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MEMPHIS 1954

MEMPHIS 1954 (1984)

EP 119420 Star Cat Records

Liebe Blues-Web Fans und treue Leser!


Memphis 1954 war der einzige Tonträger, der offiziell nicht im Handel erhältlich war. Der Besitzer unseres Stammlokals, das heute nicht mehr existente „„Jonathan Seagull“ hatte die Idee, seine Vorzeigeband „Al Cook with Harry and Mike“ auf einer seltenen Extended Play als Werbeträger für sein Lokal aufzunehmen.
Das „Jonathan Seagull“ war bis zu unserem Erscheinen ein verträumtes Tratschlokal in dem man sich traf und über Gott und die Welt diskutierte. Nach unserem spektakulären Debut im „Papas Tapas“ gab der damals noch lebende Hansi Dujmic dem Lokalbesitzer meine Nummer und ich sagte für einen Einstiegsauftritt am 1. Mai 1984 zu. Was danach folgte, ist bereits Geschichte. Innerhalb eines Monats traten wir vier oder fünfmal auf und verwandelten das Lokal in den wildesten Hexenkessel Wiens. Alles was Rang und Namen hatte saß an den ersten Tischen und tobte, bis Gläser splitterten und der weibliche Teil des Publikums kreischend von den Stühlen sprang. Ich ließ, bereits 40 geworden, die Rock’n’Roll-Sau heraus, daß jedem Jungstar der Mund offen stand. Mike Jerry, mein langjähriger Bassist schlug sich die Finger blutig und sprang beim Solo auf die Tischplatte. Schlagzeuger Harry Hudson drosch so wild auf die Snarekante, daß er drei Drumsticksets pro Abend verbrauchte. Es war bald Sommer und da das Lokal nur in Spielpausen Fenster und Türen öffnen konnte, glich das „Jonathan“ einer Sauna in der permanent aufgegossen wurde. Der Rauch war nur mehr mit dem Preßlufthammer zu durchdringen und ich ging nicht nur einmal wegen Sauerstoffmangel auf die Bretter.



Am 3.Juni 1984 nahmen wir im Wiener „Soundborn Studio“ vier Nummern auf, die aber so schnell gespielt waren, daß dann keiner dazu tanzen konnte. Wir wollten die EP noch rechtzeitig zum 30. Jahrestag von Elvis‘ erster Aufnahme herausbringen, also am 5. Juli. Es war meine erste Totalproduktion und ich hoffte, damit beim soeben ausgebrochenen Rockabilly Revival zu punkten. Ich entwarf das Label, Harry druckte die Covers sozusagen im Pfusch und der ganze Cook-Clan saß bei Mike im Garten und klebte fleißig die Covers zusammen. Es war alles eine einzige Tour de force, aber wir waren im Morgengrauen zum 5. Juli fertig. Meine Frau und ich auch noch mit den Nerven, weil ein Großteil schlecht geklebt war. Aber die Präsentation war ein rauschendes Fest und dauerte bis zum Umfallen. Ich war wieder Nr. 1 und bekam ganzseitige Artikel in den besten Zeitungen. Sie alle kamen, um den Berserker des Rock’n’Roll und seine Boys zu sehen. Die 7 harten Jahre waren flugs vergessen und steuerte einen neuen Kurs. Die Songs stammten samt und sonders aus meiner Feder und waren teilweise Neuadaptionen aus einer Sammlung von 30 Rockabilly-Nummern, die ich einst für Elvis schrieb, aber dann anstatt sie abzuschicken, den Kanalratten via Klospülung zukommen ließ.



