Al Cook



Cotton Termine
Cotton Booking
Cotton Diskographie
Cotton Chronik
Cotton Autobiographie
Cotton Blueskitchen
Cotton Pressetext
Cotton
Impressum
Cotton Home

IN MEMORIAM JOHN LEE HOOKER 1917-2001

Aus aktuellem Anlaß gedenken wir einer Ikone des Blues.

In Memoriam JOHN LEE HOOKER 1917-2001

John Lee Hooker war mit Muddy Waters und Howlin‘ Wolf (Chester Burnett) einer der ganz großen Exponenten des Post-War Blues, also derjenigen Künstler, die sich von ihren Delta-Wurzeln Richtung Populärkultur bewegten und schlußendlich der Rockmusikrevolution der mittleren 60er mit kräftigen Impulsen auf die Sprünge halfen. Aber wie es den Bluesmusikern eben so geht, wurde der Geist des Post-War Blues, der sich anfangs deutlich auf die Jahrzehnte ursprünglicher Folk-Blues Kunst aufbaute, von deren Bewunderern mißgedeutet. Ich will hier nicht zum wiederholten Male gegen die Popmusiker losziehen, sondern versuchen, einen möglichst objektiven Nachruf auf John Lee Hooker zu verfassen.

Johnn Lee Hooker, der wie die meisten Bluestypen auch unter unzähligen Pseudonymen auftrat und aufnahm, wurde am 22. August 1917 in Clarksdale, in Coahoma County, Mississippi geboren. Von Son House bis Ike Turner war dieser Ort die Wiege vieler berühmter und auch berüchtigter Musiker.
John wuchs auf der Farm seines Stiefvaters William Moore auf und sang gelegentlich im lokalen Kirchenchor, wie viele, die sich später dann eher von der „Teufelsmusik“ angezogen fühlten. In der Zeit zwischen 1929 und 1931 spielte John mit lokalen Musikern bei „Country-Suppers“ und sogenannten „Frolics“, wie die wild-ausgelassenen Schnaps-und-Barbecue Parties genannt wurden. Vielleicht hat er dort Charley Patton getroffen, den unumschränkten Star der sogenannten „Drew-Szene“, die nach einer Kleinstadt im Delta benannt wurde. Wie die meisten jungen Musiker wollte John vom Farming nichts wissen und verdünnisierte sich nach Memphis, Tennessee. Elvis‘ Eltern waren noch im Spielhöschen, aber die Stadt vibrierte schon damals von Musik. Zwischen den röhrenden Jug- und Washboard Bands gab es auch die einsamen Wölfe, die am Straßenrand standen und ihren Cottonfield-Blues sangen. Bald aber freundete er sich mit späteren Stars wie Robert Nighthawk (Robert Lee McCoy) an und blieb bis ca. 1933 in Memphis. Von 1933 bis in die 40er schloß John sich verschiedenen Gospelgruppen an, zu denen auch die in Mississippi bekannten Delta Big Four gehörten. Dazwischen mußte er hin und wieder jobben um zu überleben. Unstet wanderte John Lee Hooker von Cincinatti nach Detroit und Umgebung, bis ihn offensichtlich eine der moderneren Blueslabels entdeckte. Muddy wanderte 1943 von einem zum anderen Tag nach Chicago aus und John landete eben in der Motor-City, die dann in den 60ern Ausgangspunkt für das legendäre „Motown“ Label war.


1948 aber waren Detroits Plattenfirmen noch in weißer Hand und John Lee Hooker nahm bei „Modern“ und später bei „King“ auf. Sein Talent als Blueskünstler wurde für Pre-War Fans wie mich leider erst spät entdeckt, denn ich hätte gerne gehört, wie er in den 20ern und 30ern klang. John hatte eine tiefe, vibrierende Stimme, die sehr ursprünglich klang, aber wie Muddy mußte er sich dem neuen Trend zu elektrisch verstärkter Gitarre und Verwendung von Hall und Jumprhythmen unterwerfen. Muddys Schwester sagte ihrem countryorientierten Bruder, was sie von Familienmitgliedern und Freunden aus Chicago zu hören bekam: „Da oben im Norden will kein Nigger deine altmodische Baumwollscheiße hören, da geht die Post mit Jump, Jive und tollen Rhythmen ab…“ Das war’s. Nach dem Niedergang der klassischen Blues- und Vaudevillesängerinnen in den späten 20ern ging nun auch die Ära der Pattons und Jeffersons zu Ende. Die lauten Großstädte im Norden verlangten nach dem Einsatz der kürzlich erfundenen elektrisch verstärkten Gitarre und den dröhnenden Mundharmonikas. Die damaligen schwachen Röhrenverstärker spotzten und spuckten aus überlasteten Lautsprechern und so wurde ungewollt der Overdrive und Fuzz-Sound der späteren Rockmusik geboren.
John wechselte die Plattenfirmen öfter als seine Socken und so nahm er nacheinander bei legendären Labels, wie Specialty oder Vee Jay auf. Ende der 50er als in intellektuellen Jazzkreisen das Konsumieren sogenannter „primitiver Jazzformen“, wie Blues und sonstiger schwarzer Folklore hip geworden war, wagte man sich an Jazzfestivals heran. Der 2. Weltkrieg unterbrach die Aktivitäten von Jazzfans wie John Hammond sen., aber durch die „zornige junge Generation“, Beatniks genannt, bekam der Blues wieder eine, wenn auch mißinterpretierte Bedeutung. Der Blues war die Musik der etwas intellektueller gelagerten „Rebellen“, während der Rock’n’Roll eher in den unteren gesellschaftlichen Gefilden Anhängerschaft fand.


