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GOLDEN STAGE ANNIVERSARY

GOLDEN STAGE ANNIVERSARY
50 Jahre Blues als lebende Kunstform
© by Al Cook 2014

Hätte man vor nunmehr einem halben Jahrhundert gesagt, daß die Musik afro-amerikanischer Südstaatler einst einen der renommiertesten Konzertsäle Österreichs überfüllen wird, wäre diese Ansage mit ziemlicher Sicherheit als Utopie einiger Bluesfans abgetan worden, von denen es bei uns zu jener Zeit kaum eine Handvoll gab. Die Kategorie unter der der Begriff Blues zu dieser Zeit abgelegt wurde, war damals nichts als eine Nische, ja fast ein weißer Fleck auf der Landkarte einer Musikszene, die in ihrer heutigen Komplexität ja kaum vorhanden war. Unter Blues verstand man eine langsame, noch tanzbare Art des klassischen Foxtrots, der im Lokalkolorit der Wiener Umgangssprache als „L’amour-Hatscher“ bekannt war, also als Anbahnungsgymnastik für intimere Kontaktaufnahme. Im Grunde genommen war diese Charakterisierung ja gar nicht so danebengeraten, aber die dazu gespielte Musik hatte so gar nichts vom Ursprung, von dem sich dieser Terminus ableitete. Auch in der damalig noch exklusiven und eher im Verborgenen agierenden Jazz-Szene hatte der Blues noch keinen eigenständigen Stellenwert, denn die kaum nennenswerte Anzahl echter Bluesfans wurde selbst von den Anhängern der bereits damals als altmodisch belächelten Dixieland-Gilde mit dem abschätzigen Terminus „Alabama-Ferdln“ bezeichnet.

In diese Zeit platzte ich als enthusiastisch agierender Naivling von 19 Jahren mit waschechtem Country-Blues und gewagter, ja ungeniert authentischer Performance herein, die teils grobe Irritation und ungläubiges Erstaunen hervorrief und zudem noch von sogenannten studierten Musikern milde belächelt wurde. Ich lernte den Blues im Spätherbst 1964 durch Zufall von einem Nachbarn kennen, der ein Tonband abspielte, auf dem nebst Armstrong und klassischem Boogie-Piano auch Aufnahmen archaischer Bluessänger drauf waren. Kurz davor war mein erster Auftritt als Rock n Roll Sänger an der grassierenden Beatlemania gescheitert und ich suchte nach etwas, mit dem ich mich identifizieren konnte. Da bot sich der Blues wie ein rettender Strohhalm in tiefem Wasser an. Doch dem Publikum war diese Musik total unbekannt und so konzertierte ich sechs Jahre lang vor tauben Ohren, bis mir 1969 die nach Europa schwappende Folkwelle die Konzertsäle und den Zugang zu den Medien öffnete. Ich machte daraufhin Platten und trat im Fernsehen auf, bekam von der Fachwelt stets enthusiastische Kritiken und die Zeitungen krönten mich innerhalb von vier Jahren zum „White King Of Black Blues“. Der Rest ist ja bekanntlich heimische Kulturgeschichte, für die ich ja auch im Mai 2006 von der Stadt Wien ausgezeichnet wurde.

METROPOL WIEN, 15. November 2014

Bereits ein Monat vor meinem Konzert war das Wiener Metropol nicht nur restlos ausverkauft, man stellte sogar noch zusätzliche Stühle bereit und es gab zudem noch ein G’riß um die noch spärlich vorhandenen Stehplätze. Die freie Platzwahl bedingte, daß sich die Zuschauer schon lange vor Beginn im Hof des Metropol-Theaters drängten, um gute Sitzplätze zu ergattern. 
Gemäß der Tradition lud ich als Festgäste die Creme der lokalen Bluesszene zu dieser Session der Bluesverbundenheit ein und sie kamen gerne um mir ein Ständchen zum Bühnenfünfziger zu spielen. Die Vorbereitungen zu diesem Event begannen bereits fast ein halbes Jahr vorher. Obwohl der Termin als auch die Stargäste bereits fixiert waren, schien es noch genug Arbeit zu geben, denn ich mußte Konzertplakate sowie attraktive Programmfolder entwerfen und in Produktion geben. Solch ein Ereignis erfordert genaues, sowie effizientes Arbeiten und zum ersten Mal in meiner Künstlerlaufbahn hatte ich zugestandenermaßen unterschwelliges Fracksausen, weil ich bei diesem Fest unbedingt eine gute Figur abgeben mußte.
Zum Glück nahm mir meine Lebensgefährtin den administrativen Teil der Show ab und sorgte dafür, daß auch abseits der Musik alles funktionierte. Besonders aber möchte ich die agierenden Gastkünstler hervorheben, die ihren Teil mit souveräner Professionalität über die Bühne gehen ließen.
Doch im Zeitalter der Elektroakustik haben auch die Licht- und Tontechniker einen essentiellen Anteil am reibungslosen Ablauf eines Konzertes beigetragen. Ich habe es mir daher nach der Veranstaltung auch nicht nehmen lassen, mich für ihre Dienste persönlich zu bedanken. 
Über mein Label „Wolf Records“ war es schließlich möglich geworden, sogar die Seitenblicke für mein Fest zu gewinnen, denn schließlich schadet es nie, wenn man sich als außerkommerzieller Musiker mal am Prominentenkanal
 sehen lassen kann. Als das für mich Menschenmögliche getan war, konnte der Startschuß gegeben werden und das Fest konnte beginnen…ich mußte einfach gut sein.