Und doch war da wieder ein Wermutstropfen im Champagner. Ich versuchte bei den Plattenfirmen einen guten Vertriebsvertrag herauszuschinden, aber das Argument lautete wie immer: Nicht kommerziell genug, zu hart, zu schnell, zu irgendwas…..und Tschüs! Was kümmert’s mich, ich habe die Produktion nicht bezahlt und für einen Werbegag war die EP ein Hammer, denn diese Art von Platten wurde seit den frühen 60ern nicht mehr erzeugt und sie ist heute ein seltenes Sammlerstück.
Natürlich wurden wir bei Rock’n’Roll und Nostalgieveranstaltungen herumgereicht, aber der Generation, die die alten Rocker noch gekannt haben, waren wir zu wild und den Neobillies nicht popig genug. Manche hielten mich für einen Elvis-Imitator wie schon so oft und denen, die sich begeistert einen abtanzten, war es schnurzegal, daß ich wie Scotty Moore spielen konnte und Chuck Berry’s Gitarrespiel zur Perfektion weiterentwickelte. Was in den Liedern vorkam, schnallte sowieso niemand und so verkam ich zum totalen Showman, der mit 40 auf der Bühne herumtobte, Stühle zerschlug und Gitarren an die Wand krachte. Wenn ich bedenke, daß Elvis nur schief zu grinsen brauchte, mit einer Drehung seines linken Beines die Weiber in die Ohnmacht schickte und Scotty Moore und Bill Black die ganze Arbeit machen ließ, war ich eigentlich unterbezahlt und unterrepräsentiert. Wie Elvis mit 40 daherkam, ist mittlerweile jedem bekannt. Heute bin ich 56 und könnte mit links noch einmal dasselbe tun, aber ich will nicht mehr, denn der Blues ist seit jeher meine wahre Bestimmung gewesen.



Leider war das Rock’n’Roll Publikum von 1984 nicht dasselbe wie 1954 und ich entschied mich für immer zum Blues zurückzukehren, als mich ein glatzköpfiger Redneck mit Nebelfahne ansprach und mir vorschreiben wollte, daß ich nur weiße Musik zu spielen hätte und diese „Niggerscheiße“ gefälligst lassen solle. Seitdem steigt mir die Galle hoch, wenn von mir jemand eine Rock’n’Roll Nummer hören, oder mich als Elvis-Klon verheizen will. Aber ich stehe zu dieser Zeit, damals im seligen „Jonathan“ und die Erinnerung an meine viel zu spät gelebte Pubertät.

DIE SONGS
AL COOK with HARRY & MIKE
Harry Hudson, dr., Mike Jerry, bs.
Recorded: June 3, 1984

(1) MEMPHIS 1954 (2:36)

Der erste Cut beschreibt die Zeit in der jenseits der Mason-Dixon Line (Grenze zwischen Nord und Südstaaten) ein hüftschwingender Sänger einen phantastischen Job abzieht und wer damit gemeint war, weiß jedes Kind (oder auch nicht).
Ich eröffne die Nummer mit einer Phrase aus Les Paul’s Fassung von „How High The Moon“ und gehe dann in den Rhythmus von Mystery Train über.



Have you ever been to Memphis 1954,
       Hear some strange sounds comin‘ out your radio. (2)
Have you ever been down south of the Mason-Dixon line,
A hipshakin‘ singer does his job so fine.
Down in ole Memphis, at the Mason-Dixon line,
There’s a hipshakin singer, does his job so fine.
Well the bassman slaps his bass apart,
Man he went slap, bap, bam. (2)
You can hear that strange sounds comin, man it’s comin out.
Comin‘ out your rockin‘ radio.
Have you ever been to Memphis, 1954,
You can  hear that strange sounds comin‘ out your radio. (2)
Well, the drummer-boy from Shreveport,
        Man he went crash-boom-bang. (2)
Well, you can hear that bitin‘ sound, that goes the world around,
Bitin‘ sound of a rockin‘ guitar man.
Have you ever been to Memphis 1954,
Hear some strange sounds comin‘ out your radio.
Have you ever been to Memphis 1954,
You can hear that strange sounds comin‘….
Comin‘ out your radio.


