Al Cook



Cotton Termine
Cotton Booking
Cotton Diskographie
Cotton Chronik
Cotton Autobiographie
Cotton Blueskitchen
Cotton Pressetext
Cotton
Impressum
Cotton Home

FAREWELL PETER

Al Cook Special – Eine Festschrift zu Peter Kerns Amerika-Reise.     © Al Cook  2003        

FAREWELL PETER

Am 12. April besuchte ich die „ZuGaBe“, um Peter Kern’s Farewell-Konzert mitzuerleben. Busy Tom hatte mich über die Pläne Peters unterrichtet und ich traute meinen Ohren nicht, als es hieß, daß amerikanische Financiers eine Million Dollar (!) in seine Karriere investieren, um ihn in Übersee bekannt zu machen und zum Star aufzubauen. Lawrence „Larry“ Cohn, sein amerikanischer Manager, Bluescapo bei Sony und Herausgeber legendärer Alben, war nach einem Wienbesuch bei Johnny Parth von Peter so angetan, daß er sofort eine CD für Document Records produzierte. Ich vergönnte dem guten Peter, daß er es schaffte, bei den Amerikanern einen derartigen Eindruck zu hinterlassen. Offensichtlich gelang es ihm leichter als mir, den Amis zu zeigen, was eine Harke ist, denn ich warte bis heute, einmal zu einem Festival in die USA eingeladen zu werden. Ich werde wohl nie hinter dieses Geheimnis kommen.
Was mir aber eines Tages den Boden unter den Füßen wegzog, war die Tatsache, daß man Peter Kern auf einer, für Starbucks-Coffeeshops produzierten CD, mitten unter historischen Aufnahmen neben Kaliber wie Son House oder Tommy Johnson dazwischenmischte. Vollkommen neben mir stehend setzte ich mich in meinem Studio auf die Klavierbank und stellte mir selbst eine ernstliche Vertrauensfrage. Am liebsten hätte ich mich mitsamt meinem Kram im Keller eingemauert. Wozu habe ich mir 40 Jahre den Hintern aufgerissen? War doch einer meiner Lebensträume, einst als erster nichtamerikanischer Weißer mit den Großen des Blues in einem Atemzug genannt zu werden, wenngleich ich es auch unpassend gefunden hätte, mit den Giganten des Country-Blues auf einen Tonträger gemischt zu werden. Nicht nur, daß Peter’s Nummer total aus dem Konzept schlug, es war auch eine modern klingende Aufnahme. Peter ist zum Beispiel ein unschlagbarer Meister des gepickten Memphis Blues. Warum man hier unverständlicherweise einen „Honker“ dazugehängt hat, ist mir bis heute unverständlich. Doch wer die Amerikaner kennt, weiß, daß sie kein Stilbewußtsein haben. Anfang der 70er wetterte ich gegen eine LP, auf der auf Ma Rainey gleich Johnny Winter als kalte Dusche mit einer B.B. King Vergewaltigung folgte. Bei den Yanks zählt gnadenlos der Dollar und wie viel man in möglichst geringer Zeit davon macht. Eben vor dieser Managementpolitik möchte ich den lieben Peter warnen. Ich hoffe, daß sie ihn nicht als europäischen Jonny Lang verwursten.



