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KEIN PLATZ FÜR JOHNNY B. GOODE

Zwischenbilanz und Selbstreflexion zu meiner Autobiographie

© by Al Cook 2017

Nun ist etwas über ein halbes Jahrzehnt vergangen, seit ich meine Sozial- Szene- und gesellschaftskritische Autobiographie bei Epikuros veröffentlicht habe. Wie erwartet, hat der Inhalt des Buches dort oder da ein wenig Staub aufgewirbelt, was ja vor der Konzeption dieses Werkes als kalkulierte Verkaufsstrategie einberechnet wurde. Doch der große Aufreger ist offenbar wieder ausgeblieben.

Wie im Vorwort statuiert, verzichtete ich bewußt auf jedwede politisch korrekte Beschönigungsterminologie, weil ich nie bereit war, mich mit dem Diktat unserer tugendautoritären Toleranzgebotsgesellschaft, die nur ihr Weltbild als das wahre anerkennt, zu arrangieren.

Vorwörter sind in der Regel langweilig und belehrend und meistens auf Beeinflussung des Lesers abgezielt. Das ist vorallem der Grund, weshalb auch ich von Prologen wenig halte. Allerdings war es in diesem Falle unabdingbar notwendig, ein klärendes Wort an die Leserschaft zu richten um mißverständlichen Auslegungen gewisser Textpassagen im Vorfeld zu begegnen.

Ich begann dieses Buch im Jahre 2002 während der Genesungsphase nach einem schweren Herzinfarkt und der darauffolgenden Bypassoperation zu schreiben, da ich nicht wissen konnte, wieviel Lebenszeit mir noch bleiben würde. Es war mir daher ein dringendes Bedürfnis, nicht nur mein Leben zu dokumentieren, sondern auch meine Gedanken und meine Sicht der Dinge zu Papier zu bringen. Mir ging es so wie in meiner Musik nie um Erfolg um jeden Preis, sondern um Authentizität, die sich früher oder später einmal bezahlt macht.

Ich befinde mich im 77. Lebensjahr und meine Lebensuhr kann durch meinen Gesundheitszustand bedingt, jederzeit abrupt zum Stillstand kommen. Daher bin ich froh, dieses Buch noch vollendet zu haben, denn es mußte einfach geschrieben werden. Es ist in den Jahren, die seit Vollendung dieser Biographie vergangen sind, soviel passiert, daß es mir ohne weiteres gelänge, ein zweites Buch zu schreiben. Aber die Zeit schreitet fort und ich bin mir nicht sicher, ob es sich noch lohnen würde….

Nun, dem Großteil meiner Leserschaft – vorallem jener Teil, der mich persönlich kennt und fallweise auch noch meiner Altersklasse angehört – war es ein literarischer Genuß, dessen Kurzweil und Spannung man sich bis zum Schluß nicht entziehen konnte. Vorallem die historische Kompetenz meiner Zeitzeugenschaft, sowie die Authentizität, Ehrlichkeit und schonungslose Offenheit in der Beschreibung zeitbedingter Ereignisse wurde begeistert gelobt, da ich Dinge zur Sprache brachte, die vielen älteren Menschen nicht mehr im Gedächtnis sind. Vorallem behandelte ich auch Themenkreise, über die sich somancher vor lauter politischer Korrektheit nicht zu äußern traut. Einige der aufmerksamsten Leser waren sogar der einhelligen Meinung, daß da fast ein Schriftsteller an mir verloren gegangen sei.

Das freut einen natürlich sehr, wenn man fast zehn Jahre an einem Lebenswerk schreibt und schließlich das Gefühl hat, einigen Insidern der heimischen Musikwelt aus der Seele gesprochen zu haben. Klar gab es welche, die mit mir da und dort nicht einer Meinung waren, das liegt nun mal in der Natur der Sache. Aber im Großen und Ganzen stimmte für den überwiegenden Teil der Leserschaft der Inhalt und die Aussage und mir wurde mehrmals eingestanden, daß sich vieles auch so abgespielt hat. Von den zahlreichen Zuschriften hatte das Statement eines bekannten Szenekenners sogar etwas Richtungsweisendes. Er meinte, daß man das Buch als informative Standardliteratur der ganzen Branche als Pflichtlektüre empfehlen sollte. Ein Anderer meinte in aufrichtigem Ton, daß es manchen Kulturpolitikern gut tun würde, mal eine Lehre aus meinem Buch zu ziehen. Zu meiner Ehre erhob mich ein Kulturgeist sogar zum „Nikolaus Harnoncourt des Blues“. Mehr kann man einfach nicht sagen. Vieles das ich mir von der Seele geschrieben habe, ist mir unter vorgehaltener Hand auch unumwunden bestätigt worden. Aber wie schon gesagt, man will sich halt nichts eintreten, so der allgemeine Tenor.

