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TWENTY FIVE BLUES YEARS Teil A – Story

TWENTY  FIVE BLUES YEARS (1989)

Die Mühle DLP 850 861/DLP 850 862
Teil A: Backgroundstory

Liebe Al Cook Fans!


Wie versprochen, mache ich mich nun an das größte und aufwendigste Projekt meiner Laufbahn, denn es nahm nicht nur mich, sondern auch meine Frau und die Creme de la Creme der europäischen Bluesszene in Anspruch.
Die Verbindung zum obgenannten Label stellte wieder mein langjähriger Freund Peter Ratzenbeck her, der es offensichtlich immer wieder verstand, neugegründete Independents für seine Musik zu gewinnen. Ich arbeitete teilweise bei seiner damals laufenden Produktion mit und verbrachte als Gast somanch nettes Wochenende mit ihm und seiner Familie. Manchmal kamen auch die Boys von der „Bluespumpm“ vorbei und wir jammten ein wenig auf zwangloser Basis. Doch bald erkannte ich, daß die Waldviertler Partie eher der New-Age Mentalität zugetan war und oft allzusehr mit Mystik und unwissenschaftlichem Krimskrams zu tun hatten, was mir als aufgeklärten Menschen des 20. Jahrhunderts gar nicht schmeckte. Man bot mir sogar an, ins Waldviertel zu ziehen, aber meine Frau winkte ab, als sie ein Anmeldeformular für ein Workshopengagement zu lesen bekam, dem eine suspekte Allonge beigefügt war. „Haben Sie Interesse an Esoterik…..“ Da läuteten bei ihr sämtliche Alarmglöckchen, denn wer weiß, wo ich da wieder hineingeraten konnte. Außerdem gibt mir Esoterik soviel wie Fußball und Popmusik, nämlich einen Grund zum Kotzen. Damit war dieses Kapitel abgehakt.


Natürlich wollte ich Peter Ratzenbeck, meinen Gönner auch als Gast auf der Doppel-LP haben, doch der winkte beleidigt ab, weil ich mich zuvor in einem Rundfunkinterview an den 68ern und ihrer Drogenideologie ausgelassen habe. Zudem kritisierte ich nach einer Session an Peter’s Spiel herum, als er mir eine Robert Johnson-Nummer mit popigem Gefudel vedarb. Als ich ihm Stil- und Instinktlosigkeit für den Blues attestierte, meinte er gekränkt und zugleich trotzig, daß es heutzutage keine Stile mehr gäbe, sondern nur mehr einen riesigen Schmelztiegel der Kulturen. Okay, das sagte mir alles über die Mentalität der New-Age Jünger und seither weiß ich auch was die Ursache für dieses geschmackliche Durcheinander unserer Zeit ist. Auch dies ist ein Grund für meine oft schon geschmähte Selbstgerechtigkeit, die ich ija nur entwickelt habe, um in dieser wertentleerten Zeit fundierte Bezugspunkte zu setzen; nämlich die der dokumentierten Tatsachen…in Bezug auf Kunst und in meinem speziellen Fall ist es die Blueskultur.
Wenn ich mich während meiner Schreiberei oft in philosophische Betrachtungen verliere, ist das in der Tatsache begründet, daß ich dem Leser und im weiteren Sinne der Öffentlichkeit etwas von meiner Denkerfahrung mitgeben möchte. Ich bin kein Musikinstallateur, der sein Zeug herunterklimpert, seine Aufnahmen macht und dann nach der Kohle fragt. (Übrigens fragen die Musikinstallateure schon vorher nach der Kohle. Anm. des Verfassers). Jedes Projekt hat seine zitbedingte Aktualität und Berechtigung. Ich würde heute z.B. keine Platte wie „Memphis 1954“ mehr machen, da sich das Kapitel Rockabilly mit der Existenz der Salty Dogs erledigt hat, was aber nicht heißt, daß ich es nicht mehr kann.



