Al Cook



Cotton Termine
Cotton Booking
Cotton Diskographie
Cotton Chronik
Cotton Autobiographie
Cotton Blueskitchen
Cotton Pressetext
Cotton
Impressum
Cotton Home

ELVIS UND DER BLUES

 

AL COOK SPECIAL © by Al Cook 2001

Aus Anlaß zum 67. Geburtstag von Elvis Presley am 8. Januar 2002 beehre ich mich, mir einen langgehegten Wunsch zu erfüllen und allen Fans der Vienna Blues Connection ein Special über den King Of Rock’n’Roll aus der Sicht des Blues zu widmen. Als langjähriger Fan, wenn auch von der kritischen Sorte, will ich in diesem Kapitel die Afro-Amerikanischen Wurzeln der frühen Rock’n’Roll Kultur und im speziellen ihrer unsterblichen Leitfigur unter die Lupe nehmen. Dieser Artikel ist aber nichts für fanatisierte Elvis-Anbeter, die dreimal am Tag den Gebetsteppich beknien und sich gen Memphis wenden.


ELVIS UND DER BLUES

Als Elvis am 8. Januar 1935 in einer Shotgun-Hütte in East Tupelo, Mississippi geboren wurde, hatte Robert Johnson noch seine legendären Aufnahmen vor sich. Charley Patton, der Urvater des Delta-Blues war ein Jahr zuvor an seinem lebenslangen Herzklappenleiden, verbunden mit Alkoholismus zugrunde gegangen. In der Blueswelt des Mississippi war ein Generationswechsel überfällig und langsam übernahmen die Jug-and Washboard Bands das Kommando. Die neuen Stars waren Kokomo Arnold auf der Slide-Gitarre, Leroy Carr tanzte mit seinen Hits hart am Rande der Kommerzialität, Memphis Minnie zeigte den Blues-Daddies wo’s lang ging und Roosevelt Sykes war der ungekrönte König des Country-Blues Pianos.
Doch es gab auch auf der weißen Seite Künstler, die ihren schwarzen Counterparts um nichts nachstanden. Der Sänger und Gitarrist Larry Hensley nahm 1934 eine fantastische Version von Blind Lemon Jefferson’s Matchbox Blues auf. Zwar erkennt man am Gesang, daß Hensley von der Country-Music herkam, aber die Gitarre hätte ein Blind Lemon nicht besser spielen können.
In diese Welt wurde Elvis hineingeboren. Meine Generation kannte Elvis nur von seinen Platten, deren Doppeldeutigkeiten wir noch weniger verstanden, als seinen Gesang. Wenn man nachdenkt, muß man dem Jazzgitarristen Eddie Condon recht geben, der da sagte: „Elvis ist nichts als Rhythmus und Theater“. Das Theater, das um Elvis gemacht wurde, war tatsächlich die einzige Information, die wir zu Gesicht bekamen und diese Quelle bestand entweder nur aus Schundheften a la Bravo, oder aus Haßtiraden der bürgerlichen Presse. Vor allem aber wurde verschwiegen, wenn nicht sogar tabuisiert, daß Elvis seinen Trieb zum Musizieren von seinen nie genannten schwarzen Kumpels hatte, denn Elvis gehörte zu der Kaste der „Po‘ Buckra“ oder des „White Trash“, der bleichgesichtigen Version des „Niggers“.



Das arme Musikantenvolk war auf einer derartig tiefen sozialen Ebene, daß sich Schwarz und Weiß zwangsläufig treffen mußte um sich in der Soundkiste des Südens gegenseitig zu befruchten. Carl Perkins, Rockabilly-Ikone und kurzzeitig ernsthafter Konkurrent für Elvis, war so arm, daß er den Text zu seinem Millionenhit „Blue Suede Shoes“ auf eine Serviette oder Speisekarte schreiben mußte, nachdem er einen Cowboy die legendären Worte sagen hörte: „Do anything, but don’cha step on mah blue suede shoes“. Seine Tanzpartnerin muß ihm also des öfteren auf die teuren Sonntagsschuhe gehopst sein. Ich weiß nur, wie stolz ich auf meine ersten Wildlederstiefeletten war, aber so war es in den Fifties und den frühen 60ern.

