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DER EWIGE JOHNNY B. GOODE

Von AL COOK © 2005

DER EWIGE JOHNNY B. GOODE

Lang hat’s gedauert, aber nun habe ich es geschafft. Nach 41 Bühnenjahren und 60 Jahren tapferem Herzschlag stehe ich nun vor Euch, liebe Freunde, die Gitarre in der Hand und spiele meinen Blues mit demselben Enthusiasmus und dem Sendungsbewußtsein meiner ersten Jahre. Ja, ich habe es geschafft, das zu tun, wovon ich überzeugt bin, ohne die leisesten Konzessionen an die Musikindustrie oder an einen mediengesteuerten Publikumsgeschmack.zu machen. Man hat mich verteufelt, bewundert oder wie meistens, als exotisches Alien klassifiziert. Man hielt mich für stur, arrogant und nannte mich auch kürzlich einen”Fundamentalpuristen”, einen unzugänglichen Ayatollah des Blues, der neben sich nichts gelten läßt. Diejenigen, die mich kennen, wissen, daß das nicht stimmt. Aber durch Kontroverse bleibt man im Gespräch und das ist die beste PR. Seit einigen Jahren aber weiß ich, daß ich echte Freunde und Fans habe. Das ist wertvoller als Topgagen und Grammies. Ich danke Euch von ganzem Herzen.

Dabei begann mein Leben ganz ohne Musik und das blieb es bis zu meinem 15. Lebensjahr.
Im Mai 1944 bekam mein Vater einen kurzen Fronturlaub und war entschlossen, den längst fälligen Stammhalter in Auftrag zu geben, denn er wußte nicht, ob er den Krieg überleben würde. Außerdem war er stinkeifersüchtig und fürchtete, daß sich meine Mutter, die ihn eigentlich nicht sonderlich liebte, anderwertig engagieren würde.



Mein Vater ließ meine Mutter übers Militär nach Bad Ischl evakuieren, wo ich am Dienstag, den 27.Februar 1945 geboren wurde. Natürlich bekam ich den Vornamen Alois verpaßt. Damit war ich der vierte in der Reihe nach Alois, Freiherr von Gillern, meinem leiblichen, blaublütigen Urgroßvater, der sich wie es so oft in standesgemäßen Ehen vorkam, mit seiner Angetrauten nicht wohlfühlte und mit Karoline Koch, einem männersüchtigen Flittchen aus Mähren in ein „Pantscherl“ (Schlampiges Verhältnis) einging, aber sich unglücklicherweise in sie verliebte. Die aber betrog ihn nach Strich und Faden. Doch das Püppchen verstarb mit 20 an TBC und niemand wollte meinen Großvater haben, der kurzerhand als illegitimer „Bankert“ (Leibesfrucht 2. Klasse) nicht anerkannt wurde. Mit drei Jahren kam er zu Verwandten seiner Mutter und sackte damit ins Simmeringer Tagelöhnerproletariat ab. Später wurde ein gewalttätiger Trinker aus ihm, der meiner Großmutter zehn Kinder anhängte, von denen mysteriöserweise nur drei übrigblieben. Mein Vater mußte mit 17 die Familie erhalten, denn mein Großvater saß wegen ebenso unklaren Gründen im Knast.
1935 heirateten meine Eltern auf Betreiben meines Vaters, der sich als Gemeindeangestellter der Familie meiner Mutter schmackhaft machen konnte und die wurde mit den Worten:”Den heiratst!” der polternden Autorität meines Vaters unterstellt.
Unglücklicherweise erbte ich das sensible,weichherzige Wesen meiner Mutter und entwickelte mich zu einem musischen Träumer, was meinem Vater gar nicht recht war. Mit Kasernenton und Ohrfeigenerziehung hoffte er, mich für ein Leben abzuhärten, wie er es eben kannte. Dabei überspannte er den Bogen ein wenig zu oft und was er erreichte, war ein schwer traumatisiertes Kind, das schließlich den Mund nicht mehr aufbrachte und sich vor allem und jedem fürchtete. Doch der Vater meiner Mutter aber brachte mir Bildung und intelligentes Denken bei und ich konnte vor meinem 6.Lebensjahr bereits komplett lesen und schreiben. Aber meine zu oft offenbarte Altklugheit brachte mir in der Schule und unter Gleichaltrigen den Ruf eines besserwisserischen Sonderlings ein, der in der Pause regelmäßig seine Prügel kassierte und sich bis ins Manneslter unentwegt gegen Mobbing verteidigen mußte.



Mit 14 war ich am Tiefpunkt meines Selbstbewußtseins angelangt und am Scheideweg von Gut und Böse. Ich wollte Astronomie und Physik studieren, aber mein Vater verbat es sich, daß ich mich zum Eierkopf entwickelte. Wie der typische „Werktätige“, verachtete er alles, was ihm nach Intellektualismus stank. Was mich seither am Proletarier so stört, ist die Tatsache, daß er, anstatt sich zu erheben, alles was ihm über seinen Horizont geht, auf sein Wertempfinden herunterzuziehen, oder zu zerstören versucht.
Mein Vater steckte mich mit 15 in eine Fabrik und ich verbrachte die nächsten 13 Jahre als Fußabstreifer für komplexbehaftete “Kollegen”, denen ich leider ein allzu ausgeliefertes Opfer war. Als ich eines Abends den Elvis-Film “Gold aus heißer Kehle” sah, war für mich klar, daß ich nur durch Musik und Starruhm dieser Löwengrube entfliehen konnte. Naiv und gutgläubig wie ich war, fiel ich jedem herein, der mir das Blaue vom Himmel versprach. In der Hoffnung, endlich dem Mobbing neidischer und verständnisloser Arbeitskollegen zu entkommen, unterschrieb ich einen selbstmörderischen Vertrag, aus dem ich mich unter unsäglichen Mühen und der Hilfe meiner ersten Lebensgefährtin  herausboxte.
Ich arbeitete sechs Jahre als Amateur und mein Publikum war mit einigen Ausnahmen stets das falsche. Doch zum Aufgeben steckte ich schon zu tief drinnen. Welche Wahl hätte ich auch gehabt. Endlich wurde ich im Zuge der Folknik-Bewegung der späten 60er für die größere Öffentlichkeit entdeckt. Man machte die ersten Platten mit mir, ließ mich aber fallen, weil ich nicht Willens war, mich dem Markt anzupassen. Meine Musik war das Einzige, das ich mir nicht nehmen ließ und machte zielbewußt auf meine Art weiter. Keiner traute sich bis dato puren authentischen Blues auf der Bühne vorzutragen.Doch ich regte eine ganze Szene an, zur Gitarre zu greifen. Auch wenn sie dann andere Wege gingen, ich war der entscheidende Kick. Ich spielte mit den größten, damals noch lebenden Blueslegenden, die teilweise sogar noch den Delta-King Robert Johnson kannten. Doch am Höhepunkt meiner Laufbahn in den 70ern verließ mich meine Gefährtin und mein Vater starb ein paar Jahre nach Mutter einen ebenso häßlichen Tod. Doch das Schicksal meinte es noch einmal gut und ich lernte meine nunmehrige Frau kennen. Frisch ging ich wieder ans Werk, doch es tat sich wieder etwas, was mich gar nicht freute.



Der Zeitgeist änderte sich wieder und brachte die tödliche Discowelle mit sich. Rundfunkreformen machten es seit den 80ern immer schwerer, mit unkommerzieller Musik zu punkten. Die Ära Roscic machte aus dem Progressivsender Ö3 eine Hitpeitsche, die einem den ganzen Tag lang um die Ohren zischte. Von 1983 bis 1987 half mir eine Rockabilly-Welle wieder auf die Bühne und wieder gab es Musiker, die sich an meiner Musik begeistern konnten. Doch Anfang der 90er ging ich endgültig zum Blues zurück und blieb seither bei meinen Leisten. Im Laufe meiner Bühnenjahre erwarb ich mir den Titel “The White King Of Black Blues”, den mir die Presse(!) verlieh und seither als vieldiskutierter Slogan dient. 1993 wechselte ich zu Wolf-Records” und produzierte in Personalunion fünf Konzept-CDs.
Meine Auftritte sind seit meinem schweren Herzinfarkt im Jahre 2002 rarer geworden. Ein kampferprobter Geist und eine fast religiöse Überzeugung haben mich auf meiner Fahrt gegen den Strom gegen alle Versuchungen und Unbilden, die der Kunstbetrieb so mit sich bringt, bestehen lassen.

Nun hat mich meine Geburtsstadt Bad Ischl mit einer goldenen Kulturmedaille ausgezeichnet. In Wien, wo ich über 40 Jahre gewirkt habe, warte ich noch immer auf den Dank des Vaterlandes.
Ich aber mache weiter mit Konzerten und Tonträgern und glaube fest daran, daß mein Lebenswerk bei den Entscheidungsträgern irgendwann einmal den richtigen Eindruck machen wird.

Euer AL COOK