DAS KONZERT

Schlag 20h war es dann soweit…
Der tosende Vorschußapplaus killte schließlich alle in mir aufgestaute Spannung und ich marschierte forschen Schrittes an den vorderen Bühnenrand und begann den 17. Oktober 1964 mit ein wenig Augenzwinkern zu beleuchten und meine, eigentlich ungewollt kabarettistisch geratene Schilderung der damaligen Ereignisse half mir, das Publikum vom ersten Ansatz weg für mich zu gewinnen. Fünfzig Jahre vorher schwappte mir ein Wellenbrecher aus Antipathie und Ablehnung entgegen, den ich damals nur durch eiserne Selbstdisziplin überlebte. Zwar ging es mir die darauffolgenden Jahre auch nicht viel besser, aber ich hatte etwas, wofür es sich zu leben lohnte….
Es folgte die Story der darauffolgenden Jahre, als ich vergebens versuchte, das Beatles- und Stones- Publikum zum Blues zu führen und dann von der Musikgeschichte mit dem „Working Man Blues“ doch noch eine wirkliche Chance zum Durchbruch bekam. Hätte ich die Geschichte meiner Laufbahn nicht im Eiltempo durchgezogen, wäre ich bis zu Konzertende nicht fertig geworden. Fünfzig Jahre Musikerleben lassen sich nun mal nicht in drei Sätzen abhandeln. Vielleicht sollte ich es tatsächlich einmal wagen, die Al Cook Story zum Themenabend zu machen. Mag sein, daß die Idee einschlägt.
Nun, nachdem ich noch eine Kostprobe auf der Slide-Guitar gab, holte ich meinen Bassisten Mike Jerry auf die Bühne und wir demonstrierten die Verbindung des Blues mit den Vorformen des Rock n Roll, indem wir Elvis Presleys „That’s Allright“ in meiner Version zu Gehör brachten. Mit dem Mundharmonikavirtuosen Stephan Rausch begab ich mich dann in den Jurassic Park des Field Hollers, was manchmal auch vor gestandenen Bluesfans heutzutage ein gewagtes Unternehmen sein kann. Auch meine relativ kurze Rockabilly Phase kam zur Sprache und ich holte mein „Hop Bop And Ball“ aus dem Jahre 1984 auf die Bühne. Wohl die einzige meiner Nummern, die je auf einer Playlist von Ö3 zu finden war. Ich wollte jedoch in kein Risiko eingehen und überließ den Gitarrenpart einem jungen Mann, der sich zum Supervirtuosen auf diesem Gebiet entwickelt hatte. Martin Wenninger, bekannt durch seine Arbeit mit Curtis Jensen bekam für die Veranstaltung das anglifizierte Pseudonym Wayne Martin verpaßt und ich konnte mich auf’s Singen konzentrieren. Auch mein Debut mit der Lapsteel Gitarre kam fantastisch an und wir rundeten den ersten Teil mit einer selbst komponierten Chicago-Style Nummer ab, die die Lebenserfahrung schwarzer Südstaatler in der „Windy City“ zum Thema hat. 