Es wird oft kolportiert, daß Elvis in der Kirche singen gelernt hätte, aber das war damals eine Stereotype. Von dort konnte sein berühmtes Hüftgewackel nicht herrühren, denn nach heutiger Betrachtung war das nur eine Schlingerbewegung des linken Fußes, die eine anatomisch bedingte Kreisbewegung des Beckens zur Folge hatte. Nein, Elvis fand die schwarze Musik genauso erregend und interessant, wie der Großteil der westlichen Jugend. Durch die rigorose Segregationspolitik im Süden und der snobistischen Distanz der Nordstaaten gegenüber allem was aus dem Reich unterhalb der Mason-Dixon Line kam, (Inoffizielle Demarkationslinie gegen die ehemalige Konföderation) hatten schwarze Musiker auf dem weißen Markt praktisch keine Chance. Nur wer dem weißen Mann entweder den glubschäugigen und zähnefletschenden Vaudeville-Nigger machte oder mit samtener Schmusestimme a la Nat King Cole zur Kerzenlichtparty aufspielte, konnte sich die Butter aufs Brot verdienen. Viele der schwarzen Rhythm and Blueskünstler wurden dazu verdammt, ständig wie die frischlackierten Hutschpferde zu grinsen und das weiße Establishment erlaubte ihnen dann großzügig, sich auf der Bühne zu bewegen. Einem weißen Musiker aber legte man das Korsett angeblicher Seriosität an und das verstand der „Hillbilly-Nigger“ aus Tupelo nicht. Das machte ihn dann durch findige Manager, die mit dem Generationenkonflikt arbeiteten, berühmt.



Nun aber wieder zum Thema zurück.
Elvis Vater Vernon konnte für den Unterhalt der Familie nicht mehr aufkommen und frisierte einen Scheck, worauf er einige Zeit auf der berühmt-berüchtigten Parchman Gefängnisfarm verbringen mußte. Die halbe Musikergilde des Mississippi-Delta war hier schon zu Gast. Son House schrieb seinen „ Mississippi County Farm Blues“, dessen Aufnahme bis heute verschollen ist und Charley Patton schlief in der Ausnüchterungszelle zigmal seinen Rausch aus. Bukka White ließen die Erlebnisse auch nicht kalt, denn da gab es einen „Capt’n Jack, who writes his name on your country back“, also Blues around the Presleys.
Doch 1948 war der Kanal voll. Die Presleys wanderten nach Memphis aus. Memphis war noch bis in die 50er eine Stadt in der sich Blues und Bluegrass trafen und im schwarzen Viertel rund um die Beale Street gabs noch die letzten wandernden Bluessänger. Sogar der Beale Street Blues Boy, Riley B. King war DJ an einer schwarzen Radiostation, bis er als B.B.King internationale Karriere machte. In der Straße des Blues aber sah sich Elvis trotz Verbot seiner puritanischen Mutter die „Nigger“ an, die ihre sündhaft verderbliche Bluesmusik auf offener Straße vortrugen. Da war noch der alte Gus Cannon, Leader der Cannons Jug Stompers und Ikone der Memphis Szene. Jahrgang 1883, aber er legte eine Show hin, daß dem 13-jährigen El der Mund offenstand. Gus hatte sein Banjo an einem Hosenträger befestigt, das er bei jeder Offbeatstelle von sich schleuderte und rechtzeitig vor der Eins wieder in seine Hände zurückschnellte. Die Country-Blues Typen machten oft während des Spielens perkussive Stepschritte, die das Washboard ersetzten. Manche lernten vom alten Charley Patton, spielten die Gitarre hinter dem Kopf und ließen die Körper swingen. „Roll Them Bones“ war das Motto.