Essentiell ist das Buch weit mehr als nur ein bitterer Rundum-Schlag ins Gesicht der Populärkultur, wie es gewissen Rezensenten erscheinen mag. Sie machen den naturgemäß typischen Fehler, sich nur das aus dem Kontext zu picken, was ihnen ins Auge sticht und reißen damit Unwesentliches aus dem Zusammenhang um es zum Thema hochzustilisieren.

Vorallem von Seiten meiner Kritiker ist einiges total mißinterpretiert worden oder in die falsche Kehle geraten. Daß es in der Musikwelt auch weit mehr gibt, was nichts mit Blues zu tun hat, war mir immer klar und darüber wird auch nicht diskutiert, weil es nicht in mein Fach schlägt, aber mir ging und geht es stets nur darum, dem Etikettenschwindel und der Rockvergewaltigung des Bluesgenres, sowie dem unaufhaltsamen Einfluß der Popkultur an sich entgegenzutreten. Man verkauft dem Publikum etwas als Blues, das oft nicht einmal peripher als das auszumachen ist, was es vorgibt zu sein.

In letzter Zeit kommt es häufig vor, daß Veranstalter mit teilweise untauglichen Mitteln versuchen, die nachrückenden Generationen vermehrt in die Konzertsäle zu bekommen. Ist ja legitim und vorallem wünschenswert, daß ein junges Publikum herangezogen wird, das die Tradition ins nächste Jahrhundert weiterträgt. Doch das geschieht nicht, weil man ihm wieder das vorsetzt, was es ohnehin aus den Medien kennt. Es ist, wie wenn man jemandem das Wiener Schnitzel schmackhaft machen will und wieder Schweinsbraten serviert, bloß weil man’s so gewohnt ist. Das kann so nicht funktionieren. Man kann die drei Musketiere nicht mit Laserschwertern ausstatten, nur weil’s hip ist und man dem Irrtum erliegt, ohne diese faulen Zeitgeistkompromisse das heutige Publikum nicht ansprechen zu können.

Auch das neuerdings in Mode gekommene ständige Grenzüberschreiten, Brückenschlagen und Verkuppeln total inkompatibler Kunstrichtungen entspricht so klar dem kulturpolitischen Grundkonzept sozialromantischer Globalisierungsfanatiker, die für ihre Ideologie eine für Normalkonsumenten irresistible Hype ungeahnten Ausmaßes losgetreten haben. Sie reden von kultureller Viefalt und sehen nicht, daß ihre Politik letztendlich einen globalen Einheitsbrei produziert, der keinen Namen und keine Identität mehr hat und die ganze Welt wie ein kommerzieller Zuckerguß überzieht. Damit ist das Wesentliche faktisch nicht mehr erkennbar. Sich dieser Modeerscheinung in den Weg zu stellen ist heutzutage wahrlich ein fast selbstmörderisches Unterfangen….aber das habe ich mit dem Untertitel „Blues als Rebellion gegen den Zeitgeist“ manifestiert.

Klar, man liebt den Rebellen weil er so cool gegen das Establishment agiert, aber nur wenn er im Sinne des gerade populären Mainstreams, also nach vorwärts mit dem Kopf durch die Wand geht. Man darf aber dabei nicht vergessen, daß sich das heutige Establishment aus den Wortführern der vormaligen Protestgeneration der Alt-68er institutionalisiert hat. Da kann man nur den Retourgang einlegen.

Man hat auf Grund meiner individualistischen Lebenseinstellung auch in mir jahrelang den Progressivrebellen gesehen, weil aktive Opposition gegen die Kommerzindustrie, sowie das Hören, Spielen und Eintreten für tiefschwarze afro-amerikanische Musik als zeitgeistig und fortschrittlich galt. Dabei aber völlig übersehen, ja geradezu ignoriert, daß Blues in seiner puren Form eigentlich eine klassisch archaische Musik ist, die im Zuge der Bürgerrechtsbewegung von ihren einstigen Schöpfern auf der Müllkippe der Musikgeschichte entsorgt wurde. Ich aber war stets der konservative Konterrevolutionär und Wertebewahrer, der Purist, der sich seit Beginn seiner Künstlerlaufbahn der Ursprünglichkeit und historischen Authentizität des Bluesbegriffes verpflichtet fühlte. Da beginnt das Leben dann sehr hart zu werden, denn die post-postmoderne Populärkultur verpaßte dem Purismus ein deutliches Negativ-Image, das jedem, der für diese Werte eintritt, den Nimbus des Ewiggestrigen aufstigmatisiert. Dabei will der Purist, wie schon das Wort sagt, nur das Reine und Unverfälschte.

