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IN MEMORIAM OSCAR KLEIN

In Memoriam OSCAR KLEIN Eine große Jazzlegende ist heimgegangen. ©by Al Cook 2006

Liebe Leser und Jazzfans !

Vor einigen Tagen rief mich meine Frau aus der Rehab-Klinik Laßnitzhöhe an, wo sie derzeit einen Kuraufenthalt absolviert und sagte….“Stell dir vor, Oscar Klein ist überraschend verstorben…“
Ich hielt inne und dachte mit Wehmut an diesen liebenswürdigen, auch öfter mal grantelnden Querkopf, der, seit es Jazz in Österreich gibt, ein Fixstern in der Europäischen Musikgeschichte war.

OSCAR KLEIN

Eine persönliche Impression ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Wie man weiß, ist Oscar Klein 1930 in Graz geboren. Als Sproß einer jüdischen Familie wurde er bald von den Nazis aus seiner Heimat vertrieben und mußte emigrieren. Man kann sagen, daß er dabei noch Glück im Unglück gehabt hat, denn unzählige Künstler der verschiedensten Richtungen überlebten diese Zeit nicht.

Oscar wurde durch seine Situation schnell zum Kosmopoliten und Weltbürger, der anscheinend überall und nirgends zu Hause war.
Nach Kriegsende spielte der Multiinstrumentalist bei verschiedenen namhaften Jazzbands, die sich aber allesamt dem klassischen Teil des Spektrums verbunden fühlten.


Berühmtheit erlangte Oscar aber als Trompetenstar bei den oft wechselnden Besetzungen von Fatty Georges unvergessenen Formationen. Oscar Klein war stets der Star-On-Display, also das Feature, wie man so neudeutsch halt sagt.
Ich kenne Oscar nicht so genau, daß ich über ihn einen Fachartikel schreiben kann, dazu reicht mein Wissen und meine Information bei weitem nicht aus. Ich kann also nur ein paar Impressionen zum Besten geben, die ich aus meiner Zeit als temporäres Mitglied einer Jam-Formation mit Joachim Paldens Trio gesammelt habe.

Meine erste Begegnung mit Oscar war ein Gastauftritt bei einer Fatty George TV Show, den ich offensichtlich seiner Fürsprache zu verdanken hatte. Oscar bekam irgendwie meine LP „Slide Guitar Foolin“ zu hören und dachte, ich sei ein Schwarzer, der nach der Besatzungszeit in Österreich geblieben ist. Er staunte nicht schlecht, als da ein Wiener mit Elvis-Locke daherkam und die Baumwolle im TV Studio sprießen ließ.
Doch kann mich sehr gut daran erinnern, daß ich damals in Unkenntnis der Sachlage den berühmten Schlagzeuger Charly Antolini vom Set verjagte, weil er ungefragt hinter mir mitzuspielen versuchte. Natürlich wußte ich nicht, wer das war und winkte Fatty zu mir….“Geh, sag dem da hinten, er soll mit seiner Klopferei aufhören…“ Charly ging wortlos von dannen und ich drehte meinen Teil ab. Grußlos verließ ich das Studio und dankte Oscar nicht einmal für seine Intervention.
Gott, habe ich mich nachher geschämt, als ich erfuhr, wer diese Musiker waren. Damals war das Fettnäpfchen mein Zuhause, weil ich in meiner Egozentrik und Weltferne nicht über meine Nasenspitze hinaussah. Erst 1993, anläßlich einer Jazzkreuzfahrt entschuldigte ich mich kniefälligst bei Charly Antolini, daß ich ihn so verkannt hatte. Er konnte sich gar nicht mehr so genau erinnern, lachte amüsiert und die Sache war gegessen.



Erst Jahre nach meinem TV Debut bei Fatty hatte ich wieder mit Oscar zu tun. Diesmal war es eine Verlegensheitslösung von Axel Melhardt, eine Jamsession mit einigen Musikern auf die Beine zu stellen. Die Mojo Blues Band fiel an diesem Abend aus und Axel telefonierte verzweifelt herum, um mit einer rasch zusammengestellten Band noch zu retten, was zu retten ist.
Ich hatte Zeit und ein paar Schillinge dazu schadeten auch nicht, also sagte ich zu.
Joachim Palden kam mit seiner, damals noch dazugehörigen Sängerin Etta Scollo, dem Schlagzeuger Helmut Mejda und dem Starsaxophonisten Martin Wichtl. Ich war die Gitarre und das Bluesfeature. Dann konnte es ja losgehen…..
Joachim griff kraftvoll in die Tasten, Etta sang aus voller Kehle, Martins Sax röhrte sich einen ab und Helmut lieferte den optimalen Beat. Oscar machte den MC und den publikumswirksamen Schmähführer und ließ die Trompete in voller Spielfreude vibrieren. Ich kam fallweise dazu und leistete meinen Beitrag, so gut es ging für eine Musik, die ich nicht so gewohnt war. Boogie und Jazzstandards wechselten in rascher Reihenfolge ab und das Publikum war begeistert.
Doch nach der Pause kam die Ehre….Oscar setzte sich mit mir vors Mikro und bat mich, zu spielen und zu singen und er solierte auf Trompete, Klarinette und Mundharmonika. Schließlich nahm er seine Gitarre zur Hand und begleitete mich bei einigen meiner Robert Johnson Interpretationen…..
Oscars Spiel auf den Blasinstrumenten war einfach klassisch. Doch auf der Gitarre spielte er, sicher gut gemeint, etwas zu moderne Chicago Riffs in meinen strikt stilgetreuen Country-Blues. Er blickte mich dabei stets bewundernd an, weil ich so klang, wie eine Platte aus der Vorkriegszeit, aber der legendäre Oscar Klein wußte zumindest auf der Gitarre nicht, was er dazuspielen sollte.
Aber ich sah seine Spielfreude und schwieg in respektvoller Höflichkeit.