Mit einer neuen Plattenfirma und deren begeisterten Produzenten im Rücken spuckte ich mir symbolisch in die Hände, schlief eine Nacht schlecht, weil mein Kopf aufgeregt und voller Ideen wie ein Herzmuskel pochte und dann hatte ich die Idee……! Jene Zeit fiel genau mit meiner 25-jährigen Tätigkeit auf den Brettern, die auch mir die Welt bedeuteten, zusammen und ich wagte ein Monsterprojekt, bei dem ich nicht wußte, ob es realisierbar war. Mein Traum war es, alle, auch die zu Ruhm und Ehre gekommenen Kollegen und Freunde auf einer Jamboree-Platte zu vereinigen. War ich doch derjenige, der es in legendären Jonathan-Seagull-Zeiten fertigbrachte, die unterschiedlichsten Musiker unter der Fahne des Blues auf eine Bühne zu bringen. Es gibt Fotos, wo Ulli Bäer, Karl Ratzer, Erik Trauner und ich mit Harry and Mike gemeinsam musizierten. Das gleiche waren Amateurvideos, die mich mit Oskar Klein, Joachim Palden und der damals noch bluesenden Etta Scollo zeigen. Ich spielte auf einem Milestones-Clip aus 1970 die Slide-Guitar und jammte in der Steinzeit des Austropop mit Vickerl Adam von der Halluzination-Company als er noch auf Mundharmonika und John Lee Hooker machte. Ich könnte die Reihe der Superstars mit denen ich in den späten 60ern und frühen 70ern Bekanntschaft machte, beliebig fortsetzen. Sie alle können sich noch heute sehr gut an mich erinnern, wenn auch nur an einen verbohrt-sturen Hammel, der nicht von seinen Bluesgrundsätzen abrückt, um ein bißchen Kohle zu machen. So stellte mir Martin Pyrker 1972 oder 73 ein jungen Hamburger Boogie Woogie Pianisten vor, der in der Wienerstadt mit sich nichts Rechtes anfangen konnte. Er war nett und zurückhaltend, spielte aber phantastisches Boogie-Piano und ich nahm ihn ins kürzlich erst eröffnete „Augustin“ im 15. Bezirk mit. Es war damals mein Stammlokal, wo ich oft und oft Sangesfeste feierte und die Bude rocken ließ. Nachdem sich der junge Mann ans Klavier gesetzt hatte, legte er los…….und niemand hörte ihm zu. Mich packte der Zorn ob dieser Banauserei, sprang auf einen leeren Stuhl und schmetterte ohne Mikro, nur mit dem Schalldruck meiner Lungen einen Klassiker ins Publikum…..“I got a girl and she lives up on a hill…“ Es war Big Joe Turner’s „Roll Em, Pete“. Das Piano rauchte unter den flinken Fingern dieses Teufelspianisten und endlich wachte diese verträumte Quatschbude auf. Diesen Abend hat er mir nie vergessen, auch als er Weltkarriere machte. Heute kennt man Axel Zwingenberger überall wo in der Welt ein Piano steht und ich freue mich für ihn, daß er es geschafft hat.


Der zweite internationale Musiker, der mir auf dieser Doppel-LP assistierte, war Hans Theessink, der Eurobluesman und flying Dutchman zwischen Memphis und Hernals, wo er seine frequentierten Shows in Neroth’s Etablissement, das sich heute „Metropol“ nennt, zu beliebten Events machte. Dank Milica Djokic, die bald zur Ehefrau avancierte und als guter Engel mit einer scheinbar unerschöpflichen Energie seine Karriere von Erfolg zu Erfolg steuert. Wenn ich sie auch wegen ihrer oft aggressionsgeladenen Auftritte liebevoll-sarkastisch die „Serbische Kobra“ nannte, wäre ich froh, solch eine fähige Managerin an meiner Seite zu wissen. Hans ist so ziemlich der liebenswerteste Künstler den ich kenne. Ohne Starallüren, nur seiner Musik verpflichtet ist er mir immer ein hilfreicher Freund gewesen.
Oskar Klein ist der einzige Künstler, der mir an Erfahrung und Jahren ein gutes Stück voraus war. Er war es, der zusammen mit dem legendären Fatty George der Nachkriegsgeneration zeigte, was Jazz ist. Auch Oskar ist ein weitgereister Kosmopolit, der seine Trompete bläst, bis er vom Stockerl (deutsch: Schemel) fällt. Ich traf Oskar anläßlich eines TV-Spots in einer Fatty George Show. Ich getraute mir damals nicht, Oskar Klein anzusprechen, da man mir gerüchteweise zugetragen hatte, daß mich weder er noch Fatty leiden konnten, weil ich eigentlich nur ein arroganter Nichtskönner war. Aber warum engagierte Fatty mich dann in seine Show? Da konnte doch etwas nicht stimmen. So war es auch. Meine Frau unterhielt sich während einer Aufnahmepause mit ihm und Fatty meinte, er wolle mich sehr gern kennenlernen. So war’s dann auch. In Wahrheit hatte er mich gern und bewunderte meine authentische Interpretation des Blues, aber ich glaube, daß er mich auch als Mensch sehr schätzte. Ich hatte so gar nichts von einem der üblichen Musikanten an mir. Meine Blauäugigkeit brachte mir auch manchmal Sympathien.