Um einen gewissen spannungsgeladenen Unterhaltungswert zu garantieren, habe ich mich bewußt einer manchmal harten, sarkastisch-provokanten Ausdrucksweise bedient, weil ich kein Hausfrauenblattredakteur, sondern ein Mann des offenen Wortes bin, der fallweise auch sagt was unserer übersensibilisierten und mimosenhaften Gesellschaft nicht in den Kram paßt. Doch auch da sehe ich meinerseits einen Erklärungsbedarf. Diese heutzutage allseits geforderte Universaltoleranz gegenüber jedweder Entgleisung in den Bereichen Kunst, Kultur und Gesellschaft habe ich nie kritiklos akzeptiert. Nur bis dato machte mir somanche gesellschaftliche Entwicklung keine Probleme, da ich mich als Bluesman von der Popkultur sowieso nicht tangiert fühlte.

In letzter Zeit ist die generelle Situation aber für mich derart massiv geworden, daß ich da und dort mein duldsames Schweigen brechen mußte.

Gewisse Kritiker hängen sich für mich unverständlich an völlig unwichtigen und zweitrangigen Dingen auf, die für meine Biographie weder systemrelevant noch eine primäre Bedeutung haben, wie meine zugegeben harsche Einstellung zu unantastbar erklärten Ikonen der Populärkultur.

Ich habe aus berechtigten Gründen auch die zu Gottgestalten erklärten Stars der Popgeschichte bewußt auf’s Menschliche reduziert, weil ich unseren Musikern nicht nur beweisen wollte, daß „die da oben“ auch nur mit Wasser kochen, sondern gleichzeitig auch Mut zusprechen wollte, das nötige Selbstbewußtsein zu entwickeln um unserem heimischen Minderwertigkeitskomplex gegenüber der anglo-amerikanischen Leitkultur den Kampf anzusagen. Ich stand und stehe immer hinter unseren Musikern, deren Fähigkeiten in einigen Fällen keineswegs den internationalen Musikgrößen nachstehen. Aber vielleicht läßt sich das aus meinem Buch nicht klar herauslesen…doch so ist es meinerseits beabsichtigt.

Außerdem kenne ich soetwas wie kritiklose Kadavergefolgschaft im Schatten gottähnlicher Weltstars nicht. Wenn einer zehn Grammies im Glaskasten hat, beweist das nur, daß er kommerziell erfolgreich war, offenbar den Nerv einer gewissen Publikumsschicht getroffen und dadurch gut verkauft hat. Dieser Award wird keinesfalls für den künstlerischen oder ethischen Wert einer Produktion vergeben und da glaube ich, nicht danebengeraten zu haben. Wenn man sich als Star einen entsprechenden Namen gemacht und die so von mir bezeichnete „Orbitalgeschwindigkeit“ erreicht hat, frißt einem die Masse aus der Hand, egal was man tut. Zu diesem Fantyp habe ich mich nie gezählt. Auch im Falle meines vormaligen Jugendidols Elvis Presley machte ich da keine Ausnahme.

Daß ich im Falle der Rolling Stones für manche ein wenig übers Ziel geschossen habe, war mir von vornherein klar. Ich wollte damit eigentlich nur beschreiben, daß sie damals für mich nach den 50ern ein einziges audiovisuelles Schockerlebnis waren, was man sich als Angehöriger der klassischen Elvis-Generation, sowie aus meiner Sicht unschwer vorstellen kann. Dennoch war es meinerseits keine auf banale Beleidigung ausgerichtete Absicht, denn ich habe nur beschrieben, welchen Eindruck sie auf mich gemacht haben, als ich ihrer erstmals ende der 60er bewußt ansichtig wurde. Inzwischen hat man sich wohl oder übel an Extremeres gewöhnt. Mich kratzt dieses Thema nach fast einem halben Jahrhundert ehrlich gesagt, schon lang nicht mehr.