Nach der Pause, in der ich außer vielen Autogrammkarten noch zahlreiche CDs signierte, erfüllte ich mir einen langgehegten Traum.
Erik Trauner und Siggi Fassl waren die beiden ersten Exponenten nachfolgender Musikergenerationen, die mich in den 70er und 80er Jahren als primären Live-Eindruck in punkto Blues erlebten. Für viele Bluesfans war Hans Maitners Radiofeature „Living Blues“ sowie meine frühen Konzertauftritte im Wiener Jazzland die entscheidenden Impulse, sich mit dieser Musik auseinanderzusetzen und sie auch selbst zu spielen.
Bereits bei der Einstellprobe stellte sich heraus, daß das Feature-Programm „Three Generations Of Blues“ ein Hit sein würde. Zwar mußten wir uns zeitplanbedingt auf vier Nummern beschränken, aber man spürte deutlich, daß wir auf demselben Humus groß geworden sind, aus dem unsere Plattensammlungen bestehen. Ich bin überzeugt, daß diese einmalige Konstellation führender Blueskünstler ein eigenes Konzert wert wäre.
 
Auch Martin Pyrker war ein Pionier, denn er führte uns zu Beginn der 70er in die faszinierende Welt des Boogie-Woogie ein und brachte auch gleich das berühmte Triumvirat mit Axel Zwingenberger, George Möller und Vince Weber mit, die bereits 1976 durch ihre LP „Vienna Boogie Woogie Session“ eine Piano-Hype auslösten, deren Nachwirkungen wir noch heute zu Gehör bekommen. Martins Tochter Sabine hatte offenbar das Talent ihres Vaters, sowie die Liebe zu dieser Musik geerbt und ist in der Szene, sowie beim Publikum eine äußerst beliebte und gefragte Schlagzeugerin. Ich gab mit Martins Begleitung nach Jahrzehnten wieder einmal meinen Klassiker „The Loneliest Man In Town“ zum Besten, eine Nummer, die wir ebenfalls 1976 für Bellaphon Records einspielten. Doch nach über 35 Jahren verlor der Song nicht an Intensität, denn einige Zuhörer meinten nachher, daß es einer der schönsten Nummern war, die sie an diesem Abend gehört hatten. 
Die britische Bluessängerin Dana Gillespie war, wie Hans Theessink, schon bei meinem „Twenty Five Blues Years“ Jubiläum dabei. Dem Publikum erzählt sie immer noch voll Stolz, wie ich sie seinerzeit mit Blumen und Schokolade vom Flughafen abgeholt hatte. Als Begleitgruppe hatte sie das Joachim Palden Trio mit Sabine Pyrker, Tom Müller und Martin Winning mitgebracht. Joachim war einst Mitbegründer und erster Pianist der legendären Mojo Blues Band, der später einen eigenen Stil entwickelte, der ihn deutlich als Vertreter des postmodernen Bluesstils ausweist. Nach zwei swingenden Nummern des Palden-Trios präsentierte Dana den Titelsong ihrer neuen CD „Guilty“, der aus meiner Sicht eher am Rande zur Popkultur angesiedelt ist. Danach ging’s aber ab in den Blues, als sie sich ans Klavier setzte und „Cook It Up“, einen eigens für mich komponierten Song  spielte. Ich begleitete mit einer gefühlvoll gesetzten Tampa Red Gitarre und die Nummer rann über die Bühne wie zerlassene Butter.
Hans Theessink setzte mit „Mississippi“ eine fast viertelstündige Hommage an die klassischen Bluessänger der Zwischenkriegszeit aufs Programm und begleitete mich anschließend mit seinem, von mir sehr geschätzten Mandolinenspiel. Als ich seinerzeit meinen 25er feierte sagte er vor laufender Kamera, er freue sich schon darauf, mit mir den 50er begehen zu können. So saßen wir nach so langer Zeit doch noch gemeinsam auf der Bühne und sein Wunsch hatte sich erfüllt. Hans Theessink blickt ebenfalls auf ein halbes Jahrhundert Bühne und Konzerte in aller Herren Länder zurück, doch im Unterschied zu mir betrat er wirklich den Boden, auf dem einst ein Son House gewandelt ist. Ich habe entgegen mancher Annahmen tatsächlich nie amerikanischen Boden betreten. Einst waren es familiäre Gründe, dann fehlte mir das Geld. Heute bin ich skeptisch, denn das Amerika das mich einst so begeisterte, existiert schon lange nicht mehr.
