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50 JAHRE HEARTBREAK HOTEL

Elvis und der Blues – © by Al Cook 2006

50 JAHRE HEARTBREAK HOTEL

Die wohl berühmteste Nummer, die neben Love Me Tender vor nunmehr 50 Jahren Rock’n’Roll Geschichte gemacht hat, war ein Blues. Sowohl von der musikalischen Konzeption, als von Text und Arragement.
Jeder kennt diese Nummer, die die Weiche für viele damalige Musiker stellte, die heute längst zu renommierten Weltstars geworden sind. Es ist „Heartbreak Hotel“ von Mae Boren Axton und Jimmy Durden. Als dritter steht Elvis selbst in der Klammer unter dem Plattentitel. Doch Elvis hat in seinem Leben noch keine einzige Zeile geschrieben. Sein Manager, Thomas Andrew Parker, genannt der „Colonel“ zwang fast jeden Songschreiber, zumindest ein Drittel seiner Rechte an Elvis abzutreten. Sein Argument war klar, wie zynisch….“Ein Drittel von einer Million sind satte dreihunderttausend. Ein Drittel von Null ist auch nachher Null“. Da Elvis 1956 der am schnellsten populär gewordene Star der westlichen Unterhaltungsmusik war, produzierte diese Situation unter den Komponisten die willfährigsten Opportunisten, die es auch teilweise um die Hälfte gemacht hätten. Wer verdiente damals schon 300 000 pro Jahr….
Also zuckte man die Achsel und stieg ein.
Bei Love Me Tender gestaltete sich diese Situation noch grausiger, aber das werde ich einmal anderwärts behandeln.



Ende 1955 verkaufte der Studioboß Sam Phillips, der Elvis bei Sun-Records ein fast familiäres Zuhause geboten hatte, für 55 000 Dollar den Vertrag mit sämtlichen Rechten an RCA. Es war der Colonel, der in Elvis ein Potential sah, das die Provinzmanager aus dem Süden nicht mehr im Griff hatten. Nachdem der schlitzohrige Manager von Country Stars wie Eddy Arnold und Roy Acuff die Eltern von Elvis überredet hatte, ihren Sohn seiner Obhut zu überantworten, begann er seinen zukünftigen Star an die damals renommierten Plattenkonzerne zu verkaufen. Atlantic und Columbia zahlten zu wenig, einige andere waren zu kleinkariert und wollten Elvis erst einmal beobachten, ob er was einbrachte. Einige lehnten es ab, diesen Wahnsinnigen auf ihre Liste zu setzen. Dann landete er beim RCA Konzern und nannte eine Summe. Friß oder stirb. Parker war ein Roßtäuschertyp aus der Vaudeville-Ära. Er verkaufte gefärbte Spatzen als Kanarienvögel und ließ Hühner auf einer heißen Herdplatte tanzen. Nebenbei organisierte er für zwielichtige Politiker Wahlveranstaltungen. Colonel Parker erhielt seinen Titel als Dank für seine „Verdienste“. Er trat bei Veranstaltungen oft in der Uniform eines Offiziers der Konföderierten auf, was den Südstaatlern im Hinterland Vertrauen einflößte. Tom Parker interessierte nur Geld und wie man es am besten und vor allem schnellsten macht. Sein Vertragsmuster bestand aus lauter Schnipsel von Gummiparagraphen, denen er fallweise aufgesessen war. Oft ließ er liegengelassene Programme einsammeln und verkaufte sie bei der Abendshow nocheinmal. Wer diesen Mann auf seiner Seite hatte, konnte mit Erfolg rechnen. Natürlich war Elvis von nun an lebenslang und exklusiv an den Colonel gebunden und der machte mit ihm dann, was er wollte. Die Hawaiiphase und der Las Vegas Kommerz im Zirkusgewand sagen alles.



Doch wir wollen uns ja mit Heartbreak Hotel befassen.
Elvis brauchte unbedingt einen Top-Hit als Einstand bei seiner neuen Plattenfirma RCA.
Man war sich nicht einig, wie der neue Sound aussehen sollte und was auf Platte kommen soll. Elvis wollte einen Live-Renner aus SUN-Zeiten aufnehmen. Es war „I Got A Woman“ aus der Feder von R&B Genius Ray Charles. Die Nummer wurde auf höhere Geschwindigkeit zu einer Rockabilly Nummer getrimmt, die aber den Bluesschluß beibehielt. Bei Live-Auftritten am Lande riß dieser Schluß sämtliche Zuhörer von den Stühlen. Die andere Nummer war „Money Honey“, ein Hit einer schwarzen Gesangsgruppe. Ich weiß nicht, waren es die Drifters oder die Coasters….
Steve Sholes, der beleibte A&R Manager von RCA wollte, daß Elvis auch Balladen mit Hintergrundgesang aufnahm. Man braucht ja noch etwas für die Verliebten. Also entschied man sich für „I Was The One“, ein Selbstmitleidsopus, an dem Elvis seine Qualität als Schmusecrooner beweisen mußte. Aber damals wirkten nicht einmal Balladen so schmalzig wie nach seinem Wiedereintritt ins Musikbusinness nach 1960.
Doch die A-Seite fehlte noch…

