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ROBERT JOHNSON zum 100 Geburtstag

ROBERT JOHNSON
Zum hundertsten Geburtstag am 8. Mai 2011
© Al Cook 2011

Am 8. Mai dieses Jahres wäre der King Of The Delta Blues Singers, Robert Leroy Johnson hundert Jahre alt geworden. Seine Fangemeinde, sowie die einschlägige Tonträgerbranche hat sich einiges zur Feier seines Centenniums einfallen lassen. Sony hat zeitgerecht eine aufpolierte Ausgabe des bereits mehrmals aufgelegten Doppelalbums herausgegeben. Mit modernster Restaurationstechnik wurden die aus den Jahren 1936 und 1937 stammenden Aufnahmen nochmals überarbeitet und man kann sagen, daß man bei manchen Cuts den Eindruck bekommt, Robert Johnson in Lebensgröße zu Gast zu haben. Bei keinem anderen Exponenten der Bluesgeschichte hat man sich derartig angestrengt. Wäre doch nicht uninteressant, auch seine Kumpels Charley Patton, Son House oder Willie Brown aus  dem Jurassic Park der Bluesgeschichte zu holen, um sie sozusagen in plastischer Realität erleben zu können. Doch die nahm man noch auf dem „altertümlichen“ Paramount Label auf, dessen Erzeugnisse schon ab Werk rauschten und krachten, weil bei der Herstellung billiger Schellackabfall benutzt wurde, der mit Sägespänen gestreckt war. Trotzdem hätte auch denen ein wenig digitale Politur gut getan. Schließlich waren die drei Robert Johnsons Idole und man hätte sie dem Fanpublikum auch ohne schlechtes Gewissen zumuten können.
Das Geschäft wird aber mit Robert Johnson gemacht, weil ihn zahlreiche Rockmusiker, voran Eric Clapton und die Stones als den größten Blueskünstler aller Zeiten bezeichnen. Wenn’s die sagen….
Natürlich bin auch ich ein gestandener Johnson-Fan, weil er unsere Generation der 60 plus schon 1961, bei Erscheinen seiner ersten LP aus den Socken gehoben hat. Doch bis zum Jahre 1967 interessierten mich Elvis und seine SUN Records doch ein wenig mehr.
Zu dieser Zeit bekam ich von einem Schellacksammler der Geld brauchte, einen kompletten Satz Johnson 78er für 300 Schilling das Stück angeboten…und ich wollte sie nicht (sic!)
Daß ich mich heute für diesen Fauxpas in den Südpol beißen könnte, kann man sich ja auch ohne große Vorstellungskraft denken. Jedenfalls gibt’s zu Bobbys Hunderter Vinylfakes für teures Geld zu erstehen. Die kaufe ich wieder nicht, aber diesmal aus verständlicheren Gründen.

Doch nun zu meinem Artikel über das Geburtstagskind…
Die Geschichte der Faszination, die der Deltabluessänger Robert Johnson auf unsere Musikergeneration ausgeübt hat, ist wahrhaftig bereits Legion.
Doch zu seiner Zeit hatte er keinesfalls diese herausragende Bedeutung für den Blues, wie man uns das heutzutage glauben machen will. Die weltweite Popularisierung seines Namens ist eindeutig das Werk neuzeitlicher Musikjournalisten, sowie einiger Rockstars, die seine Fans wurden und Robert Johnsons Musik als Sujet für ihre Hits verwendeten. Herausragend waren, wie schon eingangs erwähnt, Eric Clapton und die Rolling Stones.

Doch die Stars zu Roberts Lebzeiten hießen eindeutig Blind Lemon Jefferson, Charley Patton, Son House, Skip James oder Tommy Johnson. Einer von Roberts Idolen, Lonnie Johnson, der auch in Jazzkreisen ein hochgeschätzter Gitarrist war, rangierte bereits mitte der 20er unangefochten in einer Position, die der eines Guitar Heros unserer Tage gleichkam. Robert schmückte sich daher nicht selten damit, zu behaupten, er sei mit Lonnie verwandt – was natürlich nicht stimmte.
Blättert man in amerikanischen Telefon- oder Adreßbüchern, so ist Johnson ein Name wie Meier, Müller oder Schulze. Robert war damals der Kleine, der brav hinter dem Deltabluestrio Charley Patton, Son House und Willie Brown einhertrappelte und sich ihre Gitarren auslieh, wenn sie pausierten. Son House klopfte Robert jedesmal auf die Finger, weil er mit seinem Geschepper die Leute verrückt machte. Darauf nahm er sich vor, so schnell wie möglich zum seriösen Musiker zu werden. Das Trio fungierte ab nun als Robert Johnsons erste Lehrmeister.
Fast jede seiner Nummern war thematisch von den damals populären Superstars abgekupfert. Sogar sein Gesangsstil klang bei einigen Songs verdammt nach Peetie Wheatstraw, der ein einflußreicher Künstler war und damals vielen Musikern als Vorbild diente.
Wählt man z.B. „Love In Vain“, eine Nummer die die Stones Jahrzehnte nach Roberts Tod faktisch zum Hit machten, kann man als versierter Bluesfan unschwer erkennen, daß das Stück zumindest in seiner melodischen Struktur aus der Feder von Leroy Carr stammt, der in den 30ern der Superstar des kommerziellen Bluesentertainments war. (siehe: „How Long Blues“ und „When The Sun Goes Down“, der Song, der Robert als Vorlage zu „Love in Vain“ diente. Anm.d.Verf.)