Was die Beschreibung einiger anderer Stars betrifft, habe ich auch objektiv gesehen, kein unwahres Wort geschrieben. Ein Blick ins Youtube liefert auch ohne meinen Kommentar z.B. im Fall Amy Winehouse Beweise genug. Keinesfalls hat auch meine Reaktion auf meine Begegnung mit Popa Chubby etwas mit insultiver Abwertung beleibter Menschen zu tun. Sind doch viele meiner verehrten Protagonisten des Blues oder Jazz prominente Schwergewichte (s. Jimmy Rushing, Blind Lemon Jefferson, Roosevelt Sykes, Meade Lux Lewis oder Fats Waller) Nein….Nein! Es war die Art und Weise wie Popa Chubby das freundliche Entgegenstrecken meiner Grußhand mit Stinkefinger und einem untergärigen „Fuck You“ beantwortet hat. Vielleicht ist das seine Masche. Dann soll er sich gefälligst eine andere zulegen.

Das Thema meiner Biographie ist keinesfalls das verbittert-neidhammelige Niedermachen berühmter Weltstars, oder anderer Musiker, wie es schon öfters kritisiert wurde. Verbitterte Menschen geben sich auf und das habe ich bis heute nicht getan. Noch weniger kann man mir Brotneid aus niederen Motiven vorwerfen. Ich kenne keinen Neid ! Von mir aus kann einer auf dem Klodeckel Schlagzeug spielen und Millionen verdienen. Aber wenn geht, soll man ihn dem Publikum nicht als Blueskünstler verkaufen…mehr will ich nicht. Ich will nur Gerechtigkeit, die mir als Mensch und vor allem als Künstler hartverdient zusteht.

Dieses Buch beschreibt im Kontext vorwiegend meinen bereits lebenslangen Daseinskampf um meine Positionierung in einer Gesellschaft, die für nonkonforme Individualisten keinen Platz hat; darum dieser Titel. Ich glaube mich auch darin nicht zu irren, daß es verdammt viel Energie kostet, das Durchhaltevermögen aufzubringen, fast sechs Jahrzehnte einen Weg zu gehen, den ich mir auch noch selbst pflastern mußte.

Einerseits lobt und bewundert man meine unbeugsame Geradlinigkeit und daß ich mich nie habe verbiegen lassen, doch ich möchte nicht wissen, wie oft man mich hinter vorgehaltener Hand einen sturen Betonschädel genannt hat, der sich selbst im Wege steht. Zu oft habe ich vergebens versucht, den eklatanten Unterschied zwischen Sturheit und fundierter Überzeugung zu erklären.

Ja…meine Sicht vom Ablauf historischer Begebenheiten divergiert oder kontrastiert sogar fallweise mit dem Mainstream. Aber auch das war von mir beabsichtigt, weil ich der Öffentlichkeit klarmachen wollte, daß es auch andere Sichtweisen jenseits des Massengeschmacks gibt. Vorallem meine kompromißlose Kontrahenz zur global akzeptierten Drogenkultur, weil sie wie eine pandemische Seuche ihren tragischen Tribut an täglichen Opfern fordert.

Doch neben alldem hat dieses Buch auch noch die Funktion eines kulturgeschichtlichen Nachschlagewerkes über die Nachkriegszeit. Nicht ohne Grund wurde ich als Zeitzeuge in der Wien-Bibliothek des Rathauses aufgenommen.

Man bekommt für viele zeitgeschichtliche Fragen eine glaube ich plausible Antwort und lernt dadurch manches im richtigen Zusammenhang zu betrachten. Ich gebe aber auch unumwunden zu, daß ich für die Glorifizierer der Drogen- Punk- und Schmuddelkultur nicht der richtige Mann bin.

Was ich seinerzeit in meiner kritischen Blueskitchen-Kolumne angestrebt habe, wollte ich abseits meiner persönlichen Lebensgeschichte auch in gewissen Teilen mit meinem Buch bezwecken. Keineswegs lag mir daran, bloß banal zu provozieren um mich interessant zu machen. Ich wollte etwas bewegen und zur breiten Diskussion anregen. Vorallem Denkprozesse in Gang setzen, damit sich etwas tut, aber bis heute hat man auf meine Beiträge kaum nennenswert reagiert.

Bloß Musik machen, Applaus und Gage kassieren, danach befriedigt schlafen gehen, war schon von Beginn an nie meine Intuition.

Doch glaube ich, etwas gewagt zu haben, was einst seinen Platz in der nationalen Musikgeschichte unseres Landes haben wird.

Al Cook © 2022 (überarbeitet)

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