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ROBERT JOHNSON’S TOD UND AUFERSTEHUNG

ROBERT JOHNSON’S TOD UND AUFERSTEHUNG

Oder der ewige Trieb des Menschen, an Legenden zu glauben.
© Al Cook 2001


Nun kommen wir zu dem Kapitel, das die heikelste Frage im Johnson Krimi behandeln soll.
Wie ist der posthum berühmteste Bluesvagabund der Musikgeschichte zu Tode gekommen?
Wie schon vorher beschrieben, gingen die wildesten Gerüchte um seinen Tod schon in den 30ern herum. Der Gute wäre, nachdem man ihn verscharrt hatte, bald vergessen gewesen, denn Bluessänger waren wohl oft sehr beliebt, aber eben des Teufels und daher unwürdig, anständig begraben zu werden. Weder Blind Lemon, noch Charley Patton, nicht einmal die große Bessie Smith hatten einen Grabstein. Letzte mußte auf die Popröhre Janis Joplin warten, die ihr dann endlich einen Namen aufs Grab setzte. Wie erklärt sich das bloß? Wenn man sich ein bißchen in schwarzer Kultur auskennt, erfährt man, daß man Musiker und Schausteller nach Stammesgebrauch nicht in die Erde setzte, sondern in hohle Baumstümpfe legte und sie dort verrotten ließ. Das war natürlich im zivilisierten Amerika nicht möglich und man begnügte sich, den Bluesbarden wenigstens den Namen auf der Grabstätte zu verweigern.
Sang doch Robert: „You may bury my body down by the highway side, so my old evil spirit can catch a Greyhound bus and ride“ (Me And The Devil Blues). Man sieht, daß sich der Bluessänger selbst als Wohnsitz einer üblen Seele bezeichnete und sich fatalistisch der physischen Verrottung preisgab. Bluessänger zu werden oder zu sein, war offensichtlich eine üble Berufung, der man nicht entgehen konnte. Ich weiß, was es heißt zu entdecken, daß man eben nicht anders kann, als der Stimme seines Herzens zu folgen.

Doch zurück zu Robert Johnson.
Son House warnte Robert unzählige Male, es mit den Weibern nicht zu bunt zu treiben. Offensichtlich war der Jüngling nicht imstande, seine Hormone unter Kontrolle zu halten und war stets mit der Bratpfanne unterwegs, die er nicht nur zum Tönen brachte, sondern gleich als Rattenfalle benutzte für alles was einen Kittel trug. Offensichtlich galt Robert Johnson unter seinesgleichen als attraktiv. Wenn man das in den 80ern gefundene Foto ansieht, kann man das fast glauben.