Leider kenne ich Peter zuwenig, um über ihn objektiv Verbindliches sagen zu können.
Meine Eindrücke reichen bis in die späten 80er zurück, als ich bei Kerns eingeladen war. Mama Christine ist eine zum Abküssen liebe Frau, die ihre beiden Kinder nach einer Scheidung allein durchbringen mußte. Peter hatte durch seinen Vater traumatische Erlebnisse zu verarbeiten und es ging der Familie ganz anders als rosig. Damals war seine Mutter noch mit dem Mojo-Bassisten Dani Gugolz liiert und so wuchs Peter bereits familiär mit dem Blues auf. Bald übernahm der noch jungenhafte Siggi Fassl die Stiefvaterschaft und so blieb der Blues ständiger Begleiter in Peters formativen Jahren. Christine Kern war ein Bluesfan durch und durch und ihren Umgang bildete durch Jahre hindurch die Bluesszene. Ich gestehe, selbst ein paar Herzklopfer für sie im Hinterkopf gehabt zu haben, aber ich mußte die Vernunft siegen lassen und so blieb alles wie es sein sollte. Peter gründete dann mit Oliver Hummer und Siggi Fassl die „Hooked on Blues“ Band, die sich bald auf Chicago-Blues der 50er und 60er spezialisierte. Inzwischen hatte Peter seine Vorbilder weit hinter sich gelassen und war drauf und dran, seinen eigenen Weg zu finden. Ich habe noch nie einen der einschlägigen Musiker so gut und innovativ Chicago Blues spielen gehört, wie Peter Kern. Instinktiv fühlte ich, daß er einer der wenigen Echten war, die die Bluesszene zu bieten hatte. Ein ehrlicher Kunstschaffender, der seine Persönlichkeit in packender Musik verarbeitet. Die perfekteste Parallelität mit mir zeigte sich in der Tatsache, daß er erst unter Bühnenscheinwerfern auftaute und zur vollen Form auflief. Privat war er eher sehr schüchtern und zurückhaltend, eher wie ich im selben Alter. Er saß mit Siggi oft und oft im Papas Tapas und sah mir zu, wie vor fast 30 Jahren der junge Eric Trauner. Manchmal kam Siggi am Ende eines Konzertes zu mir und meinte, ich hätte doch dem Peter ein paar Nummern mitspielen lassen sollen. Ich bin ja nicht ungefällig, aber 8,75 Dioptrien kurzsichtig und kann gerade noch die ersten Tische ausnehmen. Manchmal gibt es eben Leute, die mich für arrogant halten, weil ich Fans, die mich kennen, nicht grüße, oder offenbar nicht mehr kennen will. Liebe Freunde, das stimmt nicht. Ich bin bloß halbblind und sch…vergeßlich, eben ein alternder Mann, der Schiß vor Alzheimer hat.



Doch nun wieder zu Peter Kern.
Peter startete seine Karriere unter weit besseren Vorzeichen als ich. Als er 1973 geboren wurde, präsentierte ich gerade mein legendäres Slide Guitar Album in Wellpappe. Damals füllte ich mühelos Konzertsäle mit 1500 Zuschauern….und das nur mit einer geschenkten Lagerfeuerklampfe in die ich ein Mikrophon hineingelegt hatte. Ich bekam ganzseitige KURIER Artikel (Alle Wege führen zum Blues) und war gern gesehener Gast im damals noch progressiven Sender Ö3. Hinter mir lagen 10 Jahre Konzertieren vor Wirtshauspublikum und Discobanausen. Ich weiß nicht, ob das die applausverwöhnten Blues-Kids der heutigen Wiener Szene durchdrücken.
Peter Kern hatte die Protagonisten der zweiten und dritten Bluesgeneration als Lehrer und mich, wenn ich hie und da meinen Elfenbeinturm verließ, um im „Papas“ zu spielen. Das Publikum, das für diese Musik empfänglich war, wuchs bald zu einem nicht zu übersehenden Faktor in der heimischen Populärszene heran und Peter debütierte im Vergleich zu mir in einem gemachten Nest. Bereits sehr früh stellte sich heraus, daß er kein oberflächlicher Saisonklimperant war, sondern ein ernstzunehmender Könner, der sich selbstbewußt in die Bluesspur einreihte. Eines Abends hörte ich ihn zufällig mit der Akustikgitarre klassischen Country-Blues spielen und war sehr angetan, denn der Jüngling war etwas zum Zuhören. Er war gottseidank nicht einer von den sklavischen Imitatoren, die in der Verehrung ihrer Vorbilder erstarren, sondern integrierte seine eigene Persönlichkeit in die Stücke, die er vortrug.
Rasch stieg er zum hervorragendsten Nachwuchskünstler seit der Entdeckung des Blues durch die Medien auf und ich war der festen Überzeugung, daß Peter Kern einst meine Nachfolge antreten wird. Wie mir zu Beginn meiner Laufbahn der Alien-Effekt dienlich war, mischte in Peters Fall der „Süßbuberl“-Appeal kräftig mit, was ich in diesem Fall nicht negativ verstanden haben will. Um dieses Phänomen mal objektiv zu betrachten, kann man den Fall etwa so diagnostizieren……Peter Kern spricht durch sein im zeitgenössischen Sinne gutes Aussehen ein jugendliches Publikum an, das nicht unbedingt den Blues als non-plus-ultra der Musik betrachtet. Der Saal ist voll, weil der liebe Peter die Herzen der Puppi-Mädchen höher schlagen läßt, gleich was er da oben macht. Als er in der ZuGaBe Frank Stokes‘ „I Got Mine“ unter dem Jubel der Zuschauer spielte, wußte ich, daß keiner von denen je von einem Frank Stokes noch von der Charakteristik des Memphis-Blues auch nur die geringste Idee hatte. Ich wollte schon fragen, ob einer weiß was das ist, was der Peter da spielt. Da mir klar war, daß ich mitten unter einem Publikum stand, das nie von einem Al Cook gehört hat, unterließ ich es, womöglich ungut zu provozieren. Es genügte mir bereits, als ich vor Jahren einmal in einer Gaststätte konzertierte und von einem Küchenmädchen gefragt wurde, wer denn Bill Haley gewesen sei. Das zieht einem schon manchmal die Schuhe aus. Doch wenn man sich so umhört, hapert es bereits bei den 40jährigen mit der Geschichte. Seht Euch etwa Armin Assinger’s Millionenshow an. Da könnt Ihr Eure blauen Wunder erleben. Gab es da einmal jemanden, der mit dem guten Eric Clapton nichts anfangen konnte. (Frage: Wer war Mitglied bei Cream ? Kann das Publikum helfen?)