Wahrscheinlich waren die Bluessänger so unterernährt, das sie beim Tanzen nur mit den Knochen scheppern konnten. Das war die Schule, durch die der spätere King gehen mußte, um das Rüstzeug zum Rock’n’Roller zu bekommen. Elvis besaß bis 1955 oder 56 keinen Plattenspieler. Die einzige mediale Quelle waren die lokalen Radiosender und die klobigen Juke-Boxen, die in den Cafes und Truckerkaschemmen standen. Sie trugen wesentlich zum Untergang der wandernden Bluessänger bei, sowie die Country-Blues Sänger die klassischen Bluessängerinnen, die noch in der Vaudeville-Tradition verhaftet waren, zu Fall brachten. Es gab da einen schwarzen Sender in Memphis, WDIA, wo B.B.King auflegte und Live-Shows über Radio veranstaltete. Einer der Protagonisten muß der 1905 in Forrest, Miss. geborene Arthur „Big Boy“ Crudup gewesen sein. Crudup war so ziemlich der Letzte der Blues-Hobos. Er war neben Muddy Waters, der in Chicago lebte, das Missing Link zum Country-Blues Rock. Big Boy begleitete seinen hochstimmigen Shoutgesang auf einer primitiv elektrifizierten Jazzgitarre und spannte seinen Kapodaster nicht unter den 5. Bund. Das Spiel war monoton, wie man es noch von den One-Chord Gitarristen kannte, außerdem hielt er sich nie an eine erkennbare Taktsruktur und etwaige Harmoniewechsel zeigte er nur durch das Setzen eines Grundtons an, aber er war bei schnelleren Nummern ziemlich rhythmisch. Hinter ihm spielte entweder ein allzu lauter Drummer, oder er wurde durch einen Slap-Bassisten begleitet, der die Töne auch irgendwie hinschmierte. Crudups erste Aufnahmen waren purer Feldgesang (Field-Holler) der von einem sogenannten Washtube Bass untermalt wurde. Man befestigte eine Schnur an einem Waschzuber und an einem Stock und regelte die Tonhöhe durch manuelles Spannen, was dem individuellen Gehör überlassen wurde.



Elvis hatte ein Faible für diesen aggressiven Blues-Shouter und nahm ihn in seine Wunschliste auf. Gleichwegs aber hörte er auch komplexere Rhythm and Blues Typen wie Roy Brown oder Ray Charles. Zuhause hatte man das Radio natürlich auf weiß gestellt und Elvis lernte Bill Monroe, Hank Williams und Roy Acuff kennen. Irgendwie müssen sich diese Einflüsse im Kopf des jungen Elvis vermischt haben und die Rockabilly-Music war geboren. Rockabilly ist ein Kunstwort aus Rock und Hillbilly. Zeitgleich aber hatte sich der Western-Swing Artist Bill Haley mit seiner komplexen Bandbesetzung zur neuen Musik, die sich da Rock’n’Roll nannte, bekannt und der weiße DJ Alan Freed erreichte mit seiner „Moondog Rock’n’Roll Show“ phantastische Ratings.

Elvis Triebfeder war die gleiche wie die aller schwarzen Musiker und mit Verlaub auch meine und die vieler anderer. Raus aus der hoffnungslosen Gleichförmigkeit proletarischen Daseins. Runter vom Baumwollfeld, raus aus dem Ghetto und hinter mir die Fabrik. Elvis war nun 18 und träumte, einmal ein großer Held zu werden, oder frei wie die Ritter der Landstraße zu sein, aber er brachte es nur zum Elektromaterial-Lieferanten mit einem schäbigen Ford-Pickup. Das mußte sich ändern……….Ich will hier nicht den millionenmal kolportierten Einstieg Elvis Presleys ins Musikbusinness beschreiben, sondern die bluesige Seite des King beleuchten.
Anfang 1950 ließ sich ein weißer DJ aus Alabama in Memphis nieder und versuchte sein Glück mit einem Wohnzimmerstudio in der Union Street 706. Er verdiente sich seine Brötchen mit der Aufnahme von Gruß und Kußplatten um Geld für seine Leidenschaft zusammenzukratzen. Er liebte den Blues und war mithin der einzig legitime Nachfolger des legendären Henry C. Speir, der in den 20ern und 30ern die Creme de la Creme des Country Blues unter seinen Flügeln hatte……Es war Sam C. Phillips, der Inhaber von „Sun“ Records.



