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DER BLUES – STIEFKIND DER MUSIKGESCHICHTE – Teil 2

Der Blues – Stiefkind der Musikgeschichte – Teil 2:

Heimat bist Du großer Blueser.


An meine Landsleute!

Im letzten Beitrag zum Problem Blues als westliche Kulturbasis komme ich diesmal zu einem heiklen Punkt, der nicht nur diskutiert, sondern auch ernsthaft zum Nachdenken über die Situation im eigenen Lande und unserer zugewiesenen (!) Stellung in der internationalen Musikwelt anregen soll.
Der Verlust unserer international anerkannten Identität als Musikschaffende Nation wurde bereits zu Ende des Ersten Weltkrieges mit den historischen Worten „Der Rest ist Österreich“ besiegelt. Das Ende des Zweiten Weltkrieges endete mit der totalen Entmannung heimischen Selbstbewusstseins. Patriotismus jeder Art hatte schwere Kritik seitens der Besatzungsmächte einzustecken. Gnädig ließ man uns noch den Kaiser Franz, die Sträuße und vor allem den Mozart und die Sachertorte. Nicht zu vergessen, die wie Schoßhündchen abgerichteten Sängerknaben und die Lipizzaner. Über allen thronte aber der göttliche Karajan, der dafür sorgte, dass unser Land das blieb, was man sich unter Österreich vorstellte: Ein Völkchen walzertanzender Almdudler, die am Sonntag nach Kirchgang und Sachertortenjause in frischlackierter Panier philharmonische Kultur konsumierte und den wohlfeilen Kunstgenuß mit einem Heurigenbesuch abrunden.
Amerika hatte die Rolle der Leitkultur übernommen und wir wurden Coca-Kolonisiert. Der verständliche Haß auf alles was deutsch klang war verständlich und ich war einer der Ersten, die nicht in abendländisch-europäischer Tradition aufgewaschen sind. Obwohl mich mein Vater mit Verdi und Puccini zu Tode quälte und ich sogar im Belvedere-Garten als 5jähriger die Arie des Bajazzo schmetterte, fühlte ich, daß das nicht das Wahre sein konnte. Eines Samstags im Jahre 1956 hörte ich im Radio die mitreißende Musik und ich notierte mir den Namen des Sängers auf einem Stück Zeitungspapier. Langsam schrieb ich CHUCK BERRY. Damit konnte Mario Lanza den Hut nehmen und sonstwo seine Arien schmettern. Es sollte aber noch fast 10 Jahre dauern, bis ich mich gänzlich an den Blues verschrieb. Vorher aber wollte ich noch Rock’n’Roll Sänger werden und in meinem pubertären Wahnsinn den verhaßten Beatles die Elvis-Stirn zeigen.



Zu dumm. Ich hatte die Musikfilmchen der 50er Jahre zu ernst genommen und bis ins reife Mannesalter nicht realisiert, daß man es als Österreicher international zu nichts bringen kann, weil einem das Vorurteil vom walzertanzenden Almdudler sich wie eine uneinnehmbare Hürde vor einem herschiebt. Die Wiener Blueslady Kathie Kern hat mir während der Aufnahmen zu meiner letzten CD gesagt, daß Chris Strachwitz, ein mir bekannter deutsch-amerikanischer Bluesproduzent bemerkt haben soll, daß wir Österreicher einfach alle nur jodeln sollten. Da vergeht einem Authentiker wie mir, selbst der Appetit auf mein geliebtes Schnitzel, denn der Unterhaltungsindustrie kreide ich es schwer an, was sie mit dem Kotzklassiker „The Sound of Music“ angerichtet hat.
Der deutschsprachige Raum und insbesondere Wien hat im Verhältnis zur Population die größte Dichte an bemerkenswerten Bluestalenten. Zwar geben einige bald auf, weil sich einfach aus den Dreigroschenlokalen nicht herauskommen, aber tagtäglich sprießen neue Blüten aus dem harten Pflaster, das ich einst Stein für Stein gelegt habe.
Mit der Rundfunkreform von 1967 wurde ein starker, progressiver Sender gegründet, nämlich der legendäre Ö3. Man spielte neben dem, was man damals als progressiv empfand, auch Blues und Folk-Music. Die Music-Box stellte interessante Künstler vor und gab Musikschaffenden jenseits des Mainstreams eine faire Chance, sich einem größerem Publikum zu präsentieren und sich so in das Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit einzuprägen. Natürlich waren Scharlatane und ausgeflippte Nichtskönner darunter, aber der ORF lebte, was man in diesem Zeiten der Roscic-Diktatur nicht mehr behaupten kann.
Mit der Einführung des Formatradios und der Ausgrenzung jedweder Musik zwischen Musikantenstadel und Michael Jackson, war es der Blues, der das erste Bauernopfer wurde. Hans Maitner´s „Living Blues“ oder Dietmar Brunnbauer´s Bluesmagazin, Günther Schifter´s „Schellacks“ und W.R. Langer´s „Vokal, Instrumental, International“ verschwanden über Nacht aus dem Breitbandprogramm des ORF. Wer wagte es, ernsthaft den gesetzlichen Kulturauftrag einzufordern? Ich war in den 70ern und danach oft Zaungast bei unzähligen Diskussionen, die bloß hilfloses Herumargumentieren einiger ausdrucksschwacher Idealisten gegen präpotente Präsenz einiger ORF-Granden aufzubieten hatten. Ich war damals noch nicht in der Lage meiner Meinung freien Ausdruck zu verleihen, aber heute würde ich den Jungspatzen von der TXO Zunft schon das Nötige vor den Latz knallen.
Daß der Blues als die essentielle Musikrichtung der westlichen Unterhaltungskultur so in Vergessenheit geraten ist, hat verschiedene Gründe, die man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen sollte.



