Al Cook



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PROTOKOLL EINER WIEDERGEBURT

ROBERT JOHNSON – Protokoll einer Wiedergeburt.

© Al Cook 2001


Poor Bob, wie er sich im „Cross Road Blues bezeichnete, war noch nicht einmal kalt und die Jazzfans schärften schon die Krampen, um ihn wieder auszugraben. Wenn Robert Johnson keinen Frieden finden sollte, war es sicher nicht seine gottlose Vagabundenseele, die er dem Teufel verpfändet haben soll, sondern die seltsam anmutende Sensationsgier mythengläubiger Jazzjournalisten, die ihr Publikum zum Lesen ihrer meist unwissenschaftlichen Traktate vergattern wollten. Bis vor kurzem waren keinem Bluesfan fundierte Ergebnisse seriöser Jazzforschung zugänglich. Ich verschlang die verschiedenen Büchleins mit derselben Neugier, wie meine Genossen von der Altrock-Partie. Der große Unterschied aber war der, daß ich in der Seele tatsächlich in den 20ern und 30ern lebte. Meine gesamte Familie war im Alter der klassischen Bluessänger und implizierten mir das Lebensgefühl der Vorkriegszeit Tag für Tag. Ich bin mit dem 2. Weltkrieg mehr vertraut, wie mit Vietnam oder dem Golfkonflikt. Als man Elvis die Koteletten abrasierte und die Ära der swingenden Musik mit Ende der 50er zusammenbrach, fiel bei mir der Vorhang. Wie schon bemerkt, machte ich die gesellschaftlichen Entwicklungen der nachfolgenden revolutionären 60er nicht mehr mit und blieb daher mental davon unberührt. Für mich war es also ein Leichtes, die Welt des Blues mit den richtigen Augen zu sehen.
Die aufkommende Rockkultur (Nicht Rock’n’Roll! Anm. d. Verf.) wurde wohl durch Vertreter der heute 55 bis 65jährigen gegründet, aber sie war von einer Absage an die bisherige, evolutionäre Musikgeschichte getragen. Kann man z.B. manche Hits von Elvis, Carl Perkins, Chuck Berry oder Fats Domino bis zu den Tagen von Blind Lemon Jefferson und Konsorten verfolgen, ist das nach der Poprevolution nicht mehr so einfach auszumachen.



  Für mich ist daher mit dem Erscheinen der Britpopwelle Anfang der 60er ein kultureller Bruch passiert, der die Weichen der zeitgenössischen Musikkultur für immer gestellt hat. Da können auch die diversen Nostalgiewellen nichts ändern, denn das Ergebnis ist höchstens eine Art verkrampfter Retropop.

Nun stellt sich wieder die alte Frage, was das wohl mit Robert Johnson zu tun hat.
Wieder sage ich, eine ganze Menge. Denn diejenigen, denen der Sprung zur internationalen Karriere aufgrund ihrer anglo-amerikanischen Herkunft gelungen ist, haben seine Musik total mißverstanden und mit dem Lebensgefühl der 60er zu interpretieren versucht. Das sieht aus meiner Sicht aus, wie ein Film über die Drei Musketiere, denen man Laserpistolen anstatt scharf geschliffene Degen in die Hand drückt; mit dem Argument, daß das besser ankäme. Für die meisten Menschen ist Musik sowieso nur eine mehr oder weniger angenehme Kombination von Tönen, die eben gefallen oder nicht. Was sich der Künstler zu seinen Lebzeiten gedacht hat, interessiert sowieso keinen.
Und so kam es, daß die glühende Begeisterung für Robert Johnson in dröhnende Rockklassiker ausartete. Ich bin kein Ayatollah, der den Musikern verbietet, frei zu interpretieren, sondern nur dagegen, daß die Medien der großen Öffentlichkeit eine Ente als Schwan verkaufen wollen und auf diese Weise die falschen Propheten die große Kohle machen und noch ihren Namen daruntersetzen. Doch über die heutige Medienpolitik möchte ich mich ein andermal auseinandersetzen.

Zu Weihnachten 1938 veranstaltete der Jazzguru John Hammond sen. ein denkwürdiges Konzert in der New Yorker Carnegie Hall. Der Sponsor war eine linkslastige Zeitung namens „New Masses“, die sich auch der unterdrückten  Schwarzen annahm und das Kulturbürgertum von Manhattan  ging  „Neger schauen“. Neben weißen Swingern wie Benny Goodman traten viele schwarze Künstler auf, die man meines Erachtens nach der Präsentierbarkeit ausgesucht hatte.