Es gibt verschiedene Versionen, wie Heartbreak Hotel entstanden war.
Peter Guralnick, der versierte Robert Johnson Biograph recherchierte und berichtet in seinem Standardwerk „Last Train To Memphis“, daß der Songschreiber Jimmy Durden eines Tages die Zeitung aufschlug und einen Bericht über einen Selbstmörder las, der in seinem Abschiedsbrief die Worte schrieb….“I walk a lonely road“.  Am Ende dieser „Lonely Street“ plazierte man das Heartbreak Hotel, wo sich all die gebrochenen Herzen erst einmal beim schwarz gekleideten „desk clerk“ eintrugen. Dem Hotelpagen, der ständig heulte, übergab man dann seine Bürde…..
Heartbreak Hotel war so gar nicht das, was man sich unter einer Elvisnummer vorstellte. Sexy und von frechem Optimismus sprühend. Als die Nummer fertigkomponiert war, übergab man sie Elvis zur Aufnahme.



Elvis schien sofort von der Nummer begeistert, doch sein Trio lehnte Heartbreak Hotel durch die Bank ab. Sam Phillips, der Chef von El’s Exfirma SUN nannte die ganze Nummer ein „morbides Schlamassel“. Steve Sholes, der Manager von RCA bekam kalte Füße, weil er im Zweifel war, ob er nicht doch Carl Perkins hätte nehmen sollen. Carls Einstand „Blue Suede Shoes“ war echt gefährliche Konkurrenz für Elvis. Der Einzige, der vom Erfolg der Sache überzeugt war, war Colonel Tom Parker und damit auch sein Schützling Elvis Aron Presley.
Gekauft hat man Elvis schon, also auf nach Nashville und rein ins kalte Wasser.
RCA mietete sich in ein Gebäude ein, das eine Radiostation der ansässigen Methodistenkirche beherbergte. Zwei renommierte Musiker aus Nashvilles Country-Szene wurden beigebracht, die das Elvis Trio unterstützen sollten. Steve Sholes war sich nicht sicher, ob diese Hillbillies den Ansprüchen von Nashvilles perfektionierter Studiomusikergilde entsprachen.
D.J. Fontana, der Schlagzeuger der Elvis-Gruppe saß aufmerksam da und spitzte die Ohren. Er war sich bewußt, daß es in Nashville genug Schlagzeuger gibt, die besser waren als er.
Die Musiker, die A&R Mann Steve Sholes dazuengagierte, waren Chet Atkins, ein Gitarrenidol von El’s Leadgitarristen Scotty Moore und Floyd Cramer, der Country-Pianist mit dem gewissen Sound. Bekannt vor allem durch seine Instrumentalversion von Chattanooga Choo Choo.
Man stelle sich vor, da braucht man einen der besten Gitarristen der Countryszene, um bei einem bis dahin im Norden faktisch unbekannten Rockabilly Barden den Rhythmusschrummer zu machen. Offenbar hatte Chet Atkins, der später zum Präsidenten von RCA avancierte, auch noch andere, vielleicht administrative Funktionen.



Ob Elvis bei Heartbreak Hotel und den anderen Nummern auch Begleitung gespielt hat, erscheint mir eher unwahrscheinlich, weil er bei Live Shows im Fernsehen nie sehr professionell mit seiner Gitarre umging. Jedenfalls befand man sich im Aufnahmeraum, der offensichtlich so gar nicht wie ein Studio aussah, denn er war hoch und hatte eine gewölbte Decke. Da schwirrten die Baßtöne herum und so mußte eine Lösung gefunden werden.
Die bis heute unerreichte Genialität der damaligen Tontechniker lag in der Tatsache, daß sie aus den tristesten akustischen Gegebenheiten etwas machen konnten. Zudem gab es damals noch kein Multitrackverfahren, so daß jedesmal die ganze Nummer mit der vollen Besetzung durchgespielt werden mußte. Hinter der Glasscheibe, wo die Tontechniker saßen, ging es professionell zur Sache. Von Sam Phillips war Elvis immer wie ein Familienmitglied behandelt worden. Da Sam selbst einmal Musiker gewesen war und dazu noch auf authentischen Blues stand, hatte er zum neugeborenen Rock’n’Roll eine andere Einstellung als die Profis in Nashville und New York, für die die Studioarbeit nur ein Job war, der so schnell und perfekt als möglich getan werden mußte. Trotz allem aber waren die Studiokobolde noch immer kreativer als heute.
(Ich erinnere mich noch sehr deutlich an eine Szene, wo professionelle Tontechniker nicht imstande waren, mir und meiner Band einen optimalen Live-Sound zu verpassen.)