Sam war der Erste der B.B.King auf Schellack bannte und dem noch zahlreiche andere nachfolgen sollten. Zugleich aber nahm er weiße Bands auf, die nicht allzu kommerziell klangen. Daß mit Schwarzen jenseits des Race-Marktes kein Nickel zu machen war, wußte er und so kam er auf die Idee, nach einem Weißen mit schwarzer Stimme zu suchen, oder einem, der das schwarze Feeling herüberbringen konnte.

Da setzt die Mär von der Overnight-Sensation ein, die der Welt weismachen will, daß Elvis direkt vom linkischen Hillbilly zum Superstar avancierte. Ich lernte durch Zufall einen schwarzen Blueskünstler kennen, dem der Betrieb im Sun-Studio wohl bekannt war, weil er auch ein ehemaliger Sun-Artist war…nämlich Doc Ross, die One-Man Band. Doc erzählte mir, daß Elvis lange bevor er seine legendäre Plattensession am 5.Juli 1954 hatte, im Studio herumgehangen sei, mit gesenktem Kopf dasaß und den Schwarzen zuhörte, wie sie loslegten. Doc nahm ihn zur Seite und sagte: “Boy, wenn Du immer so wie ein Tropf herumhängst und mal da und dort ein ‚Yes Sir‘ über die Lippen bringst, wird nie etwas aus Dir werden. “Elvis trottete von dannen und war am nächsten Tag wieder da. Dann entschloß er sich im Jänner 1953 eine Demoplatte aufzunehmen. Warum er den Schmalzhit „My Happiness“ wählte, ist mir unklar. Sam ließ ihn nach Hause gehen und ging wieder zur Tagesordnung über. Ein Jahr lang passierte nichts, dann versuchte es Elvis das zweite Mal mit „I‘ll Never Stand In Your Way“, auch eine Ballade. Sam ließ ihn wieder gehen. Keine Reaktion seitens des Bosses. Wenn nicht ein schwarzer Sänger ausgefallen wäre und Sams Sekretärin Marion Keisker als letzte Konsequenz Elvis‘ Adresse aus der Kartei geholt hätte, wer weiß….vielleicht wäre der King noch am Leben und die Armut hätte ihm ein schlankeres Leben beschert, aber der westlichen Kultur ihre größte Leitfigur vorenthalten.



Elvis rannte schneller als Mrs. Keisker den Hörer auflegen konnte und er stand da…..ein seltsamer junger Mann mit Koteletten und dem Outfit eines schwarzen Zuhälters. Sam holte ihn ins Studio und wollte mit ihm die Nummer dieses Schwarzen Künstlers aufnehmen, aber der größte Sänger aller Zeiten hatte die passende Stimme nicht. Sam Phillips ließ Elvis darauf singen was er wollte, aber es kam nichts heraus. Entweder war El zu nervös, oder er hatte sich überschätzt. Sam wollte den Jungen zum dritten Mal in die Anonymität schicken, da ergriff Marion Keisker Partei und schlug vor, Elvis durch zwei Musiker einer relativ erfolglosen Band namens „Starlite Wranglers“ begleiten zu lassen. Winfield Scott Moore und Bill Black wurden herbeigeholt und das war die Geburt des legendärsten Trios der Rock’n’Roll Geschichte. Scotty Moore war ein leidlich guter Sologitarrist, der Chet Atkins und B.B.King gleichsam verehrte, aber stetig an sich arbeitete. Daß er durch die Aufnahmen mit Elvis sozusagen zur Ikone der Rock’n’Roll Gitarre wurde, hätte er sich auch nicht gedacht. Sogar der kürzlich verstorbene George Harrison war ein Fan von Scotty, was man bei „What Goes On“, einer bekannten Beatles-Nummer deutlich hören kann. Bill Black der Bassist war ein Showman par Excellance, laut Sam Phillips wohl der lausigste Typ auf seinem Instrument, aber er konnte slappen wie der Teufel und darauf kam es an.