Eines Tages fiel im Jazzland die „Mojo Blues Band“ aus und Axel Melhardt, der Chef versuchte verzweifelt eine Jamsession für den Abend zu organisieren. Er rief alles was in Wien noch mit Blues zu tun hat an und zitierte uns in Wiens Renommierclub. Joachim Palden, den frisch ausgestiegenen Mojo Mitbegründer, seine Sängerin Etta Scollo, die gerade mit Joachim ihr Plattendebut absolviert hatte, Oskar Klein, die Jazzlegende und mich als zweiten Vokalprogrammpunkt. Als Showelement des Abend engagierte man den extatischen Leader des „Spontan Music Trios“, Martin Wichtl. Ein Boogiehammer, ein Jazzer, ein Avantgardist, eine Sängerin und ein archaischer Alabama-Ferdl an der Gitarre und dem Mikro…..kann soetwas gut gehen? Der Abend wurde zu einem rauschenden Erfolg, denn Oskar hatte alles in der Hand und da ihn jeder respektierte, gabs kein Jam-Chaos. Die Show war vom Konzept her gut aufgebaut. Keiner konnte sich in sich selbst verlieren, die Vielfalt war garantiert und das Publikum war zufrieden. Zwar kam ich hin und wieder mit Joachims Bluesauffassung nicht ganz zurecht, aber grundsätzlich hat alles seinen Zweck getan. Martin Wichtl hatte die Jazzlacher an seiner Seite und ich mußte Feingefühl entwickeln, um meine Penetranz im Zaum zu halten. Das Publikum gehörte nicht Al Cook, sondern Oskar Klein und bestand  vorwiegend aus Mojo-Fans und Jazzbürgertum. Ich regte wieder einmal ein bißchen auf und Oskar präsentierte mich wie einen Star, was ihn bei mir unsterblich machte. Auch Oskar lud ich zum All Star Jamboree ein. Als ich 1995 meinen 50er feierte, konnte ich ihn nicht erreichen und so fehlte Oskar Klein auf meiner CD „The White King Of Black Blues“, was ihn leider ein wenig kränkte. Aber 2004 bin ich 40 Jahre auf der Bühne und feiere, wenn Gott will, ein Jahr drauf meinen 60er. Da hoffe ich, daß er wieder dabei sein wird.


Auch die Mojo Blues Band hatte ihren Aufhänger. Erik Trauner, der geschichtsträchtige Altleader der erfolgreichsten Chicago-Blues Band Europas lernte die britische Schauspielerin und Sängerin Dana Gillespie in einem Lokal seines Heimatbezirkes kennen und nahm sie ins Jazzland zu einer Bluessession mit. Dana war zur Hälfte adelig-österreichischer Herkunft, denn ihr voller Name lautete Dana Richenda Antoinette De Winterstein und nannte sich der Einfachheit halber Gillespie. Das schlug ein wie ihr Gesang, den sie mit ihrem Schauspieltalent perfekt von der  Bühne ins Publikum strahlte. Sie konnte anfangs nur ein paar Brocken wienerisches Deutsch und vermengte sie mit ihrer Muttersprache zu ihrem unverwechselbaren „Germish“, das als Kunstwort aus German und English zu verstehen ist. Dana arbeitete mit einer Art penetranter Erotik, die noch durch ihr betäubend öliges Parfüm unterstrichen wurde. Als sie sich einmal wärmesuchend an mich kuschelte, brachte ich den Geruch tagelang nicht aus meinem Anzug. Mir war es das aber wert, denn ich hatte den Eindruck, daß sie menschliche Wärme suchte. Sie liebte mich und meine Frau auf ihre Weise, denn wir sahen in ihr nicht den schwülstigen Sexpot, sondern den Menschen. Daher ließ ich sie für die nach den Plattenaufnahmen stattfindende Show im Metropol auf meine Kosten einfliegen. Das hatte bisher noch keiner getan. Als ich sie am Flughafen Wien mit Blumen und Bonbonniere abholte, war sie aus Rührung den Tränen nahe. Im Autobus nach Wien kuschelte sie sich wie ein Kleinkind an mich und ihre Gesichtszüge entspannten sich. Obwohl sie nur vier Jahre jünger ist als ich, drückte ich sie wie meine Tochter an meine Brust und wir fuhren nach Wien.