Kaum hatte Hans die Bühne freigemacht, warteten die Rocking Birds schon hinter dem Vorhang um mich mit ihrer Musik zu erfreuen. Die Gitarristin Katie Kern, sowie die Bassistin Karin Daym hatten sich eigens für die Veranstaltung zurechtgemacht und sahen wie zwei Country Girls aus einer Grand Ol‘ Opry Show aus. Ich hatte echte Freude, die zwei Mädels in einem passenden Outfit zu erleben und Blues spielen zu hören. Sabine Pyrker begleitete die Beiden gekonnt auf einem geschichtsträchtigen Washboard, das ich ihr einmal schenkte, als ich es zufällig bei der Räumung meines Kellerabteils fand. Nachdem die Rocking Birds ihre Hommage vorgetragen hatten, begleitete ich zuerst Katie Kern und dann Karin Daym auf dem Piano. Eine Variation, die das Publikum so noch nicht gehört hatte. Katie gestand mir nachher, daß sie beim Singen merklich nervös war, so ohne Probe und vor allem ohne Gitarrebegleitung auf der Bühne zu stehen…aber sie schaffte es mühelos, das Publikum mit ihrer ausdrucksstarken Stimme für sich zu gewinnen. Karin Daym ist eine hervorragende Bluesbassistin und ihre Stimme hat eine hintergründige Erotik, die ganz und gar ohne das übliche Soulgekreisch auskommt, um das die Majorität zeitgenössischer Sängerinnen einfach nicht herumzukommen glaubt.   
Als ich vor längerer Zeit das Jazzlokal „Davis“ an der Großfeldsiedlung besuchte, wuchsen mir zwei Formationen ans Herz, für die ich mich sofort begeistern konnte. Erstere bestand aus dem deutschen Sänger und Gitarristen Rainer Wöffler und der Schweizer Multiinstrumentalistin Tanja Wirz, die aber auch über ein beachtliches Gesangstalent verfügt. Die Spezialität der „Red Hot Serenaders“, so wie sie heißen, liegt im Interpretieren von Musik der Zwischenkriegszeit, die sehr authentisch auf Originalinstrumenten vorgetragen wird. Bukka Whites „Jitterbug Swing“ und der Coasters-Titel „Framed“ waren meine Wunschfavoriten und ich sang dann noch „Young And Wild Blues“, eine von mir komponierte Nummer im Robert Johnson Stil, mit dem ich einst die unvermeidlichen Bluesfaschisten narrte, indem ich erzählte, daß das die von allen gesuchte 30. Nummer des Delta-Kings sei.
Die zweite Band waren die „Crazy Hambones“ mit dem sehr authentisch klingenden Michael Maass am Schlagzeug. Die Musik dazu besorgten der Sänger und Harpvirtuose Henry Heggen aus den USA und Brian Barnett, ein britischer Gitarrist, von dem ich schon wegen seiner urtümlich-groovigen Rhythmusklampfe begeistert war. Das Trio legt einen R&B vor, der somanche schwarze Band auf Platz zwei verweist. Wer ihre Versionen gestandener Bluesklassiker hört und ein geschultes Ohr für solide Interpretation hat, wird erkennen, daß man historisches Material stilistisch aufbereiten kann, ohne ins Rock- oder Pop-Genre abzugleiten. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Blind Lemon Jeffersons „Wartime Blues“ in einer Bandversion gehört, die sogar meinem strengen Puristenherz gefallen hat. Das mag bei Gott etwas heißen…

Nachdem diese Monstershow zu Ende war, rief ich sämtliche Beteiligte auf die Bühne und ließ zur Feier des Abends Champagner für die Gäste auffahren. Die Stimmung erreichte nochmals einen Höhepunkt als die Hambones während der Ausschank noch „Hound Dog“ anstimmten. Da war das Publikum nicht mehr zu halten und feierte mit den versammelten Musikern, bis die Bühne leer war und sich ein halbes Jahrhundert heimische Bluesgeschichte mit mir verabschiedete.
Selbst die agierenden Musiker waren noch nach Schluß der Veranstaltung derartig aufgedreht, daß hinter der Bühne noch mitreißend gejammt wurde…..ein Schauspiel von absolutem Seltenheitswert. Michael Maass freute sich über meine Einladung so sehr, daß er mich an sich zog und mit mir ein paar Takte tanzte. 
Brigitte und ich wären noch gerne dabei gewesen, aber meine Musiker drängten schon zur Abfahrt. Die Instrumente waren schon verstaut und die Pizzeria um die Ecke hatte schon seit einer halben Stunde geschlossen. Wahrscheinlich wäre es noch bis in die Morgenstunden weitergegangen.
Kurzum, es war ein erhebendes Fest…