Studiogenies wie Sam Phillips gibt es heute kaum mehr, denn keiner hat mehr das Gefühl, das Beste aus einer Aufnahmesession zu machen, außerdem kostet es Geld und wieder Geld Studiozeit mit einem Künstler, der nicht recht weiß was er will, zu verplempern. Mit Elvis war es aber genau so. Einen ganzen Tag probierte man an allerhand Balladen herum, denn Elvis glaubte, daß soetwas besser ankommen würde und machte den amerikanischen Roy Black. Sam wollte schon alles hinschmeißen, da fühlte sich El unbeobachtet und während Scotty und Bill Brotzeit machten, schlug er in seine Martin D-28 und sang, wozu er gerade Lust hatte…..Big Boy Crudup’s „That’s Allright Mama“. Den beiden Musikern blieb der Burger im Halse stecken und Sam winkte durch die Glasscheibe: „Na, macht schon!“ Man fiel in El’s Nummer ein und Sam fragte: “Was macht ihr da?“ „Wir wissen es nicht, aber es fährt“. Als Sam das Playback spielte meinte Scotty: “Verdammter Nigger, wenn wir das öffentlich spielen, jagen sie uns aus der Stadt“. Das war, was Sam suchte. Einen Weißen, der sich nicht scheute „Niggermusik“ im puritanischen Süden zu spielen.



Ich habe mir beide Versionen von „That’s Allright Mama“ dutzende Male angehört und hatte nie den Eindruck, daß Elvis nur die Bohne schwarz klang. Betrachtet man das Produkt aber mit dem Zeitgefühl der frühen 50er, war Elvis ein Pionier, denn er durchbrach als erster die unantastbaren Rassebarrieren amerikanischer Populärkultur. Zudem war Elvis auch noch ein undefinierbares Alien, der weder weiß noch schwarz war. Sein für die Zeit grelles Outfit, sowie seine Show waren eindeutig den schwarzen Dandies und Bluestypen abgeguckt, aber andererseits war El ein hoffnungsloses Muttersöhnchen, das am Sonntag brav mit den Eltern zur Kirche ging. Später sagte ihm dann sein Manager, Thomas Andrew Parker was er zu tun hatte. Die Masche des Rock’n’Roll Rebellen wurde Elvis von den Medien appliziert, weil das schwarze Element des Produktes Elvis Presley mit dem Selbstbestimmungsdrang der Nachkriegsjugend konform ging. Bis dahin galten die Brandos und James Deans eher als Exponenten gesellschaftlicher Randgruppen. Mit Elvis hatte man eine Ikone, die nicht nur phantastisch aussah, sondern noch singen und tanzen konnte. Kein Wunder, daß Bill Haley, der unvergleichlich bessere Musiker hatte, wohl seines behäbigeren Aussehens wegen, bald zur Nummer zwei und drei absank. Unsere gesamte Generation verfiel dem Charisma dieses für sich eigentlich simplen Jünglings, der aber genau das verkörperte, was wir alle waren, nämlich Nullen, die irgendwann einmal zu einer Eins davor kommen wollten.