Erstens hat kein österreichischer Sender den Mumm, sich gegen die totalitären Konzernstrategien angloamerikanischer Massenverblödung zu stellen, noch ist man bereit, etwas gegen das Allerweltsargument „Minderheitenprogramm“ zu unternehmen. Als ich 1964 meine ersten Bluesschreie auf das Publikum los ließ, glaubte man, ich sei verrückt. Jahrelang lebte ich auch von meinem Alien-Image. Doch diejenigen, die langsam begriffen, wurden immer mehr und 1970 war ich sogar ein Teil der Populärkultur und zahlreiche junge Leute machten es mir nach. Heute gibt es Legenden wie Erik Trauner und die Mojo Blues Band und sogar Künstler, die ins Populärfach übergewechselt sind, nennen mich als ihre erste Live-Erfahrung. Wenn sich auch die Lager ins Fans und Skeptiker teilen, ich war nie einer, neben den man teilnahmslos sein Bier trinken konnte. Entweder man war drauf, oder man machte den Abgang.
Mit der auch von mir befürworteten Privatisierung der Audiovisuellen Medien kam auch der Tod des Blues und sein Verschwinden aus dem Bewußtsein der breiten Masse auf schleichenden Sohlen. Wie die Diktatur braucht auch die Demokratie ihre Mehrheit, denn einen individualistischen denkenden Menschen, kann man nicht zum Zweck der Rentabilität gleichschalten. Während in totalitären Systemen die Indoktrination von oben kommt, schleicht sie sich in unserer angeblich so freien Gesellschaft wie Sickergas von hinten in unser Bewußtsein. Man schaltet die Medien gleich und behauptet, daß das der Geschmack des Publikums sei und wie GI Weis bemerkte, die Medien keine Spielwiese für Experimente sei.
Klar, wer soll sich denn für was anderes interessieren, wenn er von der Wiege bis zur Bahre mit billiger Wühlkistenkost behämmert wird und sich nicht die Mühe nimmt, nach etwas anderem zu suchen? Als meine Generation noch ausging, wollte man noch Musik hören und war sie noch so wild. Heute geht man in die Disco um seinen Frust mit ständig steigender Reizwäsche und letztendlichen Ecstasy-Orgien abzureagieren. Alles zielt nur mehr auf Gewinnmaximierung und schnelle Kohle ab und da muß jedwede Kultur an Ausgrenzung zugrunde gehen. Der Blues ist in den letzten Jahren zur Randerscheinung der Musikszene geworden. Die Auftrittsmöglichkeiten für ehrliche Künstler, die sich nicht an den Popkommerz verkaufen, sind rar geworden und die Bluesszene gleicht einer Löwengrube, die sich um das letzte Stück As schlägt.
Da bin ich nun beim zweiten Punkt.



Ein altes Cäsarensprichwort lautet: „Divide et Impera“, teile und herrsche! Weil sich die meisten Musikanten um des Überlebens willen für die Butter aufs Brot verkaufen, zwingen sie die Könner auf ein oft beleidigendes Preisniveau, was die Veranstalter zu Cäsaren macht, die sich in dessen Folge locker als Preisdrücker produzieren können, weil dem Künstler der Hut brennt, sprich die Regien über den Kopf wachsen.
Die weitere Folge dessen ist, daß einer am anderen kein gutes Haar läßt, um den Job zu bekommen. Ich aber will keinen „Job“, sondern meinen künstlerischen Auftrag erfüllen, wobei die Gage als Anerkenntnis zu betrachten ist. Den meisten Veranstaltern ist schnurzegal wer da klimpert, Hauptsache sie haben die Hütte voll und die Kasse stimmt. Einzusehen, aber Blueskünstler sind keine Sonntagsklimperanten, die vom Schülerball übrig geblieben sind.
Daher rufe ich die gesamte Bluesszene auf. Wir können der Öffentlichkeit nur als monolithischer Block entgegentreten. Nur dann kann ich ein entsprechendes Memorandum an Rundfunk, Fernsehen und die Printmedien verfassen. Ich werfe mich gerne mit dem Gewicht meiner fast 40jährigen Tätigkeit als Blueskünstler in die Waagschale, aber ich bin kein Gewerkschaftler und kein Vereinsmeier. Nur, es muß bald etwas getan werden, daß unser Land endlich eine internationale Bluespräsenz an den Tag legt.
Wenn in unseren Tagen der unbeschränkten genetischen Möglichkeiten einer auf die Idee kommt Lippizanerärschige Sängerknaben zu klonen, haben wir bald ausgebluest.

Euer AL COOK

Wichtige Information:

Am Freitag, den 22. Juni 2001 um 09.45 Uhr überträgt laut KURIER TV Beilage der Sender PRO7 den Film „Crossroads, der Pakt mit dem Teufel“. Wer es so wie ich, als harmlose Unterhaltung sieht, soll seinen Spaß haben. Historisch und Szenisch ist das ein Machwerk der Sonderklasse. Man lese nachher meine Folge „Cross Road Blues“ aus meiner Web-Serie. Gute Unterhaltung.