und ein Hinkebein gehabt hätte. Wahrscheinlich hätte er mit demselben Talent keine einzige Platte verkauft, also hat er bloß von seinem schönen Gesicht gelebt.

Ruhe und Frieden seiner armen Seele !
                                                                Euer AL COOK

Übrigens ist der 16. August auch der Todestag von Robert Johnson. Wer hat den wohl gefeiert ?