 Man unterteilte fein säuberlich nach Sparten und setzte den Namen Robert Johnson unter Blues auf das Programm. Verzweifelt irrten die Späher durch die weißen Flecken auf der Karte im tiefen Mississippi-Delta um den armen Robert noch vor dem Zugriff des Teufels zu erwischen und mußten erkennen, daß ihn dieser bereits kassiert hatte. Son House, Willie Brown und Muddy Waters, der damals noch Mc.Kinley Morganfield hieß, hätten ohne Scham gleichwertigen Ersatz geboten, aber man holte sich gerade Big Bill Broonzy, den urbanisierten Bluebird-Helden, der für die Weißen den schreienden Country-Jogel spielen mußte. In Memoriam Robert Johnson spielte man einige seiner Platten und somit stand der Karriere Big Bill’s als Folkbluesikone neben Leadbelly nichts mehr im Wege. Dennoch schoß das Boogie-Woogie Dreigestirn Ammons-Lewis- (Pete) Johnson den Vogel ab. Wie heutzutage machten die tiefen Bluestypen auch damals nicht das große Geschäft, weil sie für ein zahlungskräftiges Publikum einfach unverdaulich waren. Stelle man sich einen Robert Johnson vor, der nach seinem Auftritt stockbesoffen die Frau Senator im Pailettenkleid über den Tisch biegen will oder Big Joe Williams und Rice Miller(Sonnyboy 2), die den Taschenfeitel schneller zur Hand hatten, als die Whiskeyflasche.
Mit Ausbruch des 2.Weltkrieges wurde es still um den Blues. Kein Hahn krähte nach der alten Baumwollpflücker-Musik. Die Giganten des Country-Blues und die klassischen Sängerinnen machten keinen Nickel mehr. Sie waren entweder tot oder lebten noch ein paar Jahre in bitterster Armut. Die Überlebenskünstler wie Roosevelt Sykes und die Bluebird-Partie Washboard Sam, Big Bill und ihr Dunstkreis paßten sich der Swingmode an und jumpten sich den Hintern weg, um noch auf den Rhythm and Blues-Expreß aufzuspringen. Als Muddy Waters 1943 den Magnolien den Rücken kehrte, sagte seine Schwester zu ihm: „Muddy, die Nigger im Norden wollen deinen Baumwollgesang nicht mehr hören, in Chicago gehen die Uhren anders.“ Und nach ein paar geschichtlichen Aufnahmen im Jahre 1947 war es dann vorbei. So könnte Robert mit E-Gitarre geklungen haben. Die Schwarzen hatten zumindest auf Tonträgern und in Chicagos Unterweltkneipen ihre Tradition endlich auf die Müllkippe der Musikgeschichte geworfen. Das traurige Ende schwarzer Kultur manifestiert sich in der Gestalt Michael Jackson’s, dessen Haut bereits weißer ist als meine Jazzkellerfarbe.



  Wären da nicht diese irren Weißen gewesen, die wie Goldgräber nach Schellacks suchten und das letzte bluesige Röcheln eines Son House auf CD gebannt hätten, um den Blues oder einen Robert Johnson hätte sich im wahrsten Sinne des Wortes „kein Neger mehr ge…“
Zufällig entdeckten aber einige schlaue Füchse, daß man mit den Boys aus der Mottenkiste des Blues Kohle machen konnte. Ein bißchen schwüle Südstaatenmystik und dunkles Unerforschtes und ab rollt der Rubel.
Die Echten aber  haben, wie die Ehrlichen das kleinste Stück vom großen Blueskuchen auf den Teller bekommen.

Ich hoffe, daß Euch meine Ausführungen noch in Spannung halten und ich fahre nächste Woche wieder mit neuen Betrachtungen fort.
P.S.: Sollte jemand mit dem Begriff „Bluebird“ nichts anfangen können, so sei erläutert, daß damit das Race-Label von RCA-Victor gemeint ist, das schwarze Unterhaltungsmusik für Schwarze produzierte. Die Hausband bestand aus Big Bill Broonzy oder Tampa Red auf der Gitarre, Washboard Sam bestritt den perkussiven Teil und Black Bob, Joshua Altheimer oder Big Maceo spielten Klavier. Manchmal war auch William „Jazz“ Gillum an der Mundharmonika und Ransom Knowling am Baß dabei. Man spielte leichte Kost zum Tanzen und kann es fast als Vorläuferphase zum Postwar-Blues betrachten. Fast alle machten auch Platten in eigener Sache und waren auch gute Sänger. Mit der Öffnung der Rassebarrieren nach der ersten Rock‘ n’Roll Revolution verschwanden die reinen Race-Labels und heute ist es ganz normal, daß sich Schwarze auch am weißen Markt gut verkaufen.