Bei dieser Nummer, die einfach live eingespielt wurde, ich also frei von der Leber sang, muß ich mich für meine Sprunghaftigkeit zwischen Vergangenheit und Gegenwart entschuldigen, da ich im Hinterkopf manchmal die Vergangenheit zur Gegenwart machte.


ROCK AND ROLL WOMAN (2:14)
Diese Nummer war die erste, die ich für meine Frau schrieb. Wir saßen in der ersten Zeit oft stundenlang zusammen und schwärmten von unserer Jugendzeit als Rock’n’Roll Fans. Wie schon bemerkt, hatte sie eine Figur, die eine Jayne Mansfield in den Schatten stellte und ihr Gang war nicht minder aufregend.
Die versteckten Erotismen, die dann mit der Phrase „…I sure wanna dance with you“ entschärft wurden, erinnern an Elvis‘ „Let Me“ aus dem Film „Love Me Tender“, wo er dann die Spannung mit „Let me have a dance with you“ auflöst.


Now, tell me baby, what am I to do,
You got me goin‘ by the way you move.
If you’re ready to rock, do some rollin‘ too,
Hipshakin‘ baby, rock away my blues.
Dance, dance, dance…….
Dance that Rock and Roll.
Now, tell me baby, what am I to do,
You got me goin‘ by the way you move.
(Ch) Oh lawd, by the way you move,
        So be my Rock And Roll Woman,
        I sure wanna dance with you.

Es gab da noch mehr Strophen, aber ich mußte unter der 3min. Grenze bleiben. Bei allen Cuts dieser Platte habe ich zu hastig gesungen, weil mich meine Musiker durch ihr Hyperschallspiel vor sich her trieben.



(3) HOP BOP AND BALL (2:17)

„Hop Bop And Ball“ war der absolute Hit dieser Zeit. Ich stand sogar auf der Playlist von Ö3, man höre und staune und ich wurde damals zur Rock’n‘ Roll Ära unzählige Male interviewt.
Der Refrain machte genau soviel  Sinn wie „Flip, Flop And Fly“ oder ähnliche Nonsensphrasen, die aus der schwarzen Jivesprache entstammen. „To jive“ ist jemanden durch Nichtssagendes Zeug zum Narren zu halten. Also „See you Later, Alligator, Lawdy Miss Clawdy“ oder „Charlie Chan, ain’t got no plan“, all das war rhythmisch reimender Unsinn, der in den 40ern und frühen 50ern zum Alltagstalk schwarzer Hipsters gehörte.


Now tell me baby, what’s goin‘ on tonight.
There’s a hard rock band, that sounds so hot and tight.
Well, the bassman slaps his bass apart,
The drummer needs new sticks to start.
Ev’rybody’s crazy, crazy ‚bout Rock n Roll.
So come here baby and shine my rockin‘ shoes
Yes tonight I’m gonna rock away my blues.
Well, the bassman slaps his bass apart,
The drummer needs new sticks to start,
Eve’rybody’s crazy, crazy ‚bout Rock n Roll.
(Ch)Hop, Bop And Ball, shout it in the hall,
        Ev’rybody’s crazy, crazy ‚bout Rock n Roll.
So come here, baby and rock with me tonight,
Cause ev’rything be done will be allright.
Well, the bassman slaps his bass apart,
The drummer needs new sticks to start,
Ev‘rybody’s crazy, crazy ‚bout Rock n Roll.
(Chorus)
Now tell me,baby, what’s goin‘ on tonight.
There’s a hard rock band, that sounds so hot and tight.
Well, the bassman slaps his bass apart,
The drummer needs new sticks to start,
Ev’rybody’s crazy, crazy ‚bout Rock n Roll.
(Chorus)
That crazy, crazy, crazy Rock n Roll.



