Al Cook



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WIE MAN POSTHUME STARS MACHT

ROBERT JOHNSON

Wie man posthume Stars macht.

© Al Cook 2001

Nun geht es in meiner Betrachtung über den King des Delta Blues langsam dem Ende zu und ich möchte mich nun eher dem Drumherum um die Person Robert Johnsons widmen und aufzeigen, wie man auch einen Musiker, der absolut nicht zum Mainstream der Populärkultur zählt und noch dazu über 60 Jahre tot ist, posthum zum Star machen kann.

Jazz- und insbesondere Blues-Fans waren bis zu Anfang der 70er eher eine verschworene Gemeinschaft außenseitiger Spinner, die sich zum Musikgenuß noch zusätzlich berauschen mußten, um vollständig ins Jenseits der alten Meister abschwirren zu können. Dies mag vielleicht angesichts der damals extrem erscheinenden Musik seine Geltung gehabt zu haben, aber in meinem Falle stimmt das sicherlich nicht. Da ich seit meinen ersten Tagen als Musiker sowieso höchstens Freak-Appeal zu bieten hatte, schloß ich mich an den Kreis um Johnny Parth, den Gründer des heute weltbesten Blueslabels Document-Records an. 78er Platten wurden wie Reliquien gehört und gehütet aber im Großen und Ganzen blieb man unter sich.
Doch da gab es in England einen Kreis um den Bluesvater Alexis Korner, Gott hab‘ ihn selig, der sich in der Populärkultur der ausgehenden 60er einen Namen in aller Welt machte. Die britische Marktvormachtstellung ausnützend, stellten die embryonalen Stones und der Schülerkreis um John Mayall die ersten „Bluesgruppen“ auf die Beine. Bekannt wurde dieser Clan unter dem Begriff „British Blues Connection“. Eric Clapp, der nur –ton an seinen Namen hängte, gründete die Yardbirds, die aber eher eine Mischung aus Mersey-Beat und krampfiger B.B.King Imitation waren. Clapton war ein fanatischer Johnson-Fan und redete mit niemandem ein Wort, der den Delta-Blues Heroen nicht kannte. Auslöser war die schon früher erwähnte LP „King Of The Delta Blues“, doch Clapton machte meiner Meinung nach den Kardinalfehler, Robert’s Musik im Rockgewand der Post-Beatles Ära zu verkaufen. Mit seiner Band „Cream“, machte Clapton zweifelsfrei Musikgeschichte und ich habe selbst fast ein Jahr lang Cream und Jimi Hendrix gehört. Dabei muß ich sagen, so paradox es klingt, Jimi hatte mehr von einem Bluestypen als B.B.Kings aalglatter Las Vegas Kommerz. Aber das ist jetzt nicht das Thema.



Brian Jones, musikalischer Kopf der frühen Rolling Stones und Mädchenschwarm, führte den Gebrauch der Bottleneck-Gitarre ein, eine Aufgabe, die ich in unseren Landen zu erledigen hatte. Keith Richard, der nach Jones‘ mysteriösem Tod den Solistenpart übernahm, war von Robert Johnson’s Gitarrentechnik völlig von den Socken. Richard war überzeugt, daß Johnson einen ungenannten Begleitgitarristen dabei haben mußte. „Ooh, Robert Johnson, thats a long way to go!“ schwärmte Keith auf einem Video über Robert. Was mich betrifft, ich hatte die Technik Johnson’s in wenigen Tagen begriffen, da ich kein Plektrumgitarrist bin. Die Unabhängigkeit von Daumen und Zeigefinger schaffte in den 60ern noch niemand. Ich kann das auf Privatmitschnitten aus den Jahren ‘67 bis ’69 beweisen.
Wie es eben so ist, erlangte die britische Bluesgang über dröhnende Rockversionen amerikanischer Bluesklassiker Weltruhm. Plötzlich rochen geschäftstüchtige überseeische Sammler den trächtigen Bluesbraten und spannten die Popstars vor ihren Karren. Die Stones sind für mich „Satisfaction“ und nicht „Love In Vain“ und solange Eric Clapton bei „Sunshine Of Your Love“ oder „I Shot The Sheriff“ bleibt, ist das für mich okay. Ich will hier nicht die Worte Sonny Boy Williamson’s wiederholen, die er für die aufgezwungene Yardbird-Begleitung von 1962 hatte, sonst werde ich wirklich einmal gesteinigt. Aber die Medien hatten ihre populären Zugpferde und der Blues begann hip zu werden. Das erklärt auch, warum mein erstes Publikum gerade Hippies und Schmalspurprotestos waren. Die Verwendung der Bottleneck-Gitarre als Gaginstrument der Rockmusik kam schnell in Mode und da ich schon seit ewigen Zeiten diese Technik verwendete, war ich urplötzlich zum Zampano der Slide-Guitar avanciert. Das Renommierblatt „Jazzpodium“ erklärte mich in seiner Aprilausgabe 1974 zum weltbesten Slidegitarristen. Kaufen konnte ich mir bis heute nichts darum, das ist eben Nationalschicksal in unserem Land.
Da Robert Johnson nun zum Marktfaktor geworden war, wurde natürlich sein Leben in den schillerndsten Farben aufbereitet. Auf den diversesten Labels kamen Johnson’s Nummern in den unmöglichsten Zusammenstellungen vor und man brachte Bluesplatten mit den grausigsten Kraut-und-Rüben Konzepten heraus. Wen interessiert schon seriöse Jazzforschung?