Die Formation kam jedoch so gut an, daß man uns für kleine Touren durch Österreich buchte.
Etta Scollo verließ Joachims Boogieprojekt, weil sie offensichtlich eine Popkarriere anstrebte….Man beachte zu diesem Thema auch den Fall Sandra Pires, die bei Hooked on Blues begann und dem Pianisten Oliver Humer aus Karrieregeilheit das Herz brach.
Martin Wichtl wurde durch Christian Plattner ersetzt und so blieben nur mehr Joachim Palden am Piano und ich als Gitarrist mit Stimme bei Oscars Blues und Boogie Band.
Auch diese Formation hatte trotz Erfolgskurs eine begrenzte Lebensdauer. Joachim hatte noch andere Ziele und ich fand, daß meine Mission als Bluesman im Zuge bloßer Unterhaltung zu kurz kam. Oscar war ein Traditioaljazzer, dem natürlich der Dixieland abging und er eben im Chicago- und Kansas City Stil der 30er und 40er verwurzelt war. In stiller Akzeptanz ging man eben seiner Wege und meine Nachfolge trat die 1973 geborene Blueslady und Teufelsgitarristin Katie Kern an. Ich habe diese Formation nie gehört, kann also dazu nichts sagen.

Oscar war ein wirklich liebenswürdiger Mensch, aber um der Wahrheit genüge zu tun, er hatte Seiten, die man halt seines Alters und seiner Stellung in der Jazzszene wegen manchmal leise zähneknirschend tolerierte.
Stand er einmal auf der Bühne, dann lief „der Schmäh“, eben Oscars Schmäh. Seine Conference war gespickt mit beißendem Zynismus gegen ORF und Kulturpolitik. Innerlich gab ich ihm ja Recht, aber das Publikum wollte ihn lieber spielen hören. Klassische Musik und moderner Jazz waren für ihn ein Greuel. Was er von den zeitgenössischen Formen schwarzer Musik hielt, will ich im Originalton nicht unbedingt wiedergeben. Zuweilen schwieg das Publikum und ließ seine Tiraden über sich ergehen, offensichtlich seiner Verdienste, jedoch aber mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, seiner jüdischen Herkunft wegen. Ephraim Kishon gabs den Surrealisten und Aktionskünstlern einmal per TV. Sogar Picasso kam nicht gut davon. Das kann sich nur einer leisten, vor dem alle Angst haben müssen, straffällig zu werden, wenn man zurückschießt.
Man verstehe mich bei Gott nicht falsch, aber einzig als Exponent der Auschwitzgeneration kann man es sich heute leisten, Kritik an der etablierten Kunstprominenz zu üben. Unsereins wird da kompromißlos zum Kulturfaschisten stigmatisiert.



„Klassische Musik ist nichts anderes, als tote Musik, die von Halbtoten gespielt wird“.
Das war ein Statement gegen die berufsbeamtete Philharmonie und den arroganten Karajans, die sich gebärdeten, als hätten sie die Klassik geboren.
Oscar Klein rabaukte dann gegen die Subventionspolitik los und beschwerte sich dann schlußendlich mit den Worten….“Sehts, ich bin a Jud und nicht amal in Israel ha’ms mich spielen lassen“.
Vielleicht war das sein ewig unerfüllter Traum, einmal im gelobten Land zu konzertieren. Ich kann ihm das alles sehr gut nachfühlen. Mich hat man auch noch nicht zum Delta Blues Festival eingeladen. Ich bin nur 15 Jahre jünger als Oscar, aber zumindest sein Musikertraum ist nun auch theoretisch nicht mehr erfüllbar. Gott sei seiner Seele gnädig.