Robert Johnson wollte eines Tages so berühmt werden, wie seine Idole aus dem Delta. Wohl ein ewig legitimes Ziel, das er aber bis zu seiner posthumen Entdeckung durch weiße Bluesenthusiasten nie erreichte. Jedenfalls verschwand er in den frühen Dreißigerjahren für einige Zeit und arbeitete hart daran, um es dem damals unangefochten regierenden Deltablues-Trio endlich zu zeigen.
Jedenfalls, mit dem leidigen Teufel an der mitternächtlichen Kreuzung hat das im Klartext seines „Cross Road Blues“ absolut nichts zu tun. Die metaphorische Auslegung des Inhaltes stellte sich eindeutig als mißverständliche Interpretation durch weiße Intellektuelle heraus, die in Robert Johnson einen faustischen Typen sahen, der der Welt weiß Gott was mitteilen wollte.
Diese Leute sind in ihrer intellektuell – realitätsfernen Abgehobenheit einfach nicht fähig, das Nächstliegende zu erkennen; nämlich daß man es im Falle Robert Johnsons mit einem schwarzen Wandermusiker zu tun hat, der einfach eine Scheißangst vor der texanischen Highway-Patrol hat, die ihn wegen Landstreicherei in den Karzer sperrt. Es gab nämlich ein Gesetz im Süden, welches besagt, daß Schwarze bei Einbruch der Dunkelheit von der Straße zu sein hatten.
So ist es ihm dann auch ergangen, denn Don Law, der die Plattensession leitete, mußte ihn nächsten Tag aus der Zelle holen. Nun, Papa Legba hat den armen Bobby (…save po‘ bob, if you please.) sicher nicht im „Häfen“ besucht, um ihm ein paar Gitarrengriffe beizubringen. Johnny Shines, der mit Robert in den Dreißigern unterwegs war, erzählte mir, daß er ihn den „Cross Road Blues“ nie live singen gehört hatte. Außerdem bestand das Gros seines Repertoires nicht aus Blues, sondern harmlosen Tagesschlagern wie „My Blue Heaven“ oder Hillbilly-Hits wie „Tumblin‘ Tumbleweeds“, aber das wollte die Plattenfirma nicht haben. Schwarz verkaufte sich zu dieser Zeit nur über die Jazz- oder Bluesschiene. Zudem deckte man neuerdings auf, daß der „Cross Road Blues“ ein sogenannter Studiosong war, den Robert eigens für die Aufnahmesitzung komponiert hatte.
Also, zum tausendsten Mal….schluß mit diesem Lavendel!!

Der „Teufel“, der Robert Johnson das Gitarrespiel beibrachte, hat nämlich ein Gesicht und das ist der Öffentlichkeit schon länger bekannt. Es war einer seiner Kumpels, der Robert in der Kunst des Gitarrespiels unterwies und der hieß Ike Zinnerman. Der Rest war bloß Talent und ein starker Wille sich gegen Charley Patton, Son House und Willie Brown zu behaupten. Das waren die wahren Triebfedern des Robert Leroy Johnson, der sich auch gerne mal Robert Lonnie (sic) nannte. Alles andere ist samt und sonders mythologischer Kaiserschmarren.
Wenn man sich Roberts „Cross Road Blues“ auch nur mit geringen Englischkenntnissen anhört, bemerkt man, daß es da um ein völlig anderes Thema geht. Doch bis zum heutigen Tag grenzt es wirklich an ein Wunder globaler Sturheit, daß sich dieses saudumme Teufelsmärchen immer noch hält. Ich verweise an dieser Stelle auf ein Aufklärungswerk von Elijah Wald, das sich „Escaping The Delta“ betitelt und mit diesem Jahrhundertschmäh endlich aufräumt.