Doch nun wieder zum Blues.
Sam Phillips‘ Marketingsrategie war die, eine schwarze mit einer weißen Nummer zu koppeln. Die Rückseite von That’s Allright Mama“ war eine bekannte Bill Monroe Komposition, nämlich „Blue Moon Of Kentucky“, die natürlich auch in einer Uptempo-Version aufgenommen wurde…..also für jeden etwas. Doch Elvis nahm bis weit in die Rock’n’Roll Ära vorwiegend schwarzes Material auf und verwendete auch dessen Liedgut. Eine nur den Fans bekannte Version von „King Creole“ ist Ton für Ton von Big Joe Turner abgekupfert.
Der Terminus „That’s Allright Mama“ geht bis auf Blind Lemon Jefferson zurück und ist schwarzer Natur. Den weißen Kids und der weißen Presse mußte man aber etwas Verdauliches präsentieren und erfand die Story von der Geburtstagsplatte für El’s Mutter.. Wenn schon in Europa niemand verstand, was Elvis sang, so hätte man in Amerika doch wissen müssen, daß sich der Terminus „Mama“ auf die Geliebte und nicht auf die Mutter bezieht und das ist nun einmal Black Talk. Zudem weist der Text aus, daß der Sänger von seinen Eltern gewarnt wird, nicht mit „solch einer“ herumzumachen, doch der „Monkey Man“ gesteht seiner Schlampe zu, daß alles okay ist, gleichgültig was sie tut. Schließlich vertschüßt er sich, weil ihn die Geliebte als Belästigung empfindet und er die Stadt verläßt. Dieses Verhalten kennt man von den „Monkey Men“, den pechschwarzen Feldnegern, die sich dummerweise in eine „Yaller“ oder „Hi Yaller“ verliebten und von vornherein auf verlorenem Posten standen.
Yellows waren hellhäutige Schwarze, die bis an die Grenze zum weißen Schönheitsideal vordringen konnten und in der Rassenhierarchie an oberster Stelle standen. Als Weißer muß sich Elvis, der Südstaatler doch etwas gedacht haben, aber offensichtlich war er nicht klüger als unsere Musiker, die einfach spielen und singen und nicht wissen wovon.



Und doch nahm Elvis im Jahre 1955 eine Nummer auf, die ihn fast in die Nähe eines guten weißen Bluesinterpreten brachte, nämlich Kokomo Arnold’s berühmter „Milkcow Blues“. Zwar ist von Ol‘ Kokomo’s Version nichts mehr, außer ein paar Textstellen erkennbar, aber Sam Phillips verzichtete diesmal auf sein berühmtes Schluckauf-Echo (Slapback-Echo, anm. d. Verf.) und Elvis auf das zur Perfektion kultiviertes Timbre, das ja sein Markenzeichen war. Die Nummer war vom Standpunkt des Bluesfans die beste die El je aufgenommen hat. Sein Mädchen als „Milkcow“ zu bezeichnen, treibt heute die vereinigte Frauenbewegung auf die Barrikaden, aber man muß bedenken, daß für einen armen schwarzen Share-Crop Farmer die einzige Kuh lebenswichtig war. „The Milkcow“ war also nur die Manifestation der Wichtigkeit des Lebenspartners. Singt doch Blind Lemon:“I love my baby, like a farmer loves his jersey cow….“. Mit Machismus unterster Sorte hat das beileibe nichts zu tun. Kennt Ihr nicht die Namen, die sich auch bei uns Verliebte oft geben: „Schweinderl, Affi, Scheißerl u.ä.“, wer denkt da, daß man einen geliebten Menschen zum Haufen Scheiße erklärt??

Die Rückseite von „Milkcow Blues Boogie“ war „You’re A Heartbreaker“, eine weiße Country-Nummer. Leider war es gerade diese Platte, die sich am schlechtesten verkaufte. Da sitzt der Hase im Pfeffer….Hätte Elvis da weitergemacht, hätte ihn das Schicksal aller Bluesmusiker ereilt, wie später den alten Crudup. Verarmt, mit vier Kindern und einer Gitarre starb Big Boy, wie er gelebt hatte. Elvis machte mit drei seiner Nummern mehr Geld als der alte Arthur je in seinem Leben gesehen hatte. Als sich ein bluesbeigeisterter Anwalt für ihn einsetzte, sagte man ihm beim Aberbach-Verlag, daß die Verfahrenskosten gegen die Elvis-Anwälte die Tantiemen ums Velfache auffressen würden. Big Boy Crudup war einst ein „Bluebird“-Künstler (Race-Label von RCA-Victor) und der Capo für die Race-Abteilung war ein Weißer namens Lester Melrose. Der kaufte den meisten „Niggern“ die Rechte um eine Flasche Fusel und eine Hure ab und damit war die Angelegenheit erledigt. Der Sänger hatte seine Tagesration an Alkohol und eine nette halbe Stunde und das reichte um wieder zu überleben. Ich aber sage, daß Elvis, anstatt Löcher in Fernseher zu schießen und dümmlichen Starlets Cadillacs zu schenken, dem armen Crudup eine Rente zur Menschenwürde hätte zugestehen können. Elvis-Fan oder nicht, das verzeihe ich dem King nie, denn er hat auch einmal aus Hunger Eichkätzchen gefressen, wie es dokumentiert ist. Das war auch der Blues. Aber ich kenne diese Charaktere. Wer zu Geld kommt, vergißt schnell die Zeit und die Freunde, als er keines hatte.