(4)  MISSISSIPPI MAN (2:17)

Dieser Song stammt aus dem Jahre 1967, als ich schon voll in den Gefilden des Blues wohnte, doch mein Gehirn glich einem Januskopf, der fallweise noch sein rockiges Gesicht zeigte. Wie schon bemerkt, gab es zwischen dem Blues und dem Rock’n’Roll eine musikethnologische Verbindung. Carl Perkins, der Countryman unter den Rockabillies verwendete bei seinem Hit „Matchbox“ deutlich Blind Lemon Jefferson’s Einstieg: „Sittin‘ here wond’rin‘, will a matchbox hold my clothes…“ und den Klassiker „Poor Boy, Long Ways From Home“. Warum die Bluesleute von Rock’n’Roll genausowenig hören wollten wie die Rocker vom Blues, war mir lange ein Rätsel. Nach meiner Erfahrung mit deren Mentalität war mir dann alles klar.
Ursprünglich komponierte ich „Mississippi Man“ in zügigem Halbschnelltempo mit double-slap Baß aber was ich auf „Hard Rock Blues“ zu langsam spielte, war nun eindeutig zu schnell. Meine Boys waren offensichtlich der Meinung, daß nur superschnelle Nummern beim Publikum ankämen und so gab ich nach und die letzte der vier Nummern jagte ebenso dahin wie die vorigen.
Der Text war eigentlich ein bluesiger, da hier von einem Vagabunden die Rede ist, der gerne billigen Whisky gluckernd in den Armen einer Frau vom Mississippi träumt und lieber tot wäre, als den Ol‘ Man River nicht mehr fließen zu sehen.
Doch diese Nummer gab Mike Jerry die Gelegenheit, ein heißes Baßsolo in die Rille zu hämmern. Deutlich hört man mich die legendären Worte- „Fuck that bass, man“ shouten, was man aber leicht mißverstehen konnte, wenn man den Beistrich wegließ.

Well, I’m a Mississippi man, woman can’t ya see. (2)
I use to drink bad whiskey and a woman rollin‘ me.
(2)   I’m a low-down easy rider, ain’t got no home and wife. (2)
I‘m a-lovin‘ and a-livin‘, man I lead my rowdy life.
When the Mississippi River, Lawd ain’t gonna roll no more.
Then I’d rather be dead, than quit what I’m livin‘ for.            (Ich singe „leave“ anstatt „quit“ )

Man hört, daß man aus fast jedem Blues eine Rock’n’Roll Nummer machen kann und umgekehrt. Ich besitze nur mehr ein Exemplar dieser EP, aber für mich hat sie einen gewissen dokumentarischen Seltenheitswert, der nur mehr von „Slide Guitar Foolin‘ übertroffen wird.



Auch diese Zeit ging zu Ende und ich machte wieder eine Kehrtwendung zum Blues. Die Folge war eine schwere Bandkrise, weil Harry und Mike den Rock’n’Roll Rummel zu gerne genossen haben, doch ich begann mich menschlich zu meinen Ungunsten zu verändern, was meiner Frau gar nicht gefiel.
Glücklicherweise kriegte ich mit meinen Boys, dank einer sich konsolidierenden Freundschaft, die Kurve. Ich brachte es fertig, die beiden für den Blues zu begeistern. Aber diese paar Jahre hatten Früchte getragen. Mitten im Publikum saßen junge Musiker, denen es nicht nur um bloßen Spaß ging, sondern sie wollten ernsthaft im SUN-Sound von Elvis erster Besetzung auftreten und wie man sieht, haben sie es zu einem Trio internationaler Qualität gebracht….The Salty Dogs und in deren Fahrwasser schwimmende Nachfolger.

1986 aber startete ich mit einem Riesenprojekt durch, das ich retrospektiv als den Höhepunkt meiner kompositorischen Möglichkeiten ansehe, aber darüber schreibe ich nächstes Mal.

Bis dahin, ein Dankeschön für Eure Lesertreue                                                                  Euer    AL COOK