Einer der Architekten in Bezug auf Robert Johnsons James Dean Image ist ein gewisser Frank Driggs, Verfasser der Linernotes zur Erstveröffentlichung seiner Werke, die im Jahre 1961 auf einer CBS LP mit dem Titel „Robert Johnson, King Of The Delta Blues Singers“ erschien.
Doch das war der eigentliche Auslöser der Johnsonmania…die Platte, die einem Eric Clapton, einem Keith Richards oder Mick Jagger genauso den Mund offenstehen ließ, wie mir und noch tausend anderen Musikern unserer Generation. Nach Elvis die zweitgrößte Identifikationsfigur, zumindest für mich. Den vorher Genannten wird’s wahrscheinlich auch nicht viel anders gegangen sein, denn die Geschichten die sich um Roberts Person rankten, lieferten den idealen Stoff, aus dem unauslöschliche Mythen gestrickt wurden, die bereits zwei Generationen überdauern….
Der einsame Junge, von tausend Teufeln gejagt und nächtens von permanenter Sexomanie gequält, schreit mit einer an Hysterie grenzenden Stimme seinen Blues in ein Mikrofon, das man in die Ecke eines billigen Hotelzimmers postiert hat. Er sitzt mit dem Rücken zur umherstehen Crew und einer handvoll mexikanischer Musiker, die auf ihren Auftritt warten. Ach, der Junge ist ja so scheu, daß er nicht einmal die Leute ansehen kann, die ihn aufnehmen. Spielt er im Barrelhouse etwa auf dem Klo?? Angst vor Fremden und so fern der Heimat. So etwas macht sich PR mäßig immer gut.
Nein, es war bloß eine tontechnische Maßnahme, um den Gesang besser ins Mikro zu bekommen. Aber das stand nicht im Covertext. Dann bittet Robert Johnson den Aufnahmeleiter Don Law auch noch um einen Nickel (5 Cent) weil er es nicht mehr aushält und sich seinen Frust an einer Fünfzig-Cent Hure abbumsen muß. („…there’s a lady, she wants fifty cents and I lacks a nickel“.)
Schließlich bringt ihn, laut Covertext ein eifersüchtiges Weibsbild um, doch nach neuesten Erkenntnissen starb Robert Johnson nicht an der „Spinne“, die man ihm in den Whisky getan hat, sondern an sogenannter kongenitaler Syphilis, was eigentlich im Klartext bedeutet, daß er damit bereits geboren wurde. Roberts geschwächter Gesundheitszustand ließ seinem Körper keine Chance, das verabreichte Gift zu verarbeiten. Vielleicht hätte er drei Tage gekotzt, denn es war kein konzentriertes Strychnin, sondern der Extrakt ausgekochter Mottenkugeln, die einem gesunden Körper nicht gleich den Tod bringen. Nicht ein eifersüchtiges Weib hat ihn vergiftet, sondern es war schlicht und einfach der Lokalbesitzer einer Blueskneipe, die Three Forks hieß. Robert hatte seine Frau angebaggert und bekam dafür logischerweise seinen Denkzettel präsentiert. Vielleicht wollte der „Koberer“, wie das bei uns so schön heißt, den kleinen Bobby bißchen kotzen lassen. Leider ist er daran dann auch gestorben….kann vielleicht so gewesen sein.

Doch was kann es Schöneres geben, um pubertierende Jungmusiker, wie wir es waren, in heftiges Schwärmen zu versetzen. Live fast and die young war schon immer ein faszinierendes Motto, mit dem man die Romantik des Rock n Roll seit jeher verbunden hat. Das macht zum Heute nicht viel Unterschied. Alkohol wird seit den Tagen der seligen Woodstocker halt durch Drogen ersetzt. Im Grunde ist es scheißegal, ob man Schuhpolitur säuft, wie Tommy Johnson, oder sich den goldenen Schuß gibt…
Robert Johnson wurde von der Rockjournaille zu einer Art schwarzen James Dean hochstilisiert, gegen den sogar der junge, wilde Elvis ein schwanzloser Chorknabe war.  Doch Robert war ende zwanzig, als er seine legendären Aufnahmen machte und nicht siebzehn, wie es im damaligen Covertext hieß.
Wie vorhin erwähnt, erfuhr ich durch Johnny Shines und Honeyboy Edwards bereits mitte der 70er, daß Roberts Bluesprogramm eigentlich den kleinsten Teil seines Liverepertoires darstellte. Er spielte Tagesschlager und sogar Polkas und Walzer, hörte Radio und hatte offenbar ein absolutes Gehör. Solch musikalische Versiertheit paßt natürlich schlecht zu seinem hysterischen Gesang und dem Image seiner höllenhundverfolgten Seele. Robert Johnson mag ziemlich sicher ein neurotischer und schwieriger Charakter gewesen sein, aber der am Verfolgungswahn verrückt gewordene Halbirre, als der er dargestellt wurde, war er deshalb noch lange nicht. (siehe: „Hellhound On My Trail“)
Zudem fiel mir auf, daß Robert Johnson auch noch haargenau in den berühmten Club 27 paßt, der in letzter Zeit durch das Ableben der giftelnden Schnapsdrossel Amy Winehouse wieder ein Mitglied dazugewonnen hat. Außerdem deckt sich Robert Johnsons Todestag am 16. August 1938 mit dem Elvis Presleys im Jahre 1977. Es liegen bloß 39 Jahre dazwischen.
Ja! Zugegeben. Wenn Eric Clapton, die Stones und noch andere Rockstars keine Johnson Fans gewesen wären, wäre dieser Name wahrscheinlich auf ein paar zerkratzten Schellacks und eine verschworene Gemeinschaft von Hardcorefans beschränkt geblieben. Mag sein, doch andererseits wäre seiner Musik somanches erspart geblieben…

Empfohlene Literatur:
ESCAPING THE DELTA. Robert Johnson and the invention of the blues.
Autor: Elijah Wald, Amistad Verlag USA.