Im Soundborn Studio wartete schon meine Band Harry und Mike und der kürzlich von mir entdeckte Pianist Charly Hloch, der von nun an Charlie Lloyd heißen sollte. Wir nahmen drei Nummern auf, wobei eine unveröffentlicht blieb. Auch Oskar Klein, der sich erst vor kurzem der Klarinette zuwandte, mußte auf die Trompete beschränkt bleiben. Erik Trauner ließ es sich nicht nehmen, mit mir und Christian Dozzler auf der Harp ein sehr persönliches Werk aufzunehmen, nämlich „Blues Buddies“. Es gibt davon eine gesprochene Version, die aber in den Händen von Hans Maitner ist. Martin Pyrker kam aus Wels angereist um mit mir „Have You Ever Been To Memphis“ aufzunehmen. Auch die Worried Men Skiffle Group, die Boogie Woogie Gang und Joachim Palden mit seiner Band ließen es sich nicht nehmen, auf dieser unwiederholbaren Platte mit dabei zu sein. Bloß Karl Ratzer, mit dem ich kurz zuvor Freundschaft geschlossen hatte, sprang ab. Er war leider einer von den Musikern, die erst einmal nach Kohle fragen, bevor sie ein Instrument zur Hand nehmen und forderte natürlich zuviel. Er entschuldigte sich bedauernd bei mir, daß er nicht mitmachen könne, aber die Plattenfirma will seinen finanziellen Forderungen nicht entsprechen. Das war’s dann. Vielleicht denkt man in Roma-Kreisen anders, aber mit den Schwarzen ist es ein noch ärgeres Gfrett (deutsch: ärgerlicher Umstand). Big Joe Williams weigerte sich zu spielen, wenn er nicht seine Whiskymarke auf der Bühne hatte und als totaler Analphabet bekam er einmal einen Anfall, weil er behauptete, sein Vertrag beinhalte neben der Gage noch die Zimmergesellschaft einer Frau. Als ihm sein Tourmanager erklärte, daß seine Gage die Huren gefressen haben, rammte ihm Big Joe ein Taschenmesser in den Handrücken. Bluesauthentiker aus der Schellackzeit waren selten so gemütliche Typen wie Roosevelt Sykes.


Mein Plattenprojekt wurde aber nach Beendigung der Aufnahmen von einem frustrierenden Erlebnis überschattet. Irgendwie bekamen wir ein Filmteam einer damaligen Jugendsendung namens Okay ins Studio, die uns während der Arbeit filmten und noch Interviews machten. Doch in der Zwischenzeit wechselte die Chefität und wir waren wieder auf der Ignorantenseife ausgerutscht. Ich wartete und wartete, bis der Beitrag endlich lief, erfuhr aber erst viel später, daß die Sequenz mit dem Argument, so etwas interessiere die Jugend nicht, abgesetzt wurde. Wenn man nicht dem Mainstream angehört, hat man es zweifellos schwerer, aber berechtigt ein derartig unqualifiziertes Argument, daß man in den Medien solch konsequente Sabotagepolitik betreibt?! Man kennt somanche Kunstbeiträge, in denen sich oft eine Stunde lang irgendwelche Schizotypen austoben und ihr Tun noch mit ausladendem Beweihräucherungskommentar unterlegt ist. Vielleicht sollte ich doch, wie immer scherzhaft bemerkt, nackt vom Stephansdom springen und dabei „Big Fat Mama“ singen. Man denke beispielsweise an Friedensreich Hundertwasser, der erst berühmt wurde, als er vor der damaligen Kultusministerin Fröhlich-Sandner die Hosen herunterließ. Von Hermann Nitsch und seinen unästhetischen Schweinsblutorgien gar nicht zu reden. Aber ich bin keine Skandalnudel und werde das auch nie sein. Bei mir zählt ausschließlich Können und Persönlichkeit.

Bevor ich mich dann wieder der Textbeschreibung und der Musik widme, möchte ich nächste Woche noch die Tour de Force nach der Veröffentlichung von „Twenty Five Blues Years“ beschreiben.
Also liebe Freunde, schickt mir wieder ein paar E-mails, damit ich hin und wieder erfahre, was Ihr zu meinen Stories zu sagen habt. Ich würde mir einen abfreuen, wenn Ihr mich in voller Zahl bei meinen Konzerten besuchen kommt.

                                 Bis nächste Woche                   Euer     AL COOK                                © Al Cook