Das Frappierende an der ganzen Sache ist, daß sich vor der sogenannten 2. Rockrevolution kein Schwein um den Blues gekümmert hat. In den 50ern, als die schwarze Welt auf Post-Bebop und Cool-Jazz abfuhr und Elvis mit weißgewaschenen Versionen schwarzer Rhythm and Blues Hits die Charts eroberte, wußte kaum einer wer Robert Johnson oder Son House war. Letzterer zog von Clarksdale nach Rochester im äußersten Norden und arbeitete als Gepäckträger, Big Bill Broonzy war froh, einen Job als Hausmeister zu finden und der Rest der Bluesleute starb weg wie ausrangierte Schachfiguren. Bis auf ein halbes Dutzend, das erst mit dem Folkblues-Boom der 60er hochgespült wurde, waren die Giganten des Country-Blues von der Bühne des Lebens verschwunden. Offensichtlich mußte irgendeine Modewelle her, um Interesse an authentischer Volksmusik zu produzieren. Man denke nur an die kubanische Welle, die durch einen Film von Wim Wenders und dem Engagement von Ry Cooder ausgelöst wurde. Die Musiker, die vielleicht ein halbes Jahrhundert nur um eine Tortilla und ein paar Tequilas gespielt hatten, waren auf einmal zu gefragten Weltstars geworden. Sie spielen nicht besser oder schlechter als zuvor und plötzlich ist jeder Ton Gold wert. Müssen denn immer Popstars und renommierte Filmemacher daherkommen, daß das Konsumvolk begreift, was vorgeht ?

Wenn Robert Johnson überlebt hätte, würde er heute mühelos Stadthallen füllen und zum Superstar sämtlicher Bluesfestivals avancieren, obwohl ihn ein Lonnie Johnson oder Blind Blake mit links in die Tasche steckt. Es ist der Mythos, der die Kassen füllt und nicht der Grad des Könnens. Mein ehemaliger Manager und Produzent sagte mir einmal, es wäre besser, wenn Mick Jagger mich loben würde und nicht Roosevelt Sykes, nun ja. Vielleicht dreht man einmal einen Film über das Blues-Alien aus dem 3. Wiener Bezirk und ich habe endlich die Chance in der Carnegie Hall aufzutreten. Aber mich als exotischen Paradiesvogel zu verkaufen, habe ich zuviel Ernst und Lebenszeit investiert.

Mit dem explodierenden Interesse an Robert Johnson wurden natürlich die Geschäftemacher auf den Plan gerufen. CBS und später SONY sicherten sich die Rechte an Roberts Songs und ein gewisser Stephen C. LaVere riß sich das Exklusivrecht an Johnsons berühmtem Coverfoto unter den Nagel. Sogar seine krakelige Unterschrift unter seine Heiratslizenz mit Caletta Craft unterliegt der Trademark-Regelung vom „Robert Johnson Estate“(!!). Das einzige Wertmaß in den USA ist der Dollar und wie man ihn am besten macht.


Wenn die Schwarzen sagen, daß ihnen die Weißen ihre Musik gestohlen haben und damit reich werden, trifft das sicher allererstens auf diese Geschäftemacher und in zweiter Linie auf Typen wie die Stones zu, die unter „Love in Vain“ frech Jagger-Richard gesetzt haben. Wir, die den Blues von der Deponie der Musikgeschichte holen um diese schöne Kunst nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, verdienen daran wahrlich nicht einmal das Schwarze unter dem Fingernagel, denn wenn die Herren von der Popzunft mit dem Blues nicht mehr genug verdienen, machen sie eben Reggae oder Mambo oder klappern mit dem Klodeckel.

Die Doppel CD „The Complete Robert Johnson“ hat binnen kurzer Zeit Gold gemacht. Ich lasse es dem Leser dieser Reihe über, sich ein Urteil zu bilden. Hat nun Robert Johnson die Öffentlichkeit durch seine Musik überzeugt, oder brauchte erst über 60 Jahre nach seinem Tod ein paar Popmusiker und Sensationsjounalisten, damit die Masse begreift, wer er ist.


Damit, meine Bluesfreunde und Fans von der kritischen Sorte ist meine Serie über den King Of  The Delta Blues zu ende und ich hoffe, daß Ihr etwas für Euer Musikverständnis profitiert habt.
Meine Absicht ist nicht, wild drauflos zu kritisieren und Popikonen zu prügeln, sondern aufzuklären. Ich habe das oft in etwas derb-humoristischer Weise getan, um mich nicht als Professor Klugschiß zu präsentieren. Ich habe die meisten Fakten auch nur aus der Fachliteratur, doch sie sind der breiten Masse unbekannt oder nicht zugänglich, weil man nur durch Insiderkontakte an seriöses Material herankommt.
Diejenigen, die aber der Desillusionierung ausweichen und weiterhin an Geister, Kobolde, Teufel und Schicksalskreuzungen glauben wollen, weil das Leben ohne Mystik so fad ist, sollen weiter daran glauben, wenn es sie glücklich macht.