Als ich 1989 mein silbernes Bühnenjubiläum feierte, war er der Erste, der mir für meine All Star Jamboree zusagte. Da er fühlte, daß ich vielen seiner Granteleien im Stillen beipflichtete, hatte er mich gern. Doch manchmal schoß er auch in meinem Fachgebiet übers Ziel.
Seine Auffassung von Blues war natürlich eher Dixieorientiert oder manifestierte sich noch bei Duke Ellingtons „C-Jam Blues“, aber wenn er den großen Blind Lemon Jefferson mit den Worten, „das ist doch ka Blues“ aus der Geschichte auswaggonierte, kam auch mir die Magensäure hoch.
Für Oscar war der Blues ein strikter Zwölftakter mit entsprechender Struktur. Natürlich kannte er die archaischen „Timebreaker“ und Chaosgitarristen wie Arthur Big Boy Crudup oder Robert Pete Williams. Aber, daß ich der Einzige war, der diese Freeblues-music aus dem Ärmel spielen konnte, begriff er bis zuletzt nicht ganz. Ich war für ihn ein ewig unbegreifbares Unikum.



Eines Abends präsentierte sich Oscar mit einer Telecaster, die er anscheinend im Jazzland äußerln führte und ich kam stolzer Brust geschwellt, mit meiner neu erstandenen Gibson L-5 angetanzt……
„Cooksie, was hast denn so a altmodische Gitar‘ dabei….du mußt doch in deinem Alter noch jung und dynamisch wirken.“ „Oscar, du mußt doch noch die klassischen Zeiten erlebt haben…“ verteidigte ich mich, während es mir das Herz zusammenkrampfte. Köpfeschüttelnd gingen wir dann auf die Tages- bzw. Abendordnung über. Oscar richtete sich seine Kapitänsmütze zurecht und der Abend war wieder einmal ein Erfolg.

Oscars Kompromißlosigkeit war mir immer Vorbild, wenns ums Vertreten einer Meinung ging, aber an anderen Ecken machte er wieder Zugeständnisse, wie eben mit seiner berühmten Mütze und der Telecaster. Vielleicht glaubte er, damit beim jungen Publikum zu punkten, oder sich mit Unterhaltungswert zu verkaufen, ich bin nie dahintergekommen.
In der Tat machte er Jeunesse-Touren durch das ganze Land und brachte den teilweise ungläubig staunenden Kids die Rudimente des Jazz bei. Dazwischen referierte er wieder endlos über die soziale Situation der Afro-Amerikaner, was den Kleinen offensichtlich so viel sagte, wie mir Rapid gegen Austria. Die der Erwartung heischenden Kinderaugen schienen aber eines auszudrücken… „Bitte Oscar, spiel doch endlich was!“
Nun, so unerwartet war sein Tod für mich nicht.
Bereits vor vielen Jahren lag er mit Magenperforation im Krankenhaus. Ich kannte Oscar zu wenig, um mir über seine gesundheitliche Situation ein Urteil zu bilden, aber ich glaube, daß er auch zuweilen sehr schnell gelebt hat und alkoholischen Genüssen nicht abgeneigt war.



Wenn Oscar nicht auftreten konnte, war er es nicht. Der alte Weltbürger war stets auf Tour und spielte immer, was das Zeug hielt. Die Gitarristin Katie Kern hat die letzten Jahre mit ihm gearbeitet und die müßte wissen, ob er Anzeichen eines nahenden Ablebens erkennen ließ. Ich war ihm entweder zu altbacken oder er wollte Jugend um sich haben. Ich glaube eher das Letztere war zutreffend, denn die Frau an seiner Seite, die ich noch kannte, war um Eckhäuser jünger als er, die hätte sogar mir gefallen, doch wie er das schaffte, sich ständig bei der jüngeren Damenwelt beliebt zu machen, war mir immer ein Buch mit sieben Siegeln. Sah er doch vor 15 Jahren nicht sonderlich jünger aus. Diese 15 Jahre, die er mir voraushatte.

Oscars Ableben ist zweifellos nach Fattys Tod der eklatanteste Verlust einer klassischen Legende, die noch die frühen Tage des Jazzaufbruchs nach dem Krieg entscheidend mitgestaltet hat.
Man kann über ihn denken was man will….und ich glaube, daß die, die ihn kritisierten, mit der zwangsläufig einsetzenden Laudatio wie die Wölfe mitheulen werden, denn bekanntlich endet mit dem Tod alle Unzulänglichkeit, was sich auch im Fall Oscar Klein nicht ändern wird.
Ich mochte ihn sehr gern, denn er blieb Zeit seines Lebens das, was er immer war, eine gewisse Art von Entertainer, der den Jazz gut verkaufen konnte und auch dem Pepi Durchschnittskonsumenten in Sachen Musik ein Begriff war. So gesehen hat er etwas geleistet und erreicht, was nur sehr wenigen Menschen beschieden ist…..einer eher unkommerziellen Musik den Nimbus der Popularität zu verleihen.

Besinnen wir uns seiner und danken ihm für alles, was durch ihn für die Verbreitung und Popularisierung der Jazzmusik  geleistet wurde.

Lieber Oscar, Du wirst uns allen unvergeßlich bleiben, denn wie es so schön heißt…
TOT IST NUR, WER VERGESSEN WIRD.
In diesem Sinne, ruhe nicht in Frieden, sondern laß Deine Trompete im Himmel erschallen.

Im Namen aller, die Dich gekannt haben, und derjenigen, die Deine Fans geworden sind.