Peter Kern wirkt nicht nur durch den erwähnten „Süßbuberl-Appeal“, sondern sein Publikum hat in ihm etwas zum Identifizieren. Er tritt im hellroten Jogging-Anzug auf oder spielt im Schwitzleiberl oder T-Shirt, hat je nach Laune lange Haare, Fast-Glatze oder wuschelig-kurzes Lockenhaar und singt mit glockenheller, extrovertierter Tenorstimme, die eher nach Pop-Country denn nach Ancient Black Blues klingt. Das zieht bei der Jugend, das hat die richtige Frequenz. Es ist halt nur abzuwarten, was passiert, wenn er einmal, wie Erik Trauner langsam ins behäbigere Alter kommt und man ihn nicht mehr als Blues-Cutie verkaufen kann. Auch bei mir begannen die Probleme, als sich das Alltagspublikum und die Presse an meinem anachronistischen Alien-Effekt sattgesehen haben und bemerkten, daß das keine kalkulierte Kasperl-Masche, sondern echt war. Das interessante Paradoxon eines Elvis-Typen, der tiefsten Baumwoll-Blues vorträgt, ist den heutigen jungen Veranstaltern ein chinesisches Dorf, da gibt es nichts zum Anhalten, schlichtweg keinen Identifikationspunkt, bloß die Kunst in seiner puren Form. Das war mir seit jeher klar. Doch Peter hat ein As im Ärmel, das er immer öfter hervorholt. Hat man ihn eben noch Memphis-Blues spielen gehört, packt er die Stromgitarre aus und nach zwei oder drei Chicago-Blues Nummern geht’s ab in die Welt der Popmusik. Die Gitarre wird immer virtuoser, aber auch zusehends popiger. Plötzlich wird der Rhythmus funkig und Peter erfängt sich schließlich bei Jimi Hendrix, wie in der ZuGaBe praktiziert. Auch das hätte mühelos dem alten Jimi zur Ehre gereicht, denn was der Peter angreift, hat Qualität, aber wie so oft….was hat das mit Blues zu tun? Christine, seine Mutter kommt vorbei, begrüßt mich und meint, ihren Sohn bewundernd: „Na, ist er nicht gut??“ Keine Frage, aber läuft er nicht Gefahr, von den beinharten Amis schlußendlich in die Popkacke gestoßen zu werden, denn man will ja nicht nur die Investition hereinspielen, sondern auch noch an dem Jungen verdienen. Ich weiß nicht, ob er meine Härte hat, und das Blutsaugerpack zum Teufel schickt. Vielleicht hat man mich deshalb nie nach Amerika eingeladen, weil man mich nicht um alles Geld der Welt einseifen kann.



Peter Kern macht auf mich manchmal den Eindruck des „Ich-Will-Euch-Gefallen“ Bubis. Doch wie jeder, bin auch ich nur ein Mensch und kann irren. Vielleicht ist er wirklich noch ein Suchender, der noch nicht recht weiß was er will. Damit meine ich nicht die Musik die er spielt, sondern seine Motivation. Will er nun bloß unterhalten, Kohle machen, unter allen Umständen geliebt werden (am wahrscheinlichsten), es allen recht machen oder wie ich, eine Mission in eigener Sache erfüllen (am schwersten und daher am unwahrscheinlichsten). Will er sich verkaufen, oder sich verkaufen, wie ich das immer angestrebt habe, oder bloß Musik machen, weil sie ihm gefällt. Mir scheint eher, daß sich Peter über die Musik von seinen traumatischen Jugendproblemen freispielen will, so wie ich einst das Industrieproletariat durch mein Künstlerleben hinter mir gelassen habe.
Seine Befreiung von allerlei Suchtproblemen ist ein Faktor, der vorbildlich für die ganze Szene ist. Als ich von seinem Alko-Problem erfuhr, meinte meine Frau, die ihn übrigens auch sehr gern hat, ich solle doch als väterlicher Freund Einfluß nehmen und meine Flügel über ihn breiten. Das ließ ich aber lieber bleiben, denn das hätte mir wieder, wie so oft, das Stigma des besserwisserischen Klugscheißers eingebracht. Der Beweis ist die Tatsache, daß auf meine Flammenrede gegen die Drogenkultur bis heute keine Sau Stellung genommen hat. Er hat es auch ohne mein Zutun geschafft und das ist gut so.