Der Blues, zumindest als Musikstil ließ Elvis auch später nicht los, als er mit „Heartbreak Hotel“ nicht nur von „Sun“ zu „RCA“ wechselte, sondern auch an die Sonne internationaler Beachtung kam. Heartbreak Hotel ist strukturell und athmosphärisch ein Blues. Sogar Floyd Cramer, der Studiopianist, spielte ein kurzes Blues-Solo. Heartbreak Hotel wurde durch den Zeitungsbericht über einen Selbstmord inspiriert. Der Betroffene ließ einen Abschiedsbrief zuurück in dem stand: „I walk a lonely street…“. Nach anderen Berichten soll Elvis mit seiner Gang vor einem Konzert in Shreveport, Louisiana einen Mann, volltrunken an eine Hausmauer gelehnt, sagen gehört haben:“ I’m so lonely, I could die…“. Jedenfalls hat sich Elvis eine goldene Nase, sprich Platte damit verdient. Kommentar überflüssig.

Elvis hatte während seiner Laufbahn immer wieder schwarzes Liedgut aufgenommen und auch teilweise ohne sein Wissen an Gestohlenem verdient. Sicher ist es klar, daß in der Bluesmusik einer vom andern entweder abschrieb oder seine Fremdeinflüsse verarbeitete, aber eine der größten Schlawiner waren Jerry Leiber und Mike Stoller. Sie bemühten sich nicht einmal von „Hound Dog“ den Titel zu ändern, sonder schrieben frech unter Big Mama Thorntons Komposition ihre Namen darunter. Wie schon erwähnt, wie konnte sich ein Schwarzer gegen die Elvis-Maschinerie durchsetzen? Heute geht soetwas sicher nicht mehr, denn Michael Jackson hat unter dem Fingernagel mehr Geld als Elvis während der 50er verdiente.


Genauso versuchte sich Elvis unverständlicherweise immer wieder an der Gospelmusik. Hörte er denn nicht, daß ihn jeder schwarze Kirchendiener in Jumpersville an die Wand sang, wenn er sich nur schneuzte? Aber es war für den weißen Markt und dessen kommerzielle Klientel okay. Doch Elvis war ein unverdrossener Bluesfan und wie man in seiner Comebackshow 1968 in Burbank, Cal. hören und sehen konnte, intonierte er Jimmy Reeds „What You Want Me To Do“. Elvis hatte nach der Rückkehr die Schneid in seiner Stimme verloren und er sang Blues mit seiner ins musicalhafte verzerrten Stimme. Die Gitarre, eine 150.000 $ teure Gibson Super 400 spielte er simpler als ein Debutant im Papas Tapas, aber er arbeitete wie immer mit den Attributen, die ihm sein ganzes Leben zur Verfügung standen. Der rebellische Jungstierblick, sein unwidersprochen blendendes Aussehen und seinem Image, an dem selbst keiner zu kratzen wagte, als Elvis am 16. August 1977 im Alter von nur 42 Jahren fettgefressen und an Körper und Seele zerstört, in den Blueshimmel aufstieg.
Gott sei seiner Seele gnädig und vielleicht trifft er dort oben die alten Haudegen aus dem Delta, die ihm zeigen wo es im Blues lang geht.

Liebe Elvis und Blues Fans: Ich zeige im Rahmen einer Monti Beton Show am 11. und 12. Jänner 2002 im Orpheum, wo Elvis seine Einflüsse herbekommen hat. Also 20h 1220, Steigenteschgasse 94a.

Ich liebe Elvis genauso wie jeder Fan, ich habe sogar seine Frisur zur meinen gemacht, aber ehrliche Kritik und Reduktion auf‘s wahre menschliche Maß tut dem Personenkult manchmal gut.


                                                                        Euer      AL COOK