Die oft von jahrelanger Feldarbeit und billigem Fusel gezeichneten Gesichter der Plantagenknechte waren oft auch für den anspruchslosen Geschmack der schwarzen Weiblichkeit keine Augenweide. Robert hatte sich sein kurzes Leben lang von der Feldarbeit gedrückt und seine feingliedrigen Hände beweisen das. Offensichtlich benutzte er die Gitarre, wie weiland auch meine Wenigkeit, um dem „Hacklerdasein“ zu entkommen und bei den Miezen den Schnurrekater zu spielen. In der rauhen Welt der Cottonfields konnte das aber unter Umständen tödlich enden. In einem Buch über Charley Patton ist zu lesen, daß man beim „Chicken-frying“, wie man das Anbraten junger Frauen nannte, entweder das Messer eines Rivalen zwischen die Rippen oder die Axt ihrer Mammy über den Schädel bekam. Die beliebteste Methode aber, sich eines Brünstigen zu entledigen, war, ihm eine „Spinne“ in den Whisky zu tun. Man kochte Mottenkugeln in tödlicher Menge zu einem Konzentrat ein um es einem Stockbesoffenen ins Fluchtstamperl zu applizieren. Der Störenfried ging dann nach fürchterlichen Leibkrämpfen elend zugrunde. Man sagt ja, daß Robert auf allen Vieren kriechend, wie ein bellender Hund gestorben sein soll.
Wenn sich eine, wenn auch posthume Starpersönlichkeit unter ungeklärten Umständen aus dem Leben macht, ruft das natürlich auch die Wissenschaft auf den Plan. Ich unterhielt mich zweimal mit Honeyboy Edwards, der Augenzeuge von Johnson’s Tod gewesen sein soll und er erzählte immer dieselbe Geschichte. Robert hätte sich an die Frau des Lokalbesitzers herangemacht und dieser hätte ihm dann eine geöffnete Whiskyflasche angeboten, die ihm Sonnyboy Williamson (Rice Miller) mit der Warnung, man solle nie aus einer angebrochenen Flasche trinken, aus der Hand geschlagen hat.
Robert protestierte und trank ein zweites Mal. Nach den ersten Takten, die er nach der Pause spielte, brach Robert zusammen und kotzte sich die Seele aus dem Leib. Man brachte ihn zu einem Nachbarn, wo er nach 3 Tagen verstarb. Auf der Sterbeurkunde, die man 1968 fand, steht klar der Vermerk: „No Doctor“ zu lesen. Das Leben von Schwarzen war im Süden nie viel wert gewesen, aber in den Tagen der Delta-Blues Giganten scherte man sich überhaupt nicht, wie ein Schwarzer zu Tode kam. Es kam darauf an, ob der Verblichene ein guter Arbeiter war und dem Plantagenbesitzer die Pacht rechtzeitig zahlte (Share-Crop System). Ob und wie sich die „Nigger“ umbrachten, war in der Zeit der großen Depression (1929-1934) kein Thema, denn billige Arbeitskräfte gab es zum Schweinefüttern. Der Sheriff kreuzte nur auf, wenn’s Zoff mit Weißen gab. Wie in früheren Folgen bemerkt, ist Johnson’s Tod ein williges Sujet für spekulative Geister gewesen und hat in unserer heutigen esoterikanfälligen Zeit die groteskesten Blüten hervorgebracht. Die Spitze der Witze ist „Crossroads“, ein Filmchen für unbedarfte Romantiker, die sich gerne an Mythen delektieren.


Was mir an der Sterbeproblematik des Robert Leroy Johnson zu denken gibt, ist die Tatsache, daß man erst jetzt die Rückseite des Totenscheins veröffentlicht hat. Wollte man, so lange es geht, vom Mythos des Getriebenen profitieren oder die Wahrheit aus Gründen der Entmystifizierung nicht wissen. James Dean raste sich auch nicht aus unglücklicher Liebe zu Pier Angeli in den Tod. Ihre Eltern hatten erfahren, daß der große Rebell schwul, oder zumindest bisexuell war und möglicherweise mit dem Frauenidol Rock Hudson unter der Gürtellinie bekannt war. Aber über solche Tabus durfte in den 50ern nicht gesprochen werden.
In dem Buch „Chasin‘ The Devil Music“ von Gayle Dean Wardlow ist die Rückseite von Johnson’s Totenschein veröffentlicht.

Der Mann, der Robert Johnson vor dessen Tod beherbergte, war weiß(!). Da Robert aber nicht auf seiner Plantage arbeitete, verweigerte dieser aber offensichtlich ärztliche Hilfe und ließ ihn wenigstens in seinem Hause sterben. Es wird behauptet, daß Robert aber anheuern wollte, was mir aber wegen seiner notorischen Arbeitsscheu eher unwahrscheinlich vorkommt.
Der Hammer aber war die vom Plantagenbesitzer geäußerte Vermutung, daß Robert Johnson an Syphilis verstorben sei. Der Internist des Mississippi State Charity Hospitals analysierte ein bloßes Zusammentreffen mehrerer Faktoren, die zum Tod des Sängers führten. Vorerst wäre es aufgrund der jugendlichen Kondition Roberts nicht zwangsläufig zum Ableben gekommen, doch es gab untrügliche Faktoren, daß Spätfolgen syphilitischer Spätsymptome den Ablauf der Dinge begünstigt haben könnten.
Robert Johnson litt an den Folgen unbehandelter sogenannter kongenialer Syphilis, die besagt, daß er wahrscheinlich schon damit geboren wurde. Eine schwelende Pulsadergeschwulst und angegriffene Blutgefäße, sowie beginnende Leberzirrhose könnten seinem Körper so zugesetzt haben, daß er durch die Kombination von „Moonshine-Whisky“, also illegal gebranntem Fusel und seiner Krankheit auch noch Lungenentzündung bekommen hat und das war’s dann. Antibiotika wie Penicillin gab es erst nach 1945.