Man wollte Elvis Presleys Echosound aus alten SUN Tagen beibehalten, was natürlich ein post-recording process war, den der Soundbastler Sam Phillips den Rohaufnahmen zufügte.
Scotty Moores Gitarrenverstärker war eine Sonderanfertigung, die ein rudimentäres echoplex eingebaut hatte, womit er z.B. das Rhythmuslick von „Mystery Train“ spielte.
Aber das Studio in Nashville verfügte über kein Echoplex oder dementsprechende Mixtricks. Was gespielt wurde, war auf Band….und hat bis heute nicht an Gültigkeit verloren. Der einsame Sound von Heartbreak Hotel wird heute nicht mehr erreicht.
Hört man genau zu, ist es eigentlich gar kein Echo, sondern ein unnachahmlicher Raumklang, den man mit einem applizierten Mischer live (!) dem Grundsound beimischte. Die anderen Instrumente aber mußten relativ trocken klingen. Also wie sollte man das bewerkstelligen?

Man teilte Elvis Stimme und führte ein Signal über einen Verstärker, der im Korridor des Stiegenhauses stand und stellte am anderen Ende ein Mikrofon auf, das den Raumklang und die Zeitverzögerung ans Mischpult weitergab, wo es dem Direktsignal in einem mir nicht bekannten Verhältnis beigemischt wurde.



Die erste Nummer, die an diesem Nachmittag des 10. Jänner 1956 um 14 Uhr aufgenommen wurde, war nicht Heartbreak Hotel, sondern der Ray Charles Hit „I Got A Woman“. Das makeshift-echo schien zu funktionieren. Elvis hörte sich das erste Mal mit sämtlichen Effekten und hatte das Endprodukt vor Augen, bzw. Ohren. Natürlich war Elvis nie mit den ersten Takes zufrieden. Steve Sholes saß da und schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht. Merkt denn der Kerl nicht, daß man hier nicht bei Sam Phillips war, sondern in einem professionellen Nashville Studio, das Geld kostete.
Elvis aber hatte offenbar einen sechsten Sinn, der ihm sagte, wann’s nicht mehr besser zu machen war und wann es einfach stimmte. Er jagte die Tontechniker mehrmals in den Korridor, um die Entfernung des Verstärkers zum Mikrofon zu prüfen. Dann legte er los….und kreuzdonnerwetter, wer holte sich aus dem Cola-Automaten im Stiegenhaus wieder einen Drink?! Die Aufnahme war für die Geschichte ein kaputter Take. Elvis grinste schief und begann von neuem…..
Endlich war „I Got A Woman“ im Kasten. Dann ging man mit dem legendärsten Hit der kommerziellen Rock’n’Roll Geschichte ans Werk. Zuerst versicherte man sich, daß jeder seine Cola hatte und dann gings los.



„Well, since my baby left me, I found a new place to dwell, it’s down at the end of lonely street, that’s Heartbreak Hotel, where I’ll be…., dann sang Elvis die Strophe nur mit Bill Blacks Baßbegleitung fertig. Bei der nächsten setzte D.J. Fontana zögernd und dezent mit Besen ein und Scotty putzte die Stimmung mit sorgfälig gesetztem Picking auf. Bei der zweiten Strophe steigerte sich der Sound, indem Chat Atkins‘ Rhythmusgitarre mit dem Schlagzeug Synchronarbeit leistete. Bei der dritten zogen Chet, D.J. und Bill zurück und Scotty leitete ins berühmteste aber simpelste Rock’n’Roll-Solo der Musikgeschichte ein. Wie ein Kanonenschuß fuhren zwei Quartintervalle vom Stapel, die einen Ganzton voneinander entfernt waren und kumulierten in zwei Tönen, deren tieferer zum höheren hochgezogen wurde. Eine Technik, die später von Carlos Santana verwendet wurde.
Während Scottys Solo die Musikwelt erschütterte, unterlegte Floyd Cramer mit einer schweren Boogie-Baßfigur. Scottys Solo reißt ab….man erwartet eigentlich, daß er weiterspielt, aber er übergibt an Floyd. Doch anstatt heiße Triolen a la Jerry Lee Lewis zu hämmern, spielt er barmäßiges Regentropfenpiano, das er aber von der vierten gleich auf die fünfte Stufe übersetzt, damit sein Part nicht zu lang wird. Elvis setzt zur letzten Strophe an….they’ll be..e so lonely….Es klingt so verschmiert, daß man „Elvis is so lonely“ zu hören glaubt. Dann reißt die Begleitung plötzlich ab und singt…“they’ll be so lonely, they could die“. Dann spielt Bill Black einen zum Slappen angesetzten Baßabgang und die ganze Band spielt einen Schlußakkord, der sich wie ein abgründig klingender Seufzer anhört. Ich analysierte monatelang an diesem Akkord herum und bin der Überzeugung, daß es sich um eine übermäßige Quinte mit zugelegter Sext handelt, die einem Halbtonvorschlag folgt.

Dann wird ein Take ausgesucht und Elvis‘ erster Millionenhit war geboren.
Der Name Elvis Presley ist seit diesem Tag aus der Musikgeschichte nicht mehr wegzudenken.