Peter Kern wird es hoffentlich ohne nennenswerte Magenschmerzen schaffen diesem arroganten Ami-Volk zu zeigen, wo der Blues zu Hause ist und sich nicht zur Plastillinmasse kneten läßt, auch wenn es noch so viel Knete gibt. Vielleicht denkt er manchmal an mich und besinnt sich, daß der historische Blues auf keinen Fall aussterben darf. Geld und Ruhm sind nicht alles auf der Welt, denn es gibt nichts was Integrität und den ehrlichen Blick in den Spiegel ersetzen kann.

Also: FAREWELL PETER AND RETURN SAFELY.                                                         AL COOK



EPILOG
Von Peter Kern existieren, wie von den meisten von uns, zahlreiche private Mitschnitte die von mehr oder weniger professionellen Amateuren angefertigt, in den Privatarchiven schlummern. Interessant ist natürlich immer das, was nie veröffentlicht wurde und dazu gehören mysteriöse Sessions mit seiner Exfrau Katie. Als ich vor Jahren erfuhr, daß die beiden geheiratet hatten, gab ich dieser Ehe keine zwei Jahre und recht hatte ich. Offensichtlich ging die Verbindung an jugendlicher Unreife bankrott.
Während der Arbeiten zu meinem Country-Blues Album fragte ich Katie, ob sie nicht mit Peter bei mir aufnehmen möchte. Wie erwartet, lehnte sie strikt ab, aber ich hoffe im Hinterkopf, daß ich dieses Kunststück doch noch einmal fertigbringen und dieses Duo vor’s Mikro kriegen werde. Katie ist das ideale Pendant zu Peter, aber zwei Genies, die noch dazu geschiedene Eheleute sind, zusammenzuspannen, erfordert einen genialen Produzenten und ich weiß nicht ob ich diesem Erfordernis gerecht werde. Vor einiger Zeit bekam ich von Wolf Records den Auftrag, mit Katie noch ein paar Nummern aufzunehmen, die dann an älteres Material angefügt würden, doch Katie strampfte und lehnte rundweg ab. Es ist halt nicht immer leicht mit den jungen Heißspornen zu arbeiten, aber irgendwie werde ich es schon schaffen.
Vorigen Sommer sprach ich mit Peter und lud ihn ein, bei meiner zweiten Country-Blues CD als Gast mitzuwirken. Er nahm mit Freuden an, doch wenn er sich auf unbestimmte Zeit über den großen Teich macht, wird das ein illusorisches Unterfangen. Wer weiß, kann ich ihn mir dann noch leisten, aber ich nehme an, daß er aus idealistischen Motiven mitwirken wird. Man weiß ohnehin, daß ich ausschließlich der Kunst willen produziere und nicht aus materieller Gewinnsucht. Außerdem ist jedem klar, daß noch nie jemand mit Bluesplatten die Mörderkohle gemacht hat. Man ist eben durch Tonträger präsent und hat etwas zum Vorweisen, das ist alles.
Von Peter Kern und mir existiert ein rares gemeinsames Konzertvideo, das Charly Fuhrmann in Poldi’s Galerie-Cafe gedreht hat. Ich werde die Tonspur isolieren und für das Internet freigeben. Peter hat sicher nichts dagegen. Vielleicht macht er wieder bei einem Al Cook-Konzert unter dem Motto „Der jüngste und der älteste Bluesman“ mit. Bis dahin werden wieder neue Blues-Babies die Bühnen erklimmen und Peter Kern wird zum großen Guru avancieren. Al Cook ist offensichtlich schon heute ein Fall für die Anthropologie, aber wartet, bis ich meinen 60er feiere, dann geht noch einmal die Post ab…..vorausgesetzt mein Herz dreht mir keine lange Nase. Im Augenblick dreht sich das Rad wieder und ich arbeite bereits an neuen Projekten.
Hoffentlich kennt mich dann der Peter noch.                                                                                     A.C.