1956 amüsierte sich das Jazzbürgertum mit dem Gesellschaftsfilm „Die oberen Zehntausend“ noch köstlich über Bing Crosby’s Einführung in die „Jazzmusik“, wobei man sich über die geschmacklos-affige Synchronisation von Louis Armstrongs Stimme totlachte.
Aber man wagte es dennoch seit den späten 50ern in Newport Jazzfestivals zu veranstalten. Da man außer Big Bill Broonzy keines Country-Blues Interpreten habhaft werden konnte, spielte John Lee Hooker den Holzhacker, der meist auf die Grundtonart beschränkte Stücke spielte, die er mit metronomartigem Fußstampfen begleitete. Bald wurde die Masche zu seiner Trademark und das war dann John Lee Hooker’s Blues. Man sagte, daß seine Musik so ursprünglich und primitiv sei, weil John nie gelernt hatte, einen Akkord zu formen. Tatsächlich hat man den Eindruck, daß er mit seinen klobigen Händen einfach nur den Gitarrenhals würgt und ostentativ monotone Phrasen aus den Saiten quetscht.


Die oft gewollte Monotonie sogenannter One-Chord-Pieces ist eng an die Tradition der „Breakdowns“ gebunden, die die versammelte Zuhörerschaft schrittweise in tranceartige Zustände versetzen soll, bei der sich die Tänzer bis zum Erschöpfungszusammenbruch verausgaben. Das läßt fast einen Vergleich mit der heutigen Techno-Musik und der Konsumation aufputschender Extasy-Drogen zu. Der Unterschied liegt aber bloß in der ethnischen Genese. Während sich die Schwarzen nach der Extase erleichtert fühlen und sich bar aller bösen Geister wähnen, hat das bei uns keinen traditionell-kulturellen Hintergrund, daher treibt dieser gefährliche Hokus-Pokus unsere Jugend nur in eine inhaltsleere Erlebnis- und Genußsucht.
Nun aber zurück zu John Lee Hooker.
Als die vorwiegend weiße Rockrevolution den Begleitgenuß von Rauschmitteln und harten Drogen mit sich brachte, war die Musik John Lee Hookers gerade die richtige Beigabe. Sein Stil fand Eingang in die Technik zahlreicher Rockbands. Die ersten waren John Mayall’s Bluesbreakers und Canned Heat, die ihren Hit „On The Road Again“ mit einer Hooker-Phrase einleiteten. John spielte nacheinander mit fast sämtlichen Rock- und Rauschgiftbands der 60er und 70er.
Die Tatsache, daß er sich dann auch noch mit New-Age Musikern und Carlos Santana arrangierte, wie einst B.B.King mit U2, läßt mich zwangsläufig über den Unterschied zwischen schwarzer Auffassung und weißem Purismus nachdenken.
Vielleicht ist unsere Einstellung zum Blues total falsch oder nehmen sich die Schwarzen selbst nicht ernst. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Dem Schwarzen ist vermutlich der Begriff der Traditionspflege, wie wir ihn verstehen, unbekannt. Es gibt offensichtlich keine Afro-Amerikanische Institution, die farbiges Kulturgut an Schulen lehrt, etwa wie wir Mozart und Beethoven seit fast 250 Jahren mit staatlicher Hilfe am Leben erhalten. Kein farbiges Kind weiß, wie Bessie Smith, Ma Rainey oder Blind Lemon Jefferson gesungen haben. Das läßt den Schluß zu, daß das Afrikanische Erbe keinen Blick zurück erlaubt. Das ist verständlich, denn erst wollte man vom Baumwollfeld herunter, dann aus dem Ghetto heraus und da kann man sich nicht im Blick zurück verlieren, nicht einmal im Zorn.


Erst wollte man es den Weißen gleichtun, glättete das Haar und den Baumwolljargon und als man trotzdem noch ein „Nigger“ war, drehte man den Spieß um und machte aus dem „Fehler“ eine Tugend. Black war plötzlich beautiful und man trug Afrokrausen wie Fesselballons vor sich her. Jetzt trägt man Rap-Glatze und zeigt den Stinkefinger. Nichts davon trägt zur Verständigung der Rassen bei.
Die Schwarzen wollen nichts als aus ihrer Haut heraus, darum pfeifen sie auf den Blues und spielen die bösen Buben, die den weißen Arschgesichtern zeigen, wo Gott wohnt. Die andern aber sind die ewig grinsenden Nachtklubtypen und die Opportunisten, die aufatmen, wenn es endlich Kohle gibt. Die entsetzlichsten armen Teufel sind die, die sich wie ein Billy Mo einen „Tirolerhut kaufen“ und sogar im Musikantenstadel auftreten würden, wenn die Kasse stimmt.
Wir alle haben wahrscheinlich keine Ahnung, was der schwarze Mann wirklich denkt und einen John Lee Hooker, Muddy Waters, oder B.B. King und einen Howlin‘ Wolf dazu treibt, sich mit total unbluesigen Rockgranden auf die Bühne zu stellen. Werden wir es jemals wissen?

Lassen wir John Lee Hooker in Blue Heaven seinen Platz einnehmen, den er sich verdient hat und seine „Boogie Chillen“ werden zu seiner Musik tanzen und wir halten ihn in Erinnerung, indem seine Musik wie die der klassischen Granden in den Herzen seiner weißen (!) Freunde weiterlebt.

Good Ol‘ Boy